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Nachruf: Emil Mangelsdorff
„Der Jazz ist eine Musik, die Freiheit darstellt.“
Seine Konzerte im Holzhausenschlösschen waren legendär: Am Donnerstag ist der Frankfurter Jazz-Musiker Emil Mangelsdorff im Alter von 96 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Wenn der junge Musiker Emil Mangelsdorff mit der Harlem Combo in der Rokoko-Diele auftrat, war es immer voll. Wer sich die Haare etwas länger wachsen ließ und lieber einen Trenchcoat mit weißem Schal als ein braunes Uniformhemd trug, der war in jenen Jahren Sonntag nachmittags ziemlich sicher auch in der plüschigen Hotelbar im Frankfurter Bahnhofsviertel anzutreffen. Mit dem Militarismus und der Ideologie der Nazis wollten Mangelsdorff und seine Clique so wenig wie möglich zu tun haben – ihre Leidenschaft war der Swing, und ihre Idole amerikanische Jazzmusiker wie Benny Goodman, Roy Eldridge und Coleman Hawkins. Der Nonkonformismus der Frankfurter Swingjugendlichen blieb auch dem „Jugendbeauftragten“ der Gestapo nicht verborgen. Der SS-Mann sorgte dafür, dass Emil wiederholt für mehrere Wochen in Gestapo-Haft genommen wurde (Vorwurf: „Wehrkraftzersetzung“), und schließlich mit Erreichen der Volljährigkeit an die Ostfront geschickt wurde. Dort geriet er 1944 in russische Gefangenschaft. Erst 1949 durfte er nach Frankfurt heimkehren. „Ich habe immer ein bisschen darunter gelitten, dass mir die Zeit zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr fehlt. In dem Alter, an in dem man am aufnahmefähigsten ist, gab es ja nicht mal die Gelegenheit, Musik zu hören, geschweige denn zu spielen“, sagte Mangelsdorff.
Mit Talent und Fleiß gelang es ihm, als Musiker rasch wieder den Anschluss zu finden. Die Nachfrage nach Jazz war in den Nachkriegsjahren groß: In den Clubs der hier stationierten Amerikaner sind die deutschen Jazzmusiker gern gesehene und gehörte Gäste. In den 50er-Jahren machen die Musiker um Emil Mangelsdorff Frankfurt zum Epizentrum des Jazz in Deutschland. Frankfurt hatte die angesagtesten Bands, das größte Jazzfestival, den coolsten Jazzkeller. In den Jazz-Polls (den Ranglisten der Jazzzeitschriften) gehörte Emil Mangelsdorff bald zu den führenden Jazzmusikern der Republik. Und das auf gleich drei Instrumenten: Klarinette, Altsaxophon und Flöte. Emil Mangelsdorff blieb Swing und Bebop weiter treu, als in den 60er-Jahren die Beatmusik begann, dem Jazz Konkurrenz zu machen. Mit dem Freejazz bildete sich zudem eine neue und schwerer verdauliche Form des Jazz heraus. Nicht in der Frage „Free kontra Swing“, sondern in „Jazz oder nicht Jazz“ sah er seine Herausforderung als Jazzmusiker. „In der heutigen Zeit wuchert ja der Free Jazz, dem ich mich auch verbunden fühle. Allerdings ist nicht alles gut, was auf diesem Gebiet vorgeführt wird. Und vor allem dürfte es dem Publikum schwerfallen, sich in diese Musik hineinzuleben. So ist es verständlich, dass viele zum Beat überschwenken. Wenn ich aber vor die Alternative Beat oder Swing-Musik gestellt werde, entscheide ich mich selbstverständlich für den Swing“, sagte er 1967 in einem Interview.
