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Retrospektive Carolee Schneemann im MMK1
Wie der Körper zur Kunst wird
Menstruationsblut und ein Tagebuch ihrer Vagina: Carolee Schneemann ist nicht nur eine feministische Künstlerin, sie wird nun im Museum für Moderne Kunst in einer Retrospektive als Pionierin der Performance-Kunst gezeigt.
Die 77-Jährige sitzt bei der Pressekonferenz vorne, neben den beiden Museumsdirektorinnen Susanne Gaensheimer (MMK Museum für Moderne Kunst) und Sabine Breitwieser (Museum der Moderne Salzburg). Letztere hat die Ausstellung kuratiert und bereits in Salzburg gezeigt. Obwohl Schneemann erkältet ist und sich zwischendurch dafür entschuldigt, dass sie sich immer wieder schneuzen muss, hat sie sich hübsch zurecht gemacht, geschminkt. Schon früh begriff die Künstlerin Carolee Schneemann, dass sie ihr Aussehen bewusst einsetzen kann, auch oder besonders weil sie sich in einem männlich dominierten Umfeld behaupten musste. In ihre Arbeiten in der Retrospektive "Carolee Schneemann. Kinetische Malerei" im MMK1 sieht man sie lustvoll, mit Stolz und Selbstbestimmtheit ihren Körper in den Arbeiten präsentieren. Dieses Umfeld, die New Yorker Kunstszene der Fünfziger und Sechziger, das von Künstlern wie Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Nam June Paik und Claes Oldenburg bestimmt wurde, sah Frauen lediglich als "Beiwerk, hübsches Attribut", so Schneemann. Frauen kamen in der Kunst einfach nicht vor, sie wurden marginalisiert.
Schönheit als Kapital
Die Retropsektive beginnt chronologisch mit Malerei und Assemblage von Schneemann. Doch bereits diesen frühen Werken kann man ihre Selbstbestimmtheit als weibliche Künstlerin ablesen. Ein Selbstporträt aus dem sie offensiv herausblickt, ihr Mann als Akt im Bett - das Medium konventionell, Öl auf Leinwand, ist die Rollenverteilung unkonventionell. Und als sie auch noch nackt zu malen begann, wurde Schneemann von der Universität verwiesen. Lediglich als Akt für ihre männlichen Kollegen durfte sie noch posieren. Im ersten Raum befindet sich auch ein Gemälde, das auf einer Konstruktion befestigt ist, die über einen Drehmechanismus verfügt: Für Anfang der Sechziger Jahre ein früher Zeitpunkt Bewegung in die Malerei zu bringen. Der erste Raum kulminiert in dem Fotoprojekt "Eye Body" (1963), in dem sich Schneemann selbstbestimmt inszeniert und sich dabei fotografieren und filmen lässt. Staged Photography, die an Cindy Sherman erinnert, die Schneemanns Arbeiten kannte. Sie begriff früh, dass ihre Schönheit Kapital ist und dass sie es für sich selbst nutzen will.
Carolee "The Body" Schneemann
"I'm a painter. And I always will be a painter", sagt Schneemann und doch werden ihre Videoarbeiten prominent in der Retrospektive präsentiert. In der gefilmten Performance "Meat Joy" (1964) wird ein orgiastisches Fest der Fleischeslust gefeiert - Fleisch in all seinen Facetten. Acht halb nackte Performer, vier Männer und vier Frauen, räkeln sich farbverschmiert auf dem Boden und stellen Dinge an mit Fleisch, Würsten und Fischen. Eine lustvolle Performance, die stark an den Wiener Aktionismus erinnert. Doch an dem hatte Schneemann was auszusetzen: Frauen nahmen keine selbstbestimmte Rolle ein. Längst gehört diese Arbeit zum feministischen Kunstkanon.
Tagebuch einer Vagina
Die Körperlichkeit wurde Schneemann vorgeworfen. Verächtlich wurde die schöne Frau von Kollegen nur "The Body" genannt. Auch Pornographie wurde ihr vorgeworfen. In ihrer Arbeit "Fuses" (1964-1967) filmt sie ihren Lebensgefährten und sich beim Sex aus ihrem Blickwinkel, den ihres Mannes und besonders dem ihrer Katze Kitch. Katzen tauchen in ihren Arbeiten immer wieder auf. Leben mit ihr im Atelier, laufen durch's Bild. Körperlichkeit spielt eine große Rolle in ihrem Werk und so macht sie konsequenterweise ihren eigenen Körper zum Teil: Wenn sie sich in eine Hängevorrichtung begibt und schaukelnd und schwerelos malt, abstrakt expressionistisch wie bei Jackson Pollock, sich nackt mit Leim einschmiert und dann in Papierfetzen wälzt oder ein Tagebuch ihrer Vagina führt (1969-1975) und ihr Menstruationsblut (1972) ausstellt.
