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„Moderne am Main“ im Museum Angewandte Kunst
Als Frankfurt sich neu erfand
Zwischen 1919 und 1933 erlebte Frankfurt einen nie dagewesenen Auf- und Umbruch. Aus den Trümmern des Ersten Weltkriegs erschuf sich eine baulich, gestalterisch und kulturell moderne Großstadt, wie das Museum Angewandte Kunst in einer neuen Ausstellung zeigt.
Manchmal lohnt es sich, einen Seitenblick in die Geschichte zu werfen. Wo derzeit alle Welt vom Bauhaus spricht – in ihrem hundertsten Jubiläumsjahr ist die avantgardistische Kunstschule von Weltrang Gegenstand unzähliger Ausstellungen – lässt das Museum Angewandte Kunst (MAK) die Entwicklungen am Weimarer Bauhaus quasi links liegen. Stattdessen lenkt es den Blick auf Frankfurt, wo ab 1919 auch am Main die Moderne Einzug hielt. In einer unvergleichlichen Welle der Erneuerung, die parallel zu jener am Bauhaus hochging und den Vergleich mit diesem nicht zu scheuen braucht.
Das zeigt die eben eröffnete Ausstellung „Moderne am Main“, in der nicht nur Kunstbeflissene auf ihre Kosten kommen. In acht thematisch gegliederten Bereichen zeichnet sie auf 1.200 Quadratmetern das Bild einer Stadt, die sich nach dem Ersten Weltkrieg generalüberholte: baulich, gestalterisch, kulturell. Diese konzeptionelle Erneuerung ging unter dem Namen „Neues Frankfurt“ in die Kulturgeschichte ein. Über 500 Objekte, Entwürfe, Fotografien und Reproduktionen, Zeichnungen, Gemälde, Filme und Tonaufnahmen führen im MAK den Aufbruch einer ganzen Gesellschaft in eine neue Zeit vor Augen. Allein schon die damals neuen Medien Film und Ton machen das erlebbar: experimentelle Filme von Oskar Fischinger etwa oder Kompositionen Paul Hindemiths für das frühe elektronische Instrument Trautonium. Mit „Zauberei auf dem Sender“ strahlte der in Frankfurt stationierte Südwestdeutsche Rundfunk 1924 das erste Hörspiel überhaupt aus. Und beim Reinhören in die experimentelle Produktion überrascht: Sie wirkt durchaus modern.
Ein Archetyp der modernen Großstadt
Besonders faszinierend ist die rasante Entwicklung Frankfurts zum Archetyp einer modernen Großstadt. In den 1920er-Jahren ließ das Frankfurter Baudezernat rund 12.000 Wohnungen am Stadtrand bauen. Um ein solches Volumen in kürzester Zeit und so kostengünstig wie möglich umzusetzen, wurden für Architektur, Grünflächen, Friedhöfe, Reklame, ja sogar für die Inneneinrichtung der Wohnungen Normen eingeführt. Türgriffe, Grabsteine, Möbel, Telefone: Alles wurde standardisiert. Heute noch ein Begriff ist die von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entworfene Frankfurter Küche, die als Urtyp der modernen Einbauküche gilt. Einen weltweiten Siegeszug trat die von Paul Renner entworfene Groteskschrift Futura an.
Trotzdem wurden in Frankfurt im Gegensatz zum Bauhaus kaum Ikonen geschaffen, sondern Gebrauchsgegenstände für den Alltagsbedarf. Obschon die Ausstellung das Bauhaus nicht explizit thematisiert, werden dennoch Schnittstellen und Kontraste aufgezeigt. Es ging den Machern am Main nicht darum, Objekte mit repräsentativer Funktion zu schaffen, sondern um die Einheit von Gestaltung und sozialem Engagement. Dadurch unterscheidet sich die Moderne am Main vom Bauhaus, heißt es doch: Wenn das Bauhaus die Akademie der Moderne war, so war das Neue Frankfurt ihre Werkstatt. Ein wichtige Rolle spielte darin auch die Kunstschule Frankfurt, die eng mit den städtischen Ämtern zusammenarbeitete. Sie ging aus der Zusammenlegung der Kunstgewerbeschule und der Städelschule hervor und wurde ab 1924 nach dem Vorbild des Weimarer Bauhauses geformt. Die freien und angewandten Künste wurden gleichranging behandelt, wie in der Schau etwa an Arbeiten aus der Modeklasse, der Typografie und Werbegrafik, der Innenarchitektur und der Malerei zu sehen ist.
Die Moderne wirkt nach
Trotz seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung wird das Neue Frankfurt vom Bauhaus überschattet. Mit dem Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg wurde der Frankfurter Moderne der Boden entzogen. Einige seiner Akteure siedelten in die Sowjetunion über, wo Stalin ihrem Wirken aber bald Einhalt gebot. Das Bauhaus hingegen blühte im amerikanischen Exil weiter auf und wurde 1945 in die ganze Welt getragen.
