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Nacht der Museen
Per Shuttle-Bus durch die Museums-Galaxis
Mauerspechte, eine Auktion, rammelvolle Ausstellungssäle und Party bis zum Umfallen: Zehntausende Kunstliebhaber und Szenegänger feierten am Samstag die 12. Nacht der Museen. Auch wir waren dabei.
+++ 10 Uhr, Römerberg +++
Die Nacht begann diesmal schon am Tag. „Tigerpalast“-Legende Johnny Klinke und Schauspieler Michael Quast waren vorbeigekommen, um gemeinsam mit dem Leiter des Historischen Museum, Jan Gerchow, den Anfang vom Ende des Hause einzuläuten - Klinke tat dies lautstark mit Unterstützung der Kinderpercussionisten vom Stelzentheater, Quast gewohnt kabarettistisch mit einer geistreichen Variante auf Goethes Osterspaziergang. Im Gegensatz zu Kulturderzernent Felix Semmelroth, der dem alten Museum keine Träne nachweinte („wer geht schon gerne in ein Museum, das aussieht wie eine Krankenversicherung“) hob Gerchow auch nochmal die positiven Seiten seines Museums hervor. „Als Historiker bin ich schon ein wenig traurig. Damals, 1972, hat das alles Sinn gemacht. Das Museum war insofern städtebaulich überzeugend, als dass es mit seiner Schmucklosigkeit Leute angesprochen hat, die nicht dem Bildungsbürgertum angehörten.“
+++ 11 Uhr, Innenstadt +++
Vor dem Eintracht-Spiel versammeln sich auch Ultra-Fans auf dem Römerberg, zur Mittagszeit wird der Hauptbahnhof kurzzeitig von der Polizei gesperrt, damit die Fangruppen nicht aufeinandertreffen. Und auch der Hassprediger Pierre Vogel hat sich angekündigt. Keine guten Voraussetzungen, doch die Nacht der Museen wird trotz aller widrigen Umstände ganz wunderbar werden.
+++ 17 Uhr, Haus am Dom +++
Hier dreht sich um 17 Uhr alles um die Roman-Trilogie "Abschaffel", die seit einer Woche bei der Reihe "Frankfurt liest ein Buch" an unterschiedlichsten Orten in der Stadt die Hauptrolle spielt. Zur Eröffnung der Ausstellung sind nicht nur der Autor Wilhelm Genazino, sondern auch sein ehemaliger Lektor geeilt. Auch Felix Semmelroth ließ es sich nicht nehmen zu kommen, bevor er zur offiziellen Eröffnung der Nacht der Museen weitereilt. Später am Abend wird Oberbürgermeisterin Petra Roth auf der Dachterrasse des Hauses aus dem Buch lesen - und die Nacht-Besucher werden einen fantastischen Blick über die Überreste des Technischen Rathauses und auf die Skyline genießen. Meistgehörter Satz auf dem Dach des Haus am Dom an diesem Abend: "Das ist ja wirklich unglaublich."
+++ 19 Uhr, Historisches Museum +++
Jan Gerchow, Hausherr des Historischen Museums, eröffnet die 12. Nacht der Museen mit dem „Großen Paukenschlag“. Zum letzten Mal können Bausünden-Nostalgiker die Räume des ungeliebten grauen „Betonklotzes“ auf dem Römerberg zur großen Abrissparty besuchen. Und dieses Motto ist ganz wörtlich gemeint: Einer der Höhepunkte des Abends - neben der hr3-Seventies-Party - ist das „Mauerpicken“: Mit dem Hammer bewaffnet schlagen sich die Besucher für die heimische Schrankwand ein Stück Museumsbeton heraus. Stimmung wie einst '89 am Brandenburger Tor. Gerchow hat schon vor dem Countdown sein persönliches Stück Mauer gepickt: „Für mich als Archäologen war es natürlich wichtig, ein Randstück abzubekommen.“ Vor einem Graffiti mit Karl dem Großen begrüßt auch Kulturdezernent und Hans-Dampf-in-allen-Museumgassen Felix Semmelroth die „Mauerspechte“ im Spätmittelaltersaal, wo von 21 Uhr an bis morgens um drei der Bär steppen wird.
