Love Bites - ein Abend im Grande Opera

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Alicia Lindhoff /

Schild
Am Wochenende war ich im berüchtigten Offenbacher Fetischclub „Grande Opera“. Dies aus gutem Grund, der nichts mit meinen sexuellen Vorlieben zu tun hat. Trotzdem war der Abend überaus aufschlussreich, weshalb ich mein Erlebnis gerne mit anderen unbedarften Menschen teilen würde, die sich schon immer fragten, wie das so läuft bei „diesen Leuten“, aber nie den Mut hatten, es sich einfach mal anzuschauen.
Alles begann, als man mir im Familienkreis vor einigen Wochen ankündigte, während der Buchmesse werde eine junge Berliner Nackttänzerin namens Angelina bei uns wohnen.

Gynstuhl 300 Nun komme ich nicht aus einem solchen Bohèmehaushalt, dass so etwas zur Tagesordnung gehört. Auf kritische Nachfrage wurde mir der Hintergrund des anrüchigen Besuchs erklärt: Die Frankfurter Verlegerin Claudia Gerke organisiert jedes Jahr zur Buchmesse die „Love Bites“, eine erotische Lesung mit Musik und Performance. Die Veranstaltung findet an wechselnden „sündhaften“ Orten statt (letztes Jahr etwa im „Sudfass“, dem dubiosen Gebäude an der „Flößerbrücke“, dessen Eingang aus zwei nackten Frauenbeinen in High-Heels besteht…) und dieses Jahr eben im „Grande Opera“. Immer werden auch Künstlerinnen aus anderen Städten eingeladen, die dann natürlich irgendwo schlafen müssen. Über zwei Ecken kam Gerke auf uns, die wir ein kleines, aber feines Häuschen in Offenbach unser Eigen nennen, dass sich in Laufweite des Clubs befindet.

Stiefelsohle 300Die Wahl des Ortes: Perfekt! Das „Grande Opera“ hat nicht nur die nötige erotische Atmosphäre, es ist auch dieses wohlige Gefühl, beim Eintreten ein Tabu zu brechen, dass diesen Ort so reizvoll macht. Regieren hier denn nicht Sodom und Gomorrha? Haben Menschen nicht öffentlich Sex, tun furchtbare Dinge miteinander?
Fehlanzeige. Zumindest heute Abend werden Vorurteile mal wieder nicht bestätigt. Kein Schreckmoment beim Betreten des Clubs. Auf den ersten Blick fällt vor allem die elegante Einrichtung auf, die riesigen Kerzenleuchter und die warmen Farben. Langsam füllt sich der Raum mit einer aparten Mischung aus Buchmessenpublikum und Stammgästen. Da in beiden Gruppierungen schwarz quasi zur Uniform gehört, heben sie sich anfangs kaum voneinander ab. Nur nach und nach fallen einzelne Details aus dem Rahmen: Venezianische Masken, Korsetts, Lederhosen. Eine Frau trägt Hundeleine statt Kette. Häufig wird man von Vertretern beiden Geschlechtes taxiert oder angelächelt, alle jedoch legen ein ausgesprochen zurückhaltendes und distinguiertes Verhalten an den Tag.

Andreaskreuze

Durch eine Tür dringe ich weiter ein in das Geheimnis dieses Ortes. Wie eine Touristin streife ich durch Parzellen, die von schweren Vorhängen voneinander abgetrennt sind, entdecke riesige Holzkreuze mit Eisenringen für Handgelenke und Knöchel, Stühle, wie frau sie vom Gynäkologen kennt. An den Wänden hängen großformatige Schwarzweißfotos, die zeigen, was man mit diesen Gerätschaften so alles anstellen kann…

nackt mit Schirm
Aber genug des Voyeurismus. Kommen wir zum Programm: Genuss für die Ohren bieten an diesem Abend die bekannte Frankfurter Autorin Doris Lerche und die Offenbacherin Ida Todisco mit erotischen Auszügen aus ihren Romanen. Fürs visuell Ansprechende sorgt dann unter anderem meine Kurzzeitmitbewohnerin Angelina (Foto oben). Bei ihrem Auftritt falle ich fast vom Stuhl. Eben saß sie noch schüchtern und käsebrotkauend auf unserer Sofakante, jetzt steht sie da: mondän mit Klimperwimpern, Glitzerlippen und im süßen Schulmädchen-Outfit – das jedoch behält sie nicht lang an. Zunge 300Etwas später windet sie ihren Körper zu den Klängen der Saxophonistin Nicola Lutz (Foto unten), wie eine Kobra im Korb eines Fakirs.

Heimlicher Star des Abends aber ist Bridge Markland (Foto rechts). Die ist aus Berlin und eine international bekannte Performancekünstlerin. Sie beginnt ihren Auftritt im goldenen Glitzerkleid, High-Heels und feuerroter Lockenmähne, um nur Sekunden später nackt bis auf Strumpfhose und mit zwei roten Klebkreuzen über den Brustwarzen wie ein Derwisch durchs Publikum zu tanzen und Trauben zu verteilen. Am Ende hat das verdutzte Publikum dann einen glatzköpfigen Kerl im Anzug vor sich stehen, der anzüglich grinsend einen Plastikpenis in seiner Westentasche streichelt und „It’s a man’s world“ singt.

Fazit des Abends: „Normal“ ist ein dummes Wort!

Sax500


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