Partner
Warten auf Cem

Der hessische Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir hängt noch am Handy, "im Gespräch mit Opel", wie Bastian Bergerhoff von den Frankfurter Grünen sagt. Als er auflegt, fasst er den Stand der Dinge elegant zusammen: „Wir warten noch auf Cem - und auf den Regen.“ Um zwölf Uhr sollte der rhythmische Aufmarsch der Grünen an der Hauptwache starten: mit Trommlern über die Zeil, mal eine kreative Idee, um auf die Europawahl aufmerksam zu machen. Doch noch bewegt sich nichts. Die etwa zwölf Parteimitgliedern warten noch auf Cem Özdemir, den Parteichef. Sie haben Flaggen und Infomaterial in den Händen. Irgendwie hatte ich ein größeres Aufgebot erwartet. Die Grüne Jugend hält rauchend Schwätzchen, die beiden Trommler trommeln sich schon mal warm.

Zehn Minuten später: aus zwölf Mitstreitern sind 18 geworden, von Cem immer noch keine Spur. Er habe sich verfahren und suche jetzt nach einem Parkplatz. Sollte ein Grüner mit einem Auto unterwegs sein? Vor allem, wenn jeder weiß, dass man mit Bahn und Bus in der Großstadt sowieso schneller vorankommt? In der Zwischenzeit diskutiert man nochmal die Marschroute genauer aus – und die Trommler setzen sich wieder.
Um halb eins, trifft dann die Meldung ein: „Cem hat einen Parkplatz gefunden!“ Na, das lässt doch hoffen! Inzwischen sprechen die Grünen über die geringe Wahlbeteiligung der letzten Europawahl. 2004 waren es gerade 43 Prozent. „Die Medien berichten nicht genug über die Arbeit im Europaparlament“, meint Bastian Bergerhoff, der Frankfurter Vorstandssprecher. Al-Wazir ergänzt: „Man muss zur Bevölkerung durchdringen. Viele haben noch nicht begriffen, wie viel die EU eigentlich entscheidet. Das reicht von den Wasserrahmenrichtlinien bis zu den Antidiskriminierungsgesetzen ...“ Wenigstens wird die Wartezeit zur politischen Meinungsbildung genutzt...

Viertel vor eins. Endlich ist es so weit. Der lang ersehnte Bundesvorsitzende kommt nach immerhin 45 Minuten Verspätung endlich an der Hauptwache an. Grinsend marschiert er auf uns zu: „Ah, die Koteletten sind auch wieder gewachsen“, bemerkt Al-Wazir bevor er ihn mit einer Umarmung begrüßt. Sogar ein wenig Sonne hatte Cem mitgebracht.
Guter Dinge marschiert die Truppe Richtung Konstablerwache und drückt den Menschen Zeitungen in die Hand. Die Passanten wissen anfangs auch nicht so recht, was sie davon halten sollten. Ein Fahrradfahrer fragt nach dem Thema dieser Aktion. Gute Frage, eigentlich. Die Parteimitglieder kommen ins Grübeln und ins Diskutieren. Ökologie? Integration? Ach, richtig, es ist ja Europawahl. Die meisten Bürger wollen aber gar nicht so ins Detail gehen und freuen sich einfach über den lebhaften Rhythmus der Trommeln. Es gibt aber auch weniger positive Resonanz: ein Hund bellt laut auf, als sein Herrchen ein Wahlprogramm in die Hand gedrückt bekommt und zieht heftig an der Leine. Offensichtlich hat er andere politische Ansichten.

28. Mai 2009, 16.45 Uhr
Bettina Taylor
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur

Preisverleihung in Frankfurt
Schirn für Hans-Haacke-Ausstellung ausgezeichnet
Die Dr. Marschner Stiftung würdigt mit ihrem Preis „Ausgezeichnet Ausgestellt“ die große Retrospektive in Frankfurt und feiert ihr 20-jähriges Stiftungsjubiläum.
Text: Jasmin Schülke / Foto: Ausgezeichnet: Kuratorin Ingrid Pfeiffer von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Bernd Kammerer

KulturMeistgelesen
- Kinostarts am 6. MärzOscar-Gewinner „Flow“ startet in den Frankfurter Kinos
- Schirn Kunsthalle FrankfurtBuenavista: Was ist eine schöne Aussicht?
- Frankfurter MuseumsuferEin Treffen mit Isa Genzken im Liebieghaus
- Denkbar FrankfurtNetflix-Hit „Black Mirror“ unter philosophischer Lupe
- Komische NachtComedy-Marathon in der Frankfurter Innenstadt
15. März 2025
Journal Tagestipps
Freie Stellen