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Raphael Krickow kommt nach Frankfurt

Das Retro im Nachtleben

Raphael Krickow begann seine DJ-Karriere Mitte der 80er im Frankfurter Vogue. Er beklagt den heutigen Einheitsbrei im Nachtleben der Stadt. Mit seinem Solo-Projekt kommt er nun auch nach Frankfurt.
„Die Elektro-Szene als Subkultur ist tot“, sagt Raphael Krickow. „Wer nicht Anfang der 1980er bei der Entstehung dabei war, weiß nicht wirklich, was es heißt, individuelle Musik zu leben“. Der 1966 in Osnabrück geborene und in Darmstadt aufgewachsene DJ Krickow war dabei, als in Frankfurt Pionierarbeit in Sachen deutscher elektronischer Musik geleistet wurde. Als der Sound den Club ausmachte und nicht der DJ, der heute wie ein Popstar gefeiert wird.

Der Autodidakt erstand in seiner Jugend die heiß begehrten 60-Minuten-Set-Mitschnitte auf Kassette für je 50 Mark und verkaufte Duplikate auf Schulhöfen. Mitte der 80er, als er selbst begann aufzulegen, war er Mitarbeiter der ersten deutschen DJ- und-Dance-Zeitung „Network Press“ und die Frankfurter Karla Kolumna der aufkeimenden und ganz Europa beeinflussenden Elektro-Szene, fernab von den sich später daraus entwickelnden kommerziellen Richtungen wie New Wave oder Synthie-Pop. „Damals bist du noch in den Club wegen der Musik gegangen. Jeder hatte seinen einmaligen Sound“, so Krickow, „Heutzutage ist eigentlich nur noch Massenware zu finden. Wir leben in einer Retro-Kultur, in der alles ein Zitat oder Sample ist“. Gleichzeitig räumt er ein, auch von dieser zu Leben.

Der 50-Jährige ist ein Part der Disco Boys, die seit 21 Jahren Disco-House auflegen und mit „For you“ einen Hit landeten. Bei seinem Projekt „Welcome to the Robots“, angelehnt an den New Yorker Club „Save the Robots“, spielt Krickow jedoch das, was ihn 1983 dazu bewegte, Stammgast im legendären Dorian Gray am Frankfurter Flughafen zu werden: Clubmusik, die es nicht im Radio oder als Single gab, die nicht in den Charts landete und nicht auf MTV lief. „Diese Musik kam von kleinen Projekten, die noch Ideen hatten und technisches Geschick brauchten. Da war der Computer lediglich ein Hilfsmittel.

Heutzutage musst du als DJ nicht mehr sehr kreativ sein, Programme übernehmen die meiste Arbeit“, so der überzeugte Abstinenzler, der dadurch einen klaren Blick auf über 30 Jahre Nachtleben hat. „Sobald heute etwas in den USA Erfolg hat, ist es vorbei – siehe EDM“. Einer seiner Weggefährten ist Sven Väth, der noch zu den DJs gehört, die man kennt, aber kaum einen Track von ihnen nennen kann.

„Heutzutage ist der Musikgeschmack extrem fremdbestimmt. Höre ich mir einen Track an, bekomme ich sofort ‚Dieser Titel könnte Ihnen auch gefallen‘ angezeigt“, sagt Krickow. Dadurch verliert sich die Neugierde, auf eigene Faust etwas zu entdecken. Einher damit gehe laut dem 50-Jährigen die Ursprungsfunktion eines DJs – in der heutigen Zeit fungiere er nicht mehr als Soundkünstler, der den Clubgängern Neues präsentiert: „Der Einheitsbrei hat Einzug in die Nachtclubs gehalten, auch in Frankfurt“. Nur noch wenige Institutionen können überhaupt noch das Ideal der subkulturellen Tanzveranstaltung, bei der die Musik im Vordergrund steht, realisieren.

Damals konnten das namenhafte Läden wie Aladin in Aschaffenburg, der Schwulen-Club Construction 5, in dem auch Väth auflegte, Music Hall und natürlich Vogue, das spätere Omen. „Gegen drei Uhr ging es dann immer an den Flughafen ins Gray. Wegen des Standorts gab es eine Sondergenehmigung und somit keine Sperrstunde“, schwärmt Krickow. „Hier konnte ich das bekommen, was mich bis heute prägt: tanzbare elektronische Musik, die sich selbst erklärt – man musste einfach mitgehen“.

Viele vergessen, dass die 80er mehr als Dauerwelle, Leggins und Madonna waren, sondern in Frankfurt eine prägende Clubkultur entstand, lange vor Berlin mit seinem heute gehypten Berghain – damals wollte ein Westbam in Berlin wissen, was in Frankfurt passiert. Wirklich gute Clubs hatten keine kommerzielle Ausrichtung, sagt der DJ, sie hatten die Leidenschaft zur Musik und das Gefühl der Gemeinschaft im Fokus.

Mit Beginn des deutschen Techno 1988/89 und nach der ersten Loveparade verlor er die Lust am Auflegen und ging nach Hamburg. Erst mit dem Projekt Disco Boys 1994 begann Krickow wieder regelmäßig aufzulegen. Das alte Feeling kam bei dem heute wieder in Darmstadt lebenden DJ aber nur noch selten auf. „Eine Institution in Frankfurt, die der Atmosphäre von einst sehr nahekam, war das U60311“, so Krickow. Hier traten zwar Größen der elektronischen Szene auf, jedoch wären die Gäste wegen der Beschallung gekommen.

An diese Einstellung knüpft „Welcome to the Robots“ an, bei der Krickow auf mehrere Tausend Exemplare von Maxi-Singles zurückgreift, die es nicht zum Download gibt und es damals nur in ausgesuchten Plattenläden gab. „Einmal sagte ein Gast, dass ihm die Musik gefalle, aber wann
denn 80er gespielt würden. Dabei waren alle Tracks aus dem Jahrzehnt“, sagt Krickow. Über die Ursprünge der elektronischen Szene sowie deren Entwicklung und das damit verbundene Nachtleben plant der 50-Jährige ein Buch zu schreiben.

Auch mit dem Projekt Disco Boys soll es zurück zu den Anfängen gehen. Die liegen in den 90er Jahren. „Wir wollen wieder mehr der damaligen Gay-House-Music spielen, denn die prägte nachhaltig die heutige Interpretation von elektronischer Musik“, so Krickow.

Tickets für das Event gibt es im Online-Shop, alle weiteren Infos auf der Facebook-Seite.

>> Welcome to the Robots, Techno/Electro, Ffm: Nachtleben, Kurt-Schumacher-Straße 45, 19. März, 23 Uhr, Eintritt: 12 Euro.
 
Fotogalerie:
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15. März 2016, 10.41 Uhr
Oliver Henrich
 
 
 
 
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Text: Florian Aupor / Foto: Über den Holbeinsteg zum Museumsufer © Adobe Stock/Branko Srot
 
 
 
 
 
 
 
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