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Schlechte Oper
Takis Würgers Auftritt im Literaturhaus Frankfurt
Kaum ein anderer Roman hat in den vergangenen Jahren so polarisiert wie „Stella“ von Takis Würger. Von Kritikern gab es Prügel, gleichzeitig schoss er auf Platz 4 der Spiegel-Bestsellerliste. Am Dienstag las der Spiegel-Redakteur im Frankfurter Literaturhaus.
Kein Roman hat in den vergangenen Jahren so schnell nach seinem Erscheinen so heftige und einhellige Prügel bezogen wie „Stella“, das zweite Buch des Spiegel-Redakteurs Takis Würger. Vor zwei Jahren hatte der mit seinem Roman „Der Club“ einen Bestseller gelandet und war danach für eine außergewöhnlich hohe Summe zum Hanser Verlag gewechselt. Die Süddeutsche Zeitung sprach von „Stella“ als einem „Ärgernis“, einer „Beleidigung“, ja einem „Vergehen“ (www.sueddeutsche.de); die FAZ von Ausbeutung der NS-Geschichte. Parallel dazu schoss „Stella“ innerhalb von zwei Wochen auf Platz 4 der Spiegel-Bestsellerliste, Tendenz eher steigend als fallend. „Stella“ warf in den Diskussionen auch die Frage auf, inwieweit einer der renommiertesten deutschsprachigen Verlage bereit ist, unter ökonomischem Druck seine ästhetischen Kriterien aufzuweichen.
Kein Wunder also, dass der Auftritt Würgers im Frankfurter Literaturhaus auf große Resonanz beim Publikum stieß. Die Stimmung, die in der Luft lag, hatte etwas Voyeuristisches, ähnlich wie bei einer Massenkarambolage auf der Autobahn, bei dem sich auf der Gegenspur ein Stau bildet, weil alle Blut sehen wollen. Literaturhaus-Chef Hauke Hückstädt sprach in seiner Begrüßung von „Unterstellungen, Verkürzungen und Fehleinschätzungen“ im Zusammenhang mit „Stella“. Bei aller Wertschätzung muss ihm hier dringend widersprochen werden: Selten haben die deutschsprachigen Feuilletons ihre Legitimation als qualitatives Korrektiv so eindrücklich unter Beweis gestellt wie in der einheitlichen Ablehnung dieses hochnotpeinlichen Machwerks. Zu verkürzen oder zu unterstellen gab es da wirklich wenig. „Stella“ ist erzählt aus der Sicht des jungen Friedrich, der im Januar 1942 aus der Schweiz nach Berlin kommt, dort die Jüdin Stella Goldschlag kennenlernt und sich in sie verliebt.
Stella Goldschlag ist eine reale historische Figur, die, von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt, als so genannte Greiferin Hunderte von Juden in den Tod schickte. Was Würger daraus macht, ist eine pathetische Schmonzette ohne jegliches Bewusstsein für den historischen Kontext. Der Abend im Literaturhaus verschob die Perspektive auf den Roman: Die Art und Weise, wie Würger im Gespräch mit Moderatorin Carolin Callies über sein Buch sprach, legt nahe, dass hier der Verlag eher den Autor vor seiner eigenen Naivität hätte schützen müssen. Es macht keinen großen Unterschied, ob Würger über seinen Roman spricht oder ob er daraus vorliest. Der Effekt ist der gleiche: Man hört oder liest das, schüttelt sich kurz und mag es schlichtweg nicht glauben.
