So stand es im Pflasterstrand (27. Feb. 1982)

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Jasmin Takim /

Pflasterstrand 126 - TitelbildAußer dem Bau der Startbahn West erregte im März `82 noch ein anderes Thema die Gemüter der politisch Bewegten: in Biblis sollte Block C ans Netz gehen, in der Schublade hatte die REWE auch schon die Planungen für das AKW Block D. Nachdem sich etwa 200 hartgesottene Atomkraft-Gegner bei Regen und Kälte zum Sonntagsspaziergang vor Ort versammelt hatten, ging der organisierte Widerstand "per Telefonkette" weiter:

Kein Atomkraftwerk in Biblis - ob in Bau, Stillstand oder in Betrieb!

Nachdem der Bundesinnenminister den Persilschein für den Bau von drei weiteren Atomkraftwerken ausgestellt hat, steht der Startschuss für Biblis Block C vor der Tür. [...] Auch wenn die SPD - wie schon so oft in Sachen Großprojekte - noch nicht mit einer sprache spricht, der Startbahn West geschundene Börner steht bereit, weiter auf dem glatten, atom- und betonpolitischen Parkett zu gleiten.
Doch was macht den Widerstand für die betroffene Bevölkerung so schwer?
1.) In Biblis stehen schon 2 Atomkraftwerke. Störfälle, technische Pannen, monatelange Stillstände, umstrittene Kompaktlagerung ändern nichts an der Tatsache, dass sie dort stehen und Strom produzieren´, zu welchen Kosten auch immer.
2.) Ähnlich wie in Brokdorf ist auch die Bevölkerung vom Ort Biblis weitgehend von der Propaganda der atomindustire eingefangen worden. Ein paar Arbeitsplätze, besonders jetzt wieder für [...] Gastronomen im Verein mit erklecklichen Gewerbesteuern, tun ihr Übriges.
Was sind die weiteren Perspektiven des widerstandes? Zunächst werden die Bauvorbereitungen gestört. Am Tag der Verkündung zum Baubeginn wird nach Biblis gefahren. Die Telefonkette dazu steht. Auf dem letzten gemeinsamen Treffen der BI`s Rhein-Main-Neckar wurde eine gemeinsame Veranstaltung mit der AG Volksbegehren "Keine Startbahn West" beschlossen, die am Sonntag, dem 14. März in Mörfelden-Walldorf stattfinden soll und zu der gesondert aufgerufen werden wird. Von diesem Treffen erwarten wir Impulse, wie der Widerstand für den Tag des baubeginns am wirksamsten durchgeführt werden kann.


Und zum Abschluss noch die beinharte Kritik einer Leserin, die sich statt des Pflasterstrands wohl eher ein stern-Abo hätte zulegen sollen:
Liebe Pflastersträndler!

Mit der euch eigenen Weltfremdheit überschätzt ihr, was ihr euren Lesern zumuten könnt. Einerseits appelliert ihr an die warme, große Familie mit schnuckeligen Kleinanzeigen so privaten und öden Charakters [...], andererseits verfolgt ihr mit intellektueller Selbstzerfleischung einen titanischen Kollisionskurs. Der Leser und die Leserin möchte Klatsch und Tratsch, Verbindliches und Verbindendes aus der scene, aber kein Gehirn und Gemüt forderndes Verwirrspiel auf der Ebene der Hochpolitik [...].
Der Pflasterstrand ist im Zeichen einer sich heranbildenden "alternativen" Kultur entstanden - eine Tradition, derer man sich nicht zu schämen braucht. Euer Politikverständnis will aber stets Traditionen zerstören, Denk-Traditionen, Denk-Gewohnheiten. Das aber hält niemand aus. [...] Also, ihr vaterlandslosen Gesellen, wo bleibt das Positive?
Dies fragt mit kritischer Solidarität
F.B.


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