+++ 19.30 Uhr, Museum für Angewandte Kunst +++
Schon wieder Semmelroth. Diesmal darf der Dezernent eine Benefiz-Auktion eröffnen, die das Unternehmen Ernst & Young bereits zum 10. Mal ausrichtet. Werke von Städelschülern und HfG-Studenten werden feilgeboten, der Erlös kommt komplett den Fördervereinen beiden Schulen zu Gute. Nach Semmelroth übernahm Auktionator Arnold den Verkauf, tänzelte wie ein Florett-Fechter durch den Saal - und reagierte nicht nur auf gelbe Schilder, sondern auch auf das dezente Augenzwinkern einzelner Bieter. Ein wahres Adlerauge - und ein Entertainer noch dazu. "Sie sind ein tolles Publikum", diesen Satz sagte Arnold gleich mehrfach. Zurecht: Insgesamt kamen durch die Auktion von 26 Werken über 50.000 Euro zusammen - der schönste Erfolg aber: ein Werk eines Städelschülers brachte es auf stolze 10.000 Euro. Das lässt für die Zukunft hoffen.
+++ 20.30 Uhr, Abstecher in den Palmengarten +++
Frankfurts Grüne Lunge leidet am Tropen-Fieber. Tänzerinnen in bunten Röcken schwingen die Hüften zu kreolischen Rhythmen, Emmanuel Marie heißt der Star des Abends, der auch tanzresistente Bleichgesichter dazu bringt, auf der Bühne mit dem Allerwertesten zu wackeln. Dazu ein leckerer Caipirinha, und der Abend scheint perfekt. Der Palmengarten-Fuchs rennt über die Wiese und sucht ob der Karnevalsstimmung schnell das Weite. Zweibeiner, die ein wenig Ruhe suchen, machen es sich auf der Liegewiese bequem. Gegen 21 Uhr kühlt es in der Grünen Oase ziemlich ab – Zeit, um sich wieder zurück ins Epizentrum zu begeben. Mit dem Bus also schnell wieder in die Stadt gedüst.
+++ 21.15 Uhr, Schirn-Kunsthalle +++
Gleich beginnt ein Konzert der Gruppe "Mouse on Mars", das könnte das Gedränge erklären, aber: so sagt man uns, das war schon den ganzen Abend so. Die surrealen Dinge ziehen die Besucher an, Schlangestehen bleibt Pflichtprogramm. Da tut es gut, einmal in den archäologischen Garten hinauszugehen, die fast sommerliche Luft zu genießen, und die Performance des Antagon-Theaters. Vom im wahrsten Sinne des Wortes feurigen Spektakel kriegt man leider nur noch was mit, wenn man größer als 1,85 Meter ist. Ansonsten: nur Köpfe vor schummrig-rotem Licht. Schade, dass die Großen immer vorne stehen.
+++ 22 Uhr, Caricatura-Museum +++
Caricatura-Chef Achim Frenz ist guter Dinge. "Tja, ich brauch ein größeres Haus", sagt er mit Blick auf die Schlange vor der Tür. Das Museum selbst hat sich mittlerweile in eine Sauna verwandelt. Trotzdem sind die fast durchweg jungen Besucher guter Dinge, wie auch die Band, die noch genug Puste hat, um das hitzeresistente Publikum mit einem Song über das Gallus zu erheitern.
+++ 22.30 Uhr, zurück im Haus am Dom +++
Wieder Durchatmen auf der Dachterrasse. Drinnen bringt Tony Lakatos, einer der größten Jazzer der Stadt, das bildungsbürgerliche Publikum im Großen Saal zum Swingen. Über eine funktionierende Klimaanlage verfügt offenbar auch das Museum für Moderne Kunst eine Ecke weiter. Heiß sind hier nur die Beats von DJ Ata.
+++ 23.00 Uhr, Verkehrsmuseum Schwanheim +++
Auch in der Peripherie herrscht dichter Museumsverkehr – etwa im Museum für historische Trams und Busse, wo das Besucheraufkommen zu Staus vor den schmucken Gefährten führt. Schon mal mit einer uralten Straßenbahn gefahren? In der Museumsnacht ist nichts unmöglich. Langsam wird eine Stärkung fällig – Würstchen und Crepes retten vor der verfrühten Museumsnachtsschlappe. Weiter nach Höchst: Im Porzellanmuseum schnitzen geschickte Menschen allerlei Getier aus Obst und Gemüse. Wie man in Zukunft seine Servietten falten sollte – auch das lernt man hier. Das romantischste Örtchen zu später Stunde ist zweifelsohne der Bolongaro-Palast. Bei Brunnenplätschern und einer Nachtmusik des Bolongarosextetts findet diese Nacht - zumindest für uns – den perfekten Ausklang.