Carolin Callies stellte pflichtgemäß die richtigen, weil notwendigen Fragen. Allerdings entstand daraus kein Streitgespräch, weil Carolin Callies ungemein freundlich blieb und weil Würger, Jahrgang 1985, sich auf Allgemeinplätze zurückzog, wenn es brenzlig wurde. Es sei nicht an ihm, die Kritik zu kommentieren. 90 Prozent der Leserzuschriften seien positiv – seine private E-Mail-Adresse hatte er praktischerweise im Buch veröffentlicht. Das sei nun eine Kraftquelle für ihn. Und überhaupt sei es doch die Aufgabe von Schriftstellern, Bücher zu schreiben, über die die Menschen redeten. Das Publikum im Frankfurter Literaturhaus („Vielleicht der schönste Ort in Deutschland, an dem man lesen kann“, Würger) verhielt sich neutral bis wohlwollend. Szenenapplaus gab es allerdings keinen. Würger erzählte von seinen Gesprächen mit dem Holocaust-Überlebenden Noah Klieger (der im Roman einen kernigen Auftritt als Boxer unter lauter schneidigen SS-Leuten bekommt); von den Historikern, von denen er sich habe beraten lassen. Davon, dass es auch oder gerade seiner Generation erlaubt sein müsse, den Nationalsozialismus literarisch zu bearbeiten. Allein: Niemand hat das jemals bestritten. Marcel Beyer war 30 Jahre alt, als er 1995 seinen brillanten Roman „Flughunde“ veröffentlichte, der mitten ins propagandistische Herz des Nationalsozialismus hineinführte. Literatur, das ist eine Anfängererkenntnis, ist weniger das Was als das Wie. Wenn man, wie Würger, nicht ansatzweise auf Augenhöhe mit seinem Stoff ist, wird es eben problematisch. Die Reduktion von Komplexität ist nicht immer begrüßenswert. Schon gar nicht, wenn man als deutscher Autor über eine jüdische Täterin schreibt.
Es ist das eine, einen Roman wie „Stella“ zu schreiben, der den Nationalsozialismus als verruchte Spielwiese inszeniert, dann zu behaupten, dass es all das eben auch gegeben habe, dass es eben auch SS-Leute gegeben habe, die nett zu Kindern gewesen seien, und damit mehr als 70 Jahre Forschung, Erkenntnis, Reflexion und ausgeprägte Sensibilitäten schlichtweg vom Tisch zu wischen zugunsten einer flotten Story. Es ist aber dann noch einmal etwas anderes, am laufenden Band Sätze zu produzieren wie „Dieses Gesicht würde am schönsten sein, wenn die Frau weinte“. Würgers Protagonist ist ein Naivling und bleibt es auch durch das gesamte Buch hindurch. Der Autor steht diesbezüglich seinem Held nicht fern.
Bis zum 31. März, so erzählte Würger, habe er jede Woche von Montag bis Freitag Lesungen. Danach geht es auf Lesereise in die USA, wo „Der Club“ gerade in englischer Übersetzung erschienen ist. Noch ein Würger-Zitat: „Wenn das eine Oper wäre, wäre es eine ganz schlechte.“
Kein Wunder also, dass der Auftritt Würgers im Frankfurter Literaturhaus auf große Resonanz beim Publikum stieß. Die Stimmung, die in der Luft lag, hatte etwas Voyeuristisches, ähnlich wie bei einer Massenkarambolage auf der Autobahn, bei dem sich auf der Gegenspur ein Stau bildet, weil alle Blut sehen wollen. Literaturhaus-Chef Hauke Hückstädt sprach in seiner Begrüßung von „Unterstellungen, Verkürzungen und Fehleinschätzungen“ im Zusammenhang mit „Stella“. Bei aller Wertschätzung muss ihm hier dringend widersprochen werden: Selten haben die deutschsprachigen Feuilletons ihre Legitimation als qualitatives Korrektiv so eindrücklich unter Beweis gestellt wie in der einheitlichen Ablehnung dieses hochnotpeinlichen Machwerks. Zu verkürzen oder zu unterstellen gab es da wirklich wenig. „Stella“ ist erzählt aus der Sicht des jungen Friedrich, der im Januar 1942 aus der Schweiz nach Berlin kommt, dort die Jüdin Stella Goldschlag kennenlernt und sich in sie verliebt.
