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Was macht eine Stadt zur Musikstadt? Auf der Suche nach mehr Selbstbewusstsein



Am 10. Februar hieß das Thema des MedienMittwochs (www.medienmittwoch.de) im Hafen2 in Offenbach „Ist das Rhein-Main-Gebiet als Musikstandort noch zu retten?“ Unter der Leitung von Jörg Bombach diskutierten Uwe Lerch (Senior Vice President Marketing, iMusic TV GmbH), Wolfgang Lücke (Director, Musikmesse), John Ruhrmann (A&R Manager, Melodien der Welt - J. Michel GmbH & Co. KG), Sven Robin (Vorsitzender, VUT-Mitte Regionalgruppe des VUT - Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.) und Wolfgang Weyand (Vorstand, Interessenverband Musikmanager & Consultants e.V. [IMUC]) mit dem zahlreich erschienene Publikum. Klar, dass es auch viele Kritikpunkte gab und sich auch einige der Menschen auf dem Podium diesen ausgesetzt sahen. So musste Jörg Bombach als Programmchef von hr3 gleich den ganzen Hessischen Rundfunk mit all seinen unterschiedlichen Wellen verteidigen und musste sich Jean Trouillet die Frage gefallen lassen, was er denn bei hr3 für die regionale Szene täte wenn international erfolgreiche Bands von seinem Essay Recordings Label wie Shantel oder Señor Coconut im Programm gar nicht stattfänden? Als Bombach Wolfgang Lücke dann (Ironie der Situation) fragte, ob er denn das Gefühl habe, die regionalen Medien würde die hiesige Szene genug unterstützen, antwortete er, „ja, allen voran die Frankfurter Rundschau“ was den Einwurf „Ja klar, mit Coverband-Festivals...“ provozierte. Aber inden Coverband spielen halt auch betuchte Anwälte, Ärzte etc. – und die können sich neue Instrumente kaufen. Klar – jeder, der an der Runde teilnahm, hat ganz eigene wirtschaftliche Interessen und trotzdem müssen sie alle an einen Tisch, um als gemeinsame Task Force den Standort zu stärken... Packen wir’s an. Aber zuvor sei auf alle Fälle auch mal die Frage gestattet: Was überhaupt macht eine Stadt zu einer Musikstadt? Denn die stellte sich nach dem Abend im Hafen2 auf alle Fälle ganz dringlich. Denn am Rande der Halle standen auch Musiker wie zum Beispiel zwei Mitglieder der gerade in Japan erfolgreichen Band Wagner Love, die sich durchaus die Frage stellen konnten: Kommen wie als Musiker überhaupt bei diesem Thema hier vor? Lesen sie nun die sieben interessante Statements zum Thema: Was machte eine Stadt zur Musikstadt?



„Eine Musikstadt ist in meinen Augen eine Stadt, in der Musik gelebt wird. Ein Ort, an dem, unabhängig vom Musikstil oder auch ihrer Qualität, Musik gemacht, unterstützt und toleriert wird. Frankfurt hat dafür das Potenzial. Es schlummert in vielen Clubs, die Live-Musik auch von noch unbekannten Bands fördern, in Hinterhöfen und Bunkern, die den Bands als Proberäumen dienen, und auf der Straße, wo Musiker sich mutig und mit teilweise ungewohnten Klängen der Öffentlichkeit präsentieren. Mit der weltgrößten Messe für Musikinstrumente und Zubehör kitzeln wir jedes Jahr aufs Neue dieses Potenzial aus der Stadt. Und es ist immer wieder beeindruckend, was dabei zutage tritt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Frankfurt und die Region noch das letzte Quentchen Mut fehlt, um sich gegen bestehende Bilder der Stadt als Banken- und Wirtschaftsmetropole endgültig auch als quirlig-kreative Musikstadt zu behaupten. Dafür müssen wir in der Musikstadt Frankfurt gemeinsam mehr Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft fördern – dafür appelliere ich.“ Wolfgang Lücke (Chef der Musikmesse Frankfurt)



