Die Arbeiten der Künstlerin sind ein Zusammenspiel von Bild, Text und Musik. Price‘ Videos thematisieren Macht, Geschlecht, Wert und Sprache.
Jasmin Schülke /
Im Dezember 2002 sank im Ärmelkanal in dichtem Nebel die „Tricolor“ mit einer Ladung von 2897 Luxusautos. Das genaue Gebiet, in dem das Schiff gesunken ist, ist ein kleiner Meeresbereich, der von keinem Staat beansprucht oder verwaltet wird. Price‘ Video nimmt den Betrachter mit an den Ort. Sie hat allerdings einen neuen Raum kreiert, an dem die bekannten Gesetze nicht gelten.
Die Luxusautos erlangen eine Art von Bewusstsein. Die sogenannten „intelligenten Fahrzeugsteuerungssysteme“ (Navi, Klimaanlage, Sicherheitsfunktionen) werden durch das Eintauchen ins Wasser beschädigt und entwickelt ein Gedächtnis, ein Verlangen und eine Sprache, um Dinge zu artikulieren – die Inhalte haben sie aus ihren eigenen Benutzerhandbüchern und aus Pressemitteilungen. Die Autos entwickeln ein neues Bewusstsein und einen kollektiven Willen und somit die Fähigkeit, ihre Kraft gemeinsam auszuüben.
Ausstellung in der Schirn: Arbeiten von Price sind komplex
„Elizabeth Price Arbeiten richten den Blick auf das Kleingedruckte des Informationszeitalters“ , sagt Schirn-Direktor Sebastian Baden. Mit ihren aufwendig produzierten Filmen hinterfragt die Künstlerin die Logik der linearen Erzählung sowie tradierte Ordnungs- und Bewertungssysteme. Dabei greift sie auf Archivmaterial zurück und fügt dieses in neue Erzählstrukturen. Die Arbeiten sind komplex und die Besucher müssen sich Zeit nehmen, um sich darauf einzulassen.
Die Künstlerin verwendet in ihren Videos Texte im Bild, aus Kunstgegenständen und Dokumenten von historischen Ereignissen entwickelt sie neue Erzählungen. Es ist ein Zusammenspiel von Bild, Text und Musik. Der Titel der Ausstellung „Sound of the Break“ ist der Arbeitsweise von Elizabeth Price entlehnt: Hörbare Elemente – Musik, Stimmen, Klänge, Geräusche – spielen eine maßgebliche Rolle.
Video über eine Sammlung von Herrenkrawatten
Die Ausstellung ist in zwei Teile gegliedert: Am Anfang der Ausstellung werden Videovorträge der Künstlerin gezeigt. In diesen Lectures, die während der Pandemie entstanden sind, erklärt sie den Entstehungsprozess ihrer Arbeiten und zeigt, wie komplex ihr Denken und ihr Handwerk sind. Von diesem Raum führen rechts und links Wege in die Räume mit den Bewegtbildinstallationen.
Zu sehen ist hier zum Beispiel „Felt Tip“ aus dem Jahr 2018. In diesem Video geht es um eine Sammlung von Herrenkrawatten, die zwischen 1970 und 1990 entstanden sind. Viele Krawattendesigns nehmen die Bildlichkeit von Computernetzwerken, Schnittstellen und Speicherchips auf. Gewebte Textilien und Computertechnik haben eine lange gemeinsame Geschichte. So geht die Erinnerungsfähigkeit des Computers auf den Jacquard-Webstuhl zurück. „Felt Tip“ greift auf die Geschichte der Datenspeicherung zurück, weitet sie aber auch auf eine (imaginäre) Zukunft aus: eine Unternehmenswelt, in der Administratoren damit beschäftigt sind, Dokumente in ihrer eigenen DNA zu speichern.
Elizabeth Price: Sound of the Break, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 23. März bis 29. Mai.