Es sind viele Eindrücke, die man aus dieser Ausstellung mitnimmt. Und sie wirft Fragen auf. Einige davon sähe man gerne im Rahmen der „Moderne am Main“ beantwortet. Etwa jene, wie sich die Periode im geschichtlichen Kontext einordnet. Was vorher war, was nachher kam, das ist hinlänglich bekannt. Aber aus der Perspektive der Frankfurter Moderne gäbe es doch einige Zusammenhänge zu erläutern. Und auch, wie die Frankfurter Bürger die forcierte Modernisierung und Normierung ihrer Lebenswelt erlebten, hätte man gerne erfahren. Einige Worte mehr zum Bauhaus wären ebenfalls nicht verkehrt gewesen. Das Verdienst dieser Tour d’Horizon ist es jedoch, eine Vergangenheit aufzuzeigen, die Fragen aufwirft. Weil sie in der ein oder anderen Weise auch unsere Gegenwart und unsere Zukunft zu beinflussen vermag. Sie regt das Denken an. Das ist gut.
Das zeigt die eben eröffnete Ausstellung „Moderne am Main“, in der nicht nur Kunstbeflissene auf ihre Kosten kommen. In acht thematisch gegliederten Bereichen zeichnet sie auf 1.200 Quadratmetern das Bild einer Stadt, die sich nach dem Ersten Weltkrieg generalüberholte: baulich, gestalterisch, kulturell. Diese konzeptionelle Erneuerung ging unter dem Namen „Neues Frankfurt“ in die Kulturgeschichte ein. Über 500 Objekte, Entwürfe, Fotografien und Reproduktionen, Zeichnungen, Gemälde, Filme und Tonaufnahmen führen im MAK den Aufbruch einer ganzen Gesellschaft in eine neue Zeit vor Augen. Allein schon die damals neuen Medien Film und Ton machen das erlebbar: experimentelle Filme von Oskar Fischinger etwa oder Kompositionen Paul Hindemiths für das frühe elektronische Instrument Trautonium. Mit „Zauberei auf dem Sender“ strahlte der in Frankfurt stationierte Südwestdeutsche Rundfunk 1924 das erste Hörspiel überhaupt aus. Und beim Reinhören in die experimentelle Produktion überrascht: Sie wirkt durchaus modern.
Ein Archetyp der modernen Großstadt
Besonders faszinierend ist die rasante Entwicklung Frankfurts zum Archetyp einer modernen Großstadt. In den 1920er-Jahren ließ das Frankfurter Baudezernat rund 12.000 Wohnungen am Stadtrand bauen. Um ein solches Volumen in kürzester Zeit und so kostengünstig wie möglich umzusetzen, wurden für Architektur, Grünflächen, Friedhöfe, Reklame, ja sogar für die Inneneinrichtung der Wohnungen Normen eingeführt. Türgriffe, Grabsteine, Möbel, Telefone: Alles wurde standardisiert. Heute noch ein Begriff ist die von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entworfene Frankfurter Küche, die als Urtyp der modernen Einbauküche gilt. Einen weltweiten Siegeszug trat die von Paul Renner entworfene Groteskschrift Futura an.
Trotzdem wurden in Frankfurt im Gegensatz zum Bauhaus kaum Ikonen geschaffen, sondern Gebrauchsgegenstände für den Alltagsbedarf. Obschon die Ausstellung das Bauhaus nicht explizit thematisiert, werden dennoch Schnittstellen und Kontraste aufgezeigt. Es ging den Machern am Main nicht darum, Objekte mit repräsentativer Funktion zu schaffen, sondern um die Einheit von Gestaltung und sozialem Engagement. Dadurch unterscheidet sich die Moderne am Main vom Bauhaus, heißt es doch: Wenn das Bauhaus die Akademie der Moderne war, so war das Neue Frankfurt ihre Werkstatt. Ein wichtige Rolle spielte darin auch die Kunstschule Frankfurt, die eng mit den städtischen Ämtern zusammenarbeitete. Sie ging aus der Zusammenlegung der Kunstgewerbeschule und der Städelschule hervor und wurde ab 1924 nach dem Vorbild des Weimarer Bauhauses geformt. Die freien und angewandten Künste wurden gleichranging behandelt, wie in der Schau etwa an Arbeiten aus der Modeklasse, der Typografie und Werbegrafik, der Innenarchitektur und der Malerei zu sehen ist.
Die Moderne wirkt nach
Trotz seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung wird das Neue Frankfurt vom Bauhaus überschattet. Mit dem Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg wurde der Frankfurter Moderne der Boden entzogen. Einige seiner Akteure siedelten in die Sowjetunion über, wo Stalin ihrem Wirken aber bald Einhalt gebot. Das Bauhaus hingegen blühte im amerikanischen Exil weiter auf und wurde 1945 in die ganze Welt getragen.
Es sind viele Eindrücke, die man aus dieser Ausstellung mitnimmt. Und sie wirft Fragen auf. Einige davon sähe man gerne im Rahmen der „Moderne am Main“ beantwortet. Etwa jene, wie sich die Periode im geschichtlichen Kontext einordnet. Was vorher war, was nachher kam, das ist hinlänglich bekannt. Aber aus der Perspektive der Frankfurter Moderne gäbe es doch einige Zusammenhänge zu erläutern. Und auch, wie die Frankfurter Bürger die forcierte Modernisierung und Normierung ihrer Lebenswelt erlebten, hätte man gerne erfahren. Einige Worte mehr zum Bauhaus wären ebenfalls nicht verkehrt gewesen. Das Verdienst dieser Tour d’Horizon ist es jedoch, eine Vergangenheit aufzuzeigen, die Fragen aufwirft. Weil sie in der ein oder anderen Weise auch unsere Gegenwart und unsere Zukunft zu beinflussen vermag. Sie regt das Denken an. Das ist gut.
21. Januar 2019, 10.18 Uhr
Isabel Hempen
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