„Eine pulsierende Musikstadt braucht vor allem kreative Musikerinnen und Musiker. Nicht zu vergessen Veranstalter, Journalisten und musikbegeisterte Konzertbesucher, deren Herz spürbar auch für die lokale Musik schlägt. Das gleiche gilt für Studios, Label, Agenturen und nicht zuletzt für eine fördernde Stadtverwaltung, Vereine und Initiativen, die alle zusammen eine Struktur schaffen, in der Musik entstehen und sich öffentlich machen kann. Wir haben alles in Frankfurt am Main, aber manchmal wissen die Beteiligten zu wenig voneinander.“ Irmgard Tennagels (Musikreferentin Kulturamt Frankfurt am Main)



„Die Basis einer Musikstadt ist Musik die im öffentlichen Raum wahrgenommen wird. Dann folgen die Studios, Labels und Verlage etc. von denen es in Frankfurt eine nicht geringe Anzahl ja gibt. Das heißt zu einer Musikstadt gehört in erster Linie ein breit gefächertes Angebot an Live-Clubs und Festivals sowie ein Engagement das eine aktive, von politischer Seite gewollte, Förderung auch lokaler Künstler vorsieht. Möglichkeiten gebe es , mir fällt in diesem Zusammenhang immer wieder die Hauptbühne des Museumsufersfestes ein welche jedes Jahr mit mittelmäßigen Coverbands bestückt wird. Hingegen Orte wie der Jazzgarten mit kleinem Budget arbeiten oder wie der Jardin du Monde einfach nicht mehr existieren. Beides Orte an denen lokale Musiker eine Plattform finden/gefunden haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Öffentlichkeit. In Frankfurt, dem Sitz des Hessischen Rundfunks!, muss man sich einfach die Frage stellen in wie weit dieser seiner öffentlich rechtlichen Aufgabe überhaupt noch gerecht wird. Eine Möglichkeit für lokale Künstler ,Öffentlichkeit´ zu erreichen stellt er jedenfalls absolut unzureichend dar.“ Jan Hagenkötter (Labelchef INFRACom!, DJ. Konzertveranstalter)



„So schön das wäre mit dem Musikstandort. Da fehlen noch ein paar Voraussetzungen: Labels/Plattenfirmen, ein bisschen mehr Unterstützung von Seiten der Stadt (muss gar kein Geld sein). Hier glänzt man hauptsächlich durch Nicht-Wahrnehmung - oder sogar neuerdings indem man versucht das Hess. Feiertagsgesetz (in völliger Verkennung der Rechtslage) bei den Clubs durchzusetzen. Und insgesamt mangelt es bei allen ,Musikschaffenden an einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Aber das sollte doch zu bewältigen sein.“ Ralf Scheffler (Batschkapp)



„Eine Musikstadt zeichnet sich in der Summe durch die überdurchschnittliche Anzahl von Musikproduktionen und Musikdarbietungen aus. Die Gesamtzahl von Locations und Bands/Klangkörper ist in absoluten zahlen zu bewerten (sonst müsste Schrecksbach mit seiner Kulturinitiative in Deutschland die Nummer 1 sein..).

Wenngleich Berlin die Stadt Frankfurt in solchen Zahlen qua städtischer Ausdehnung überragt, stehen die Chancen für einen Führungsplatz Frankfurts m.e. nicht schlecht: Ffm ist mit dem Deutschen Jazzfestival noch immer die Jazzhauptstadt der Republik, Popgrößen wie Rödelheim Hartreim, Snap, Culture Beat, Shantel waren/sind keine Rhein-Main-Eintagsfliegen, das hr-Sinfonieorchester ist eines der besten der Welt, die hr-Bigband sucht in Deutschland ihresgleichen, hunderte von Amateurbands geben ihr bestes und hr3 versammelt jährlich 50 Künstler auf 20 Bühnen in Ffm bei hr3@night. Wo gibt es das alles in dieser Konzentration, Klasse und Mischung in Deutschland sonst noch?" Jörg Bombach (hr3-Programmchef)