Goldener Löwe für ihr Lebenswerk
Die 77-Jährige findet den heutigen Feminismus "sehr chaotisch" und wirft ihm vor sich in der digitalen Selbstdarstellung zu verlieren. Und wenn Schneemann ihren Fernseher einschalte, sei sie besorgt ob der "monströsen Dummheit", die ihr daraus entgegenspringe. Die Stimmung in ihrem Land bereitet der US-Amerikanerin Sorgen. Die Kooperation zwischen MMK und dem Museum der Moderne Salzburg wird im Anschluss daran im New Yorker MoMA zu sehen sein. Passend zu ihrer Retrospektive im MMK wurde Schneemann nun auf der 57. Kunstbiennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
>> "Carolee Schneemann. Kinetische Malerei", 31. Mai - 24. September 2017, MMK 1 Museum für Moderne Kunst, Domstraße 10. Mehr Informationen unter mmk-frankfurt.de.
Schönheit als Kapital
Die Retropsektive beginnt chronologisch mit Malerei und Assemblage von Schneemann. Doch bereits diesen frühen Werken kann man ihre Selbstbestimmtheit als weibliche Künstlerin ablesen. Ein Selbstporträt aus dem sie offensiv herausblickt, ihr Mann als Akt im Bett - das Medium konventionell, Öl auf Leinwand, ist die Rollenverteilung unkonventionell. Und als sie auch noch nackt zu malen begann, wurde Schneemann von der Universität verwiesen. Lediglich als Akt für ihre männlichen Kollegen durfte sie noch posieren. Im ersten Raum befindet sich auch ein Gemälde, das auf einer Konstruktion befestigt ist, die über einen Drehmechanismus verfügt: Für Anfang der Sechziger Jahre ein früher Zeitpunkt Bewegung in die Malerei zu bringen. Der erste Raum kulminiert in dem Fotoprojekt "Eye Body" (1963), in dem sich Schneemann selbstbestimmt inszeniert und sich dabei fotografieren und filmen lässt. Staged Photography, die an Cindy Sherman erinnert, die Schneemanns Arbeiten kannte. Sie begriff früh, dass ihre Schönheit Kapital ist und dass sie es für sich selbst nutzen will.
Carolee "The Body" Schneemann
"I'm a painter. And I always will be a painter", sagt Schneemann und doch werden ihre Videoarbeiten prominent in der Retrospektive präsentiert. In der gefilmten Performance "Meat Joy" (1964) wird ein orgiastisches Fest der Fleischeslust gefeiert - Fleisch in all seinen Facetten. Acht halb nackte Performer, vier Männer und vier Frauen, räkeln sich farbverschmiert auf dem Boden und stellen Dinge an mit Fleisch, Würsten und Fischen. Eine lustvolle Performance, die stark an den Wiener Aktionismus erinnert. Doch an dem hatte Schneemann was auszusetzen: Frauen nahmen keine selbstbestimmte Rolle ein. Längst gehört diese Arbeit zum feministischen Kunstkanon.
Tagebuch einer Vagina
Die Körperlichkeit wurde Schneemann vorgeworfen. Verächtlich wurde die schöne Frau von Kollegen nur "The Body" genannt. Auch Pornographie wurde ihr vorgeworfen. In ihrer Arbeit "Fuses" (1964-1967) filmt sie ihren Lebensgefährten und sich beim Sex aus ihrem Blickwinkel, den ihres Mannes und besonders dem ihrer Katze Kitch. Katzen tauchen in ihren Arbeiten immer wieder auf. Leben mit ihr im Atelier, laufen durch's Bild. Körperlichkeit spielt eine große Rolle in ihrem Werk und so macht sie konsequenterweise ihren eigenen Körper zum Teil: Wenn sie sich in eine Hängevorrichtung begibt und schaukelnd und schwerelos malt, abstrakt expressionistisch wie bei Jackson Pollock, sich nackt mit Leim einschmiert und dann in Papierfetzen wälzt oder ein Tagebuch ihrer Vagina führt (1969-1975) und ihr Menstruationsblut (1972) ausstellt.
Goldener Löwe für ihr Lebenswerk
Die 77-Jährige findet den heutigen Feminismus "sehr chaotisch" und wirft ihm vor sich in der digitalen Selbstdarstellung zu verlieren. Und wenn Schneemann ihren Fernseher einschalte, sei sie besorgt ob der "monströsen Dummheit", die ihr daraus entgegenspringe. Die Stimmung in ihrem Land bereitet der US-Amerikanerin Sorgen. Die Kooperation zwischen MMK und dem Museum der Moderne Salzburg wird im Anschluss daran im New Yorker MoMA zu sehen sein. Passend zu ihrer Retrospektive im MMK wurde Schneemann nun auf der 57. Kunstbiennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
>> "Carolee Schneemann. Kinetische Malerei", 31. Mai - 24. September 2017, MMK 1 Museum für Moderne Kunst, Domstraße 10. Mehr Informationen unter mmk-frankfurt.de.
31. Mai 2017, 11.35 Uhr
Tamara Marszalkowski
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