Als Soap&Skin Anfang April zum ersten Mal in den Mousonturm kam, da eilte ihr schon der Ruf voraus, schmerzhafte Songs über düstere Dinge auf faszinierende Weise verpacken zu können und in einer Art Seelenstriptease auf die Bühne zu bringen. Das Konzert im intimen Rahmen der Studiobühne war intensiv, berührend, bewegend. Um Mitternacht feierte ihren 18. Geburtstag und die angereisten Labelmenschen aus Hamburg, die sie unter Vertrag nehmen wollten, schmiedeten schon große Pläne, wie der erste Hype intensiviert werden könne. Am Mittwoch saß sie – beim Doppelkonzert mit der österreichischen Kollegin Gustav – ganz allein am Flügel auf der Riesenbühne des Theatersaals und wirkte besonders verloren. Eine erste neue EP ist erschienen und das, was Soap&Skin präsentiert, ist singulär, keine Frage. Und es ist aufwühlend und anstrengend, auch für sie selber. Sie scheint sich durch das Konzert zu quälen, auch wenn das Stühlerücken wie beim ersten Wahl weniger geworden ist. Dafür spielt ihr ihr Apple Notebook den einen oder anderen Streich. „Es ist so langsam“, bemerkt sie dazu fast nicht hörbar.
Viel sagt sie eh nicht zwischen ihren oft klassisch anmutenden Kompositionen, die sie mit wirklich interessanten Beats/Sounds aus dem Computer unterlegt. Oft scheint sie ihre Stimme gar nicht gegen das backing durchsetzen zu können, dann wird die Stimme plötzlich für Momente ganz groß, bahnt sich schreiend ihren Weg. Wut mischt sich unter die Enttäuschung als Ventil gegen die erlittenen Verletzungen. Möchte man wirklich den Subtext zu ihren Zeilen „When I Was A Child“ wirklich verstehen? Zwischen Walzertakten, schrillen Beats und Nico (wohl eines ihrer Vorbildern) versucht sich, Soap&Skin ihren Weg zu bahnen. Einmal steht sie urplötzlich am Bühnenrand, schaut ins Dunkel und fragt: „Wer lacht mich aus?“. Sie wirkt wie immer kurz vorm Kollaps. Bleibt zu hoffen, dass sich „The Austrian Wunderkind“ dabei findet und nicht verliert.
Danach Gustav mit Pianistin und Gitarrist und großen Maschinenpark. „Das Leben ist kein Wunschkonzert“ singt sie gleich zu Beginn. Uh-oh – wird das jetzt doch ein musikalisch verpacktes, politisches Manifest, die in Vorschauen angedrohte feministische Abendunterhaltung? Als Konserve hat mich das nicht geflasht, zugegeben. Live ist das Ganze aber phantastisch. Wenn die Geschichte stimmt, dass sich Eva Gustav genannt hat, weil der Papa eigentlich einen Sohn wollte, dann hat sie – wie die 10 Jahre jüngere Soap&Skin – auch ihr Päckchen zu tragen. Aber ihr Protest, ob englisch oder deutsche gesungen, fällt ganz anders aus. Sozialkritisch auf Basis eines fundierten Wissens, aber auch selbstkritisch, selbstironisch und vor allem witzig, ist Gustav die geborene Entertainerin, deren Kunst nicht zuletzt von den vielen gewollten Brüchen lebt, die sie souverän verkörpert und permormt. Was kann man da nicht alles herausfiltern aus ihrem individuellen wenn nicht individual istischen Mix. Mitunter klingt´s wie Bossa mit Techno light-Appeal. Das rührt wohl von ihrer Liebe zu deutschen Schlagern her, die sich ja auf rhythmisch in Lateinamerika bedienten. Electronica steht auf ihrer myspace-Seite. Auch Rage Against The Machine werden zitiert. Und wenn sie von der Sehnsucht nach der nächsten Katastrophe singt, denkt man unwillkürlich an Friedrich Hollaender. Und dass sie auch Musical-affin ist, ist kaum zu überhören. Zum Schluss eines grandiosen Konzertes kündigt sie „den Song mit dem Fisch“ an und meint – guter Joke – „Rettet die Wale“. Und plötzlich legt sie sich auf den Flügel („Das wollte ich schon immer mal machen.“) und singt ihren Protestsong grinsend zu Ende. Wie angenehm man politics, Revolution und Bewusstsein doch verkaufen kann. Fotos: Detlef Kinsler