Die Nacht begann diesmal schon am Tag. „Tigerpalast“-Legende Johnny Klinke und Schauspieler Michael Quast waren vorbeigekommen, um gemeinsam mit dem Leiter des Historischen Museum, Jan Gerchow, den Anfang vom Ende des Hause einzuläuten - Klinke tat dies lautstark mit Unterstützung der Kinderpercussionisten vom Stelzentheater, Quast gewohnt kabarettistisch mit einer geistreichen Variante auf Goethes Osterspaziergang. Im Gegensatz zu Kulturderzernent Felix Semmelroth, der dem alten Museum keine Träne nachweinte („wer geht schon gerne in ein Museum, das aussieht wie eine Krankenversicherung“) hob Gerchow auch nochmal die positiven Seiten seines Museums hervor. „Als Historiker bin ich schon ein wenig traurig. Damals, 1972, hat das alles Sinn gemacht. Das Museum war insofern städtebaulich überzeugend, als dass es mit seiner Schmucklosigkeit Leute angesprochen hat, die nicht dem Bildungsbürgertum angehörten.“
+++ 11 Uhr, Innenstadt +++
Vor dem Eintracht-Spiel versammeln sich auch Ultra-Fans auf dem Römerberg, zur Mittagszeit wird der Hauptbahnhof kurzzeitig von der Polizei gesperrt, damit die Fangruppen nicht aufeinandertreffen. Und auch der Hassprediger Pierre Vogel hat sich angekündigt. Keine guten Voraussetzungen, doch die Nacht der Museen wird trotz aller widrigen Umstände ganz wunderbar werden.
+++ 17 Uhr, Haus am Dom +++
Hier dreht sich um 17 Uhr alles um die Roman-Trilogie "Abschaffel", die seit einer Woche bei der Reihe "Frankfurt liest ein Buch" an unterschiedlichsten Orten in der Stadt die Hauptrolle spielt. Zur Eröffnung der Ausstellung sind nicht nur der Autor Wilhelm Genazino, sondern auch sein ehemaliger Lektor geeilt. Auch Felix Semmelroth ließ es sich nicht nehmen zu kommen, bevor er zur offiziellen Eröffnung der Nacht der Museen weitereilt. Später am Abend wird Oberbürgermeisterin Petra Roth auf der Dachterrasse des Hauses aus dem Buch lesen - und die Nacht-Besucher werden einen fantastischen Blick über die Überreste des Technischen Rathauses und auf die Skyline genießen. Meistgehörter Satz auf dem Dach des Haus am Dom an diesem Abend: "Das ist ja wirklich unglaublich."
+++ 19 Uhr, Historisches Museum +++
Jan Gerchow, Hausherr des Historischen Museums, eröffnet die 12. Nacht der Museen mit dem „Großen Paukenschlag“. Zum letzten Mal können Bausünden-Nostalgiker die Räume des ungeliebten grauen „Betonklotzes“ auf dem Römerberg zur großen Abrissparty besuchen. Und dieses Motto ist ganz wörtlich gemeint: Einer der Höhepunkte des Abends - neben der hr3-Seventies-Party - ist das „Mauerpicken“: Mit dem Hammer bewaffnet schlagen sich die Besucher für die heimische Schrankwand ein Stück Museumsbeton heraus. Stimmung wie einst '89 am Brandenburger Tor. Gerchow hat schon vor dem Countdown sein persönliches Stück Mauer gepickt: „Für mich als Archäologen war es natürlich wichtig, ein Randstück abzubekommen.“ Vor einem Graffiti mit Karl dem Großen begrüßt auch Kulturdezernent und Hans-Dampf-in-allen-Museumgassen Felix Semmelroth die „Mauerspechte“ im Spätmittelaltersaal, wo von 21 Uhr an bis morgens um drei der Bär steppen wird.