Stella Goldschlag ist eine reale historische Figur, die, von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt, als so genannte Greiferin Hunderte von Juden in den Tod schickte. Was Würger daraus macht, ist eine pathetische Schmonzette ohne jegliches Bewusstsein für den historischen Kontext. Der Abend im Literaturhaus verschob die Perspektive auf den Roman: Die Art und Weise, wie Würger im Gespräch mit Moderatorin Carolin Callies über sein Buch sprach, legt nahe, dass hier der Verlag eher den Autor vor seiner eigenen Naivität hätte schützen müssen. Es macht keinen großen Unterschied, ob Würger über seinen Roman spricht oder ob er daraus vorliest. Der Effekt ist der gleiche: Man hört oder liest das, schüttelt sich kurz und mag es schlichtweg nicht glauben.
Carolin Callies stellte pflichtgemäß die richtigen, weil notwendigen Fragen. Allerdings entstand daraus kein Streitgespräch, weil Carolin Callies ungemein freundlich blieb und weil Würger, Jahrgang 1985, sich auf Allgemeinplätze zurückzog, wenn es brenzlig wurde. Es sei nicht an ihm, die Kritik zu kommentieren. 90 Prozent der Leserzuschriften seien positiv – seine private E-Mail-Adresse hatte er praktischerweise im Buch veröffentlicht. Das sei nun eine Kraftquelle für ihn. Und überhaupt sei es doch die Aufgabe von Schriftstellern, Bücher zu schreiben, über die die Menschen redeten. Das Publikum im Frankfurter Literaturhaus („Vielleicht der schönste Ort in Deutschland, an dem man lesen kann“, Würger) verhielt sich neutral bis wohlwollend. Szenenapplaus gab es allerdings keinen. Würger erzählte von seinen Gesprächen mit dem Holocaust-Überlebenden Noah Klieger (der im Roman einen kernigen Auftritt als Boxer unter lauter schneidigen SS-Leuten bekommt); von den Historikern, von denen er sich habe beraten lassen. Davon, dass es auch oder gerade seiner Generation erlaubt sein müsse, den Nationalsozialismus literarisch zu bearbeiten. Allein: Niemand hat das jemals bestritten. Marcel Beyer war 30 Jahre alt, als er 1995 seinen brillanten Roman „Flughunde“ veröffentlichte, der mitten ins propagandistische Herz des Nationalsozialismus hineinführte. Literatur, das ist eine Anfängererkenntnis, ist weniger das Was als das Wie. Wenn man, wie Würger, nicht ansatzweise auf Augenhöhe mit seinem Stoff ist, wird es eben problematisch. Die Reduktion von Komplexität ist nicht immer begrüßenswert. Schon gar nicht, wenn man als deutscher Autor über eine jüdische Täterin schreibt.
Es ist das eine, einen Roman wie „Stella“ zu schreiben, der den Nationalsozialismus als verruchte Spielwiese inszeniert, dann zu behaupten, dass es all das eben auch gegeben habe, dass es eben auch SS-Leute gegeben habe, die nett zu Kindern gewesen seien, und damit mehr als 70 Jahre Forschung, Erkenntnis, Reflexion und ausgeprägte Sensibilitäten schlichtweg vom Tisch zu wischen zugunsten einer flotten Story. Es ist aber dann noch einmal etwas anderes, am laufenden Band Sätze zu produzieren wie „Dieses Gesicht würde am schönsten sein, wenn die Frau weinte“. Würgers Protagonist ist ein Naivling und bleibt es auch durch das gesamte Buch hindurch. Der Autor steht diesbezüglich seinem Held nicht fern.
Bis zum 31. März, so erzählte Würger, habe er jede Woche von Montag bis Freitag Lesungen. Danach geht es auf Lesereise in die USA, wo „Der Club“ gerade in englischer Übersetzung erschienen ist. Noch ein Würger-Zitat: „Wenn das eine Oper wäre, wäre es eine ganz schlechte.“
30. Januar 2019, 09.49 Uhr
Christoph Schröder
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