„Was macht überhaupt eine Stadt zu einer Musikstadt? Ein kreatives Branchenumfeld im Bereich Musik, was wir mit vielen Werbeagenturen, Film- und Spieleentwicklern bereits haben. Dazu ein wichtiges Branchenevent, was wir ebenfalls mit der weltweit erfolgreichsten Instrumentenmesse der Welt in Frankfurt haben. Mit anderen Worten: Wir haben fast alles, müssen es aber besser nutzen.

Was fehlt:

1. Das Selbstbewusstsein der Branche, gemeinsam erfolgreich agieren zu können.

2. Die konsequente Nutzung und Entwicklung der Resourcen unserer heimischen Player (Musikmesse, Sender, kreative Unternehmen)

3. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bereich Förderprogramme für die Kreativwirtschaft, insbesondere auf Landesebene, was in Bundesländern wie Berlin, Hamburg oder NRW selbstverständlich ist.“ Wolfgang Weyand (Vorstand Interessenverband Musikmanager & Consultants e.V. [IMUC])



„Eine ,echte´ Musikstadt braucht zunächst einmal gute Musik. Diese entsteht am besten in einem Mikrokosmos, der ein vielfarbiges Konzert- und Club-Leben zu bieten hat, dass von Singer/Songwriter über Lounge/Electronic, Weltmusik, Hip-Hop, Schrammelpunk bis hin zu Großraum-Rock-Events alles bietet, wofür sich Menschen von 18 bis 68 begeistern können.

Es braucht Aktivisten, die von Organisation und Promotion ebenso viel verstehen wie von ,guter´ Musik. Vernetzung statt Gartenzaun-Denken, auf regionaler, bundesweiter und auch auf internationaler Ebene...

Es braucht Medienmacher in Print/Radio/TV und Online , die in ihre Stadt ,verliebt´ sind und sich regelmäßig bei den unterschiedlichsten Events blicken lassen und der Diskussion um Inhalte und Darreichungsformen stellen und nicht nur ,ihre´ üblichen ,Kooperationspartner´ abfeiern. Es braucht insbesondere mehr Lokal- oder Regionalpatriotismus in den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien.

Last, but not least: Es braucht auch Labels, Musikverlage, Konzertagenturen, die Künstler aufbauen und dabei von ihrer oft selbstausbeuterischen Arbeit einigermaßen leben können. Wünschenswert fände ich auch mehr regionale ,Schaufenster´ im Handel und in der Gastronomie, die das Musikschaffen der Region aktiv supporten.

Es braucht aber auch ein Publikum, das öfter mal vor die Tür und aus sich heraus geht, das gegenüber Neuem aufgeschlossen und bereit ist, sich auch einmal von weniger bekannten Künstlern positiv überraschen zu lassen. Damit meine ich keine Coverband-Karaoke-Contests, sondern Bands und DJs aus der Region, die dank virtueller Globalisierung via Myspace und Facebook mehr Fans in den USA und Japan haben als vor der eigenen Haustüre. Natürlich ist es prima, überall gehört zu werden, aber das Feedback der 50 - 500 Leute vor der Bühne des örtlichen Clubs ist für die meisten Künstler sehr viel wichtiger als 1000 Mausklicks aus L.A.

Uncool: einige Innenstadt-Etablissements, die hier nicht namentlich genannt werden müssen.

Cool: Yachtclub, Panoramabar, Ponyhof, Orange Peel, Das Bett, Robert Johnson, Sinkkasten, Fabrik Frankfurt.“ Christian Arndt (Labelchef Peacelounge)
 
Fotogalerie:
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16. März 2010, 11.00 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
 
 
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Text: Florian Aupor / Foto: Über den Holbeinsteg zum Museumsufer © Adobe Stock/Branko Srot
 
 
 
 
 
 
 
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