+++ 19.30 Uhr, Museum für Angewandte Kunst +++
Schon wieder Semmelroth. Diesmal darf der Dezernent eine Benefiz-Auktion eröffnen, die das Unternehmen Ernst & Young bereits zum 10. Mal ausrichtet. Werke von Städelschülern und HfG-Studenten werden feilgeboten, der Erlös kommt komplett den Fördervereinen beiden Schulen zu Gute. Nach Semmelroth übernahm Auktionator Arnold den Verkauf, tänzelte wie ein Florett-Fechter durch den Saal - und reagierte nicht nur auf gelbe Schilder, sondern auch auf das dezente Augenzwinkern einzelner Bieter. Ein wahres Adlerauge - und ein Entertainer noch dazu. "Sie sind ein tolles Publikum", diesen Satz sagte Arnold gleich mehrfach. Zurecht: Insgesamt kamen durch die Auktion von 26 Werken über 50.000 Euro zusammen - der schönste Erfolg aber: ein Werk eines Städelschülers brachte es auf stolze 10.000 Euro. Das lässt für die Zukunft hoffen.
+++ 20.30 Uhr, Abstecher in den Palmengarten +++
Frankfurts Grüne Lunge leidet am Tropen-Fieber. Tänzerinnen in bunten Röcken schwingen die Hüften zu kreolischen Rhythmen, Emmanuel Marie heißt der Star des Abends, der auch tanzresistente Bleichgesichter dazu bringt, auf der Bühne mit dem Allerwertesten zu wackeln. Dazu ein leckerer Caipirinha, und der Abend scheint perfekt. Der Palmengarten-Fuchs rennt über die Wiese und sucht ob der Karnevalsstimmung schnell das Weite. Zweibeiner, die ein wenig Ruhe suchen, machen es sich auf der Liegewiese bequem. Gegen 21 Uhr kühlt es in der Grünen Oase ziemlich ab – Zeit, um sich wieder zurück ins Epizentrum zu begeben. Mit dem Bus also schnell wieder in die Stadt gedüst.
+++ 21.15 Uhr, Schirn-Kunsthalle +++
Gleich beginnt ein Konzert der Gruppe "Mouse on Mars", das könnte das Gedränge erklären, aber: so sagt man uns, das war schon den ganzen Abend so. Die surrealen Dinge ziehen die Besucher an, Schlangestehen bleibt Pflichtprogramm. Da tut es gut, einmal in den archäologischen Garten hinauszugehen, die fast sommerliche Luft zu genießen, und die Performance des Antagon-Theaters. Vom im wahrsten Sinne des Wortes feurigen Spektakel kriegt man leider nur noch was mit, wenn man größer als 1,85 Meter ist. Ansonsten: nur Köpfe vor schummrig-rotem Licht. Schade, dass die Großen immer vorne stehen.
+++ 22 Uhr, Caricatura-Museum +++
Caricatura-Chef Achim Frenz ist guter Dinge. "Tja, ich brauch ein größeres Haus", sagt er mit Blick auf die Schlange vor der Tür. Das Museum selbst hat sich mittlerweile in eine Sauna verwandelt. Trotzdem sind die fast durchweg jungen Besucher guter Dinge, wie auch die Band, die noch genug Puste hat, um das hitzeresistente Publikum mit einem Song über das Gallus zu erheitern.
+++ 22.30 Uhr, zurück im Haus am Dom +++
Wieder Durchatmen auf der Dachterrasse. Drinnen bringt Tony Lakatos, einer der größten Jazzer der Stadt, das bildungsbürgerliche Publikum im Großen Saal zum Swingen. Über eine funktionierende Klimaanlage verfügt offenbar auch das Museum für Moderne Kunst eine Ecke weiter. Heiß sind hier nur die Beats von DJ Ata.
+++ 23.00 Uhr, Verkehrsmuseum Schwanheim +++
Auch in der Peripherie herrscht dichter Museumsverkehr – etwa im Museum für historische Trams und Busse, wo das Besucheraufkommen zu Staus vor den schmucken Gefährten führt. Schon mal mit einer uralten Straßenbahn gefahren? In der Museumsnacht ist nichts unmöglich. Langsam wird eine Stärkung fällig – Würstchen und Crepes retten vor der verfrühten Museumsnachtsschlappe. Weiter nach Höchst: Im Porzellanmuseum schnitzen geschickte Menschen allerlei Getier aus Obst und Gemüse. Wie man in Zukunft seine Servietten falten sollte – auch das lernt man hier. Das romantischste Örtchen zu später Stunde ist zweifelsohne der Bolongaro-Palast. Bei Brunnenplätschern und einer Nachtmusik des Bolongarosextetts findet diese Nacht - zumindest für uns – den perfekten Ausklang.
Fotogalerie: Das war die Nacht der Museen 2011
9. Mai 2011, 11.49 Uhr
nb/nil/jt
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23. November 2024
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