Other Desert Cities

Im English Theatre bröckelt eine Familienfassade

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Das English Theatre serviert seinen Zuschauern mit „Other Desert Cities“ von Jon Robin Baitz ein spannungsreiches Familiendrama, bei dem sich an Weihnachten herausstellt, dass in der Familie Wyeth nichts so hübsch ist, wie es den Anschein hatte.

Nicole Brevoord /

Das Drama „Other Desert Cities“, welches am Samstag im English Theatre seine Deutschlandpremiere feierte, gleicht im Aufbau einer griechischen Tragödie. Katharsis, auch darum geht es in dem sehr US-amerikanischen Stück von Jon Robin Baitz – einer spannenden Entmystifizierung einer Vorzeigefamilie.

Weihnachten, man kennt das. Da kommen nicht selten Menschen zusammen, die nicht mehr verbindet als der Verwandtschaftsgrad, um ein Idyll zu zelebrieren und den heiligen Schein zu wahren. Das hatten auch Lyman (kann sich wunderbar aufregen: Ian Barritt) und Polly Wyeth (Diane Fletcher spielt perfekt eine Zicke) vor. Doch stattdessen gibt es bei der nach außen perfekten Familie eine schöne Bescherung. Denn mit Tochter Brooke (lässig: Mary Doherty), einer Schriftstellerin, die nach sechs Jahren wieder das Elternhaus betritt und ihre Memoiren veröffentlichen will, bekommt das hübsche Leben der Mittelstandsfamilie – einem erzkonservativen Schauspielerehepaar, das zurückgezogen in der Wüste Kaliforniens lebt und Ronny und Nancy Reagan zu seinen Freunden zählt – starke Risse. Brooke wohnt an der Ostküste, sie ist Demokratin und denkt in so ziemlich allen Aspekten anders als ihre Eltern und ihr cooler Bruder Trip (James McGregor). Nach einem Nervenzusammenbruch und einer Trennung befreit sich Brooke mit einem Buch über die Familie, in dem vor allen Dingen das Schicksal ihres ältesten Bruders Henry schonungslos offenbart wird. Dieser hatte sich das Leben genommen, nachdem er zuerst auf die schiefe Bahn gekommen war, Drogen konsumierte und in einen linksextremen Bombenanschlag involviert war, bei dem Unschuldige ums Leben kamen. Ein düsteres Kapitel, über das die Eltern gerne hinwegsehen würden. Dafür hat die gerade aus einer Entzugsklinik gekommene Tante Silda (anfangs schön schräg, nachher etwas blass: Kate Harper) ihrer Nichte für das Buch ein paar pikante Details offenbart und somit den Familienfrieden verraten.

Der Autor Jon Robin Baitz stellt mit seinem Familiendrama nicht nur den American Dream in Frage, er präsentiert auch die sich immer wiederholenden Generationenkonflikte, die oft auch mit Schuldzuweisungen einhergehen.

Tom Littler, der mit dem erfolgreichen Psychothriller „Strangers on a Train“ im English Theatre sein Regiedebüt feierte, überzeugt auch bei „Other Desert Cities“. Von Beginn an wird an der Spannungsschraube gedreht, was zunächst lässig beginnt, gerät zur Nervenzerreißprobe bis zu einer überraschenden Wende. Das ohnehin immer wieder durch seine Opulenz beeindruckende Bühnenbild im English Theatre weiß einmal mehr zu überraschen. So kann das Kammerstück in einem weitläufigen mondänen Wohnzimmer stattfinden, das durch eine Terrasse und einen offenen Kamin besticht. Eine perfekte Szenerie für ein ziemlich stimmiges Ensemble.

>>Other Desert Cities: Bis 31. Mai, Tickets: 25–37 Euro. English Theatre, Gallusanlage 7, www.english-theatre.de

Nicole Brevoord
Nicole Brevoord
Jahrgang 1974, Publizistin, seit 2005 beim JOURNAL FRANKFURT als Redakteurin u.a. für Politik, Stadtentwicklung, Flughafen, Kultur, Leute und Shopping zuständig
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