Auch über 80 Jahre nach seinem Debüt als Jazzmusiker übte Mangelsdorff täglich auf seinem Altsaxophon und stand regelmäßig auf der Bühne. Er blieb den jüngeren Jazzmusiker-Generationen immer eng verbunden: in den 60ern als Mitinitiator von Jazzkursen an der Musikschule, als Gründungs- und Vorstandsmitglied der Frankfurter Jazz-Initiative in den 1990ern, oder als Juror bei Nachwuchswettbewerben. Auf seinen Erzählkonzerten berichtete er über seine Zeit als Jugendlicher im Faschismus des Dritten Reichs. Sein breites Engagement für Jazz und Demokratie fand u.a. Anerkennung im Hessischen Jazz-Preis, der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und des Landes Hessen, der Johanna-Kirchner-Medaille, einer Ehrenprofessur des Landes Hessen und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Im Frankfurter Holzhausenschlösschen hatte er mit seinem Quartett an jedem ersten Montag im Monat einen Steady Gig, der stets lange im Voraus ausverkauft war. Für diese Konzerte lud er immer einen weiteren Solisten ein – nicht selten Musiker, die seine Enkel sein könnten. Musiker, für die diese Einladung so etwas wie ein Ritterschlag bedeute. Für Februar war dort sein 214. Konzert dieser Reihe geplant. Am Donnerstag Emil Mangelsdorff im Alter von 96 Jahren gestorben.
Mit Talent und Fleiß gelang es ihm, als Musiker rasch wieder den Anschluss zu finden. Die Nachfrage nach Jazz war in den Nachkriegsjahren groß: In den Clubs der hier stationierten Amerikaner sind die deutschen Jazzmusiker gern gesehene und gehörte Gäste. In den 50er-Jahren machen die Musiker um Emil Mangelsdorff Frankfurt zum Epizentrum des Jazz in Deutschland. Frankfurt hatte die angesagtesten Bands, das größte Jazzfestival, den coolsten Jazzkeller. In den Jazz-Polls (den Ranglisten der Jazzzeitschriften) gehörte Emil Mangelsdorff bald zu den führenden Jazzmusikern der Republik. Und das auf gleich drei Instrumenten: Klarinette, Altsaxophon und Flöte. Emil Mangelsdorff blieb Swing und Bebop weiter treu, als in den 60er-Jahren die Beatmusik begann, dem Jazz Konkurrenz zu machen. Mit dem Freejazz bildete sich zudem eine neue und schwerer verdauliche Form des Jazz heraus. Nicht in der Frage „Free kontra Swing“, sondern in „Jazz oder nicht Jazz“ sah er seine Herausforderung als Jazzmusiker. „In der heutigen Zeit wuchert ja der Free Jazz, dem ich mich auch verbunden fühle. Allerdings ist nicht alles gut, was auf diesem Gebiet vorgeführt wird. Und vor allem dürfte es dem Publikum schwerfallen, sich in diese Musik hineinzuleben. So ist es verständlich, dass viele zum Beat überschwenken. Wenn ich aber vor die Alternative Beat oder Swing-Musik gestellt werde, entscheide ich mich selbstverständlich für den Swing“, sagte er 1967 in einem Interview.
Auch über 80 Jahre nach seinem Debüt als Jazzmusiker übte Mangelsdorff täglich auf seinem Altsaxophon und stand regelmäßig auf der Bühne. Er blieb den jüngeren Jazzmusiker-Generationen immer eng verbunden: in den 60ern als Mitinitiator von Jazzkursen an der Musikschule, als Gründungs- und Vorstandsmitglied der Frankfurter Jazz-Initiative in den 1990ern, oder als Juror bei Nachwuchswettbewerben. Auf seinen Erzählkonzerten berichtete er über seine Zeit als Jugendlicher im Faschismus des Dritten Reichs. Sein breites Engagement für Jazz und Demokratie fand u.a. Anerkennung im Hessischen Jazz-Preis, der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und des Landes Hessen, der Johanna-Kirchner-Medaille, einer Ehrenprofessur des Landes Hessen und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Im Frankfurter Holzhausenschlösschen hatte er mit seinem Quartett an jedem ersten Montag im Monat einen Steady Gig, der stets lange im Voraus ausverkauft war. Für diese Konzerte lud er immer einen weiteren Solisten ein – nicht selten Musiker, die seine Enkel sein könnten. Musiker, für die diese Einladung so etwas wie ein Ritterschlag bedeute. Für Februar war dort sein 214. Konzert dieser Reihe geplant. Am Donnerstag Emil Mangelsdorff im Alter von 96 Jahren gestorben.
24. Januar 2022, 10.47 Uhr
Jonas Lohse
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