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Lieblingswerk

Die Schönheit steckt im Titel

Die Wahlfrankfurterin Francisca Rotariu ist für das Mäzenenpaar Dr. Simone Najman und Dr. Leo Najman Kuratorin von „Schweizer5“, einer historischen Location beim Museumsufer. In einem Gastbeitrag verrät sie ihr persönliches Lieblingswerk – ein Motiv der Malerin Miriam Cahn.
Miriam Cahn ist für mich eine besondere Künstlerin, eine Rebellin, ein Dickkopf, eine Frau, die sagt, was sie denkt. Sie berührt mich, weil sie mich auch an meine eigene Geschichte erinnert und Gefühle hervorruft, über die ich selten spreche. Aus ihrem großen Oeuvre habe ich mir das kleinformatige Bild „Schönheit“ ausgesucht, das sich seit dem Jahre 2000 in der Sammlung des MMK befindet und anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Jean-Christophe Ammann erworben wurde.

Wer ist die Figur, die sowohl männlich als auch weiblich sein könnte, ein Hybrid, der mich aus den schwarz angemalten Augenhöhlen anstarrt? Ich kann sie stundenlang anschauen, und es wird nicht langweilig. Durch die zarten Pinselstriche und die intensive Farbigkeit, den halb geöffneten sinnlichen Mund scheint sie etwas sagen zu wollen. Lächelt oder weint sie? Der Hals ist übernatürlich lang und will sie stützen, sie erhöhen. Die leuchtendgrüne Umrandung des Gesichts wirkt auf mich sakral, obwohl es auch angedeutete Haare sein könnten, die zärtlich über das Gesicht fallen. Der Titel des Bildes, nämlich Schönheit, ist das, was es auch darstellt, nämlich pure Schönheit.

Für Miriam Cahn sind die Titel ihrer Werke wichtig, beschreibend sollen sie sein. Sie sollen das benennen, was auf dem Bild zu sehen ist. Ihre Bilder tragen Titel wie „Liebenmüssen“, „Tötenmüssen“, „Flüchtenmüsen“, „diesen Frühling überlebt“, „Sarajevo“, „Lachversuch“, etc. Aus den Titeln ergibt sich auch ihre Haltung, ihre politische Position.

Geboren wurde sie 1949 in Basel als Tochter eines angesehenen Archäologen aus einer jüdischen Familie. Die Familie flüchtet 1933 von Frankfurt am Main in die Schweiz. Durch ihre eigene Geschichte sind Themen wie Flucht, Gewalt, Menschlichkeit, Täter und Opfer von immanenter Bedeutung.
Doch auch die Rolle der Frau ist aus ihrem Schaffen nicht wegzudenken. Geprägt durch den Feminismus, stellt sie tradierte, gesellschaftlich bedingte Vorstellungen in Frage und nutzt die Kunst, um uns das Menschsein heute drastisch zu zeigen. Sie zitiert dabei eine andere, von mir bewunderte Künstlerin, nämlich Pipilotti Rist, die sagte: „Feminismus ist für mich Ehrensache“, fügt jedoch hinzu, dass, wenn es nicht mehr nötig ist, über Machtverhältnisse zu sprechen, sie aufhört, eine Feministin zu sein.

Ich habe Miriam Cahn vor über 20 Jahren bei einer Freundin in Nürnberg entdeckt, die anfing, sie zu sammeln. Danach habe ich sie mehrfach gesehen, unter anderem auf der Documenta 14 im Jahr 2017, wo ich auch von ihren großformatigen Werken ergriffen wurde und darauf anfing, über sie zu lesen und sie mehr zu verstehen. Denn auch meine Familie ist geflüchtet, zuerst meine Eltern 1985, meine Schwester und ich folgten ihnen 1986. Wir kamen aus dem damals kommunistischen Rumänien, landeten, aus einem Miniflughafen in Timisoara kommend, in Frankfurt. Wir orientierten uns an einer fremden Person, um dem Labyrinth des Frankfurter Flughafens zu entkommen und in die Arme unserer Eltern zu fliegen. Zwei Jahre verbrachten wir in Nürnberg in einem Asylheim, und es sollte noch Jahre dauern, bis ich wieder Frankfurt sah. Diesmal kam ich, um zu bleiben.

Miriam Cahns Bilder von flüchtenden Menschen als eine condition humaine seit Anbeginn der Zeiten sind aktueller denn je. Ich hatte lange überlegt, eines der politischen Bilder von ihr auszusuchen, entschied mich dennoch für dieses, weil es, um es einfach zu sagen, mein Lieblingswerk von Miriam Cahn ist.




Miriam Cahn: Schönheit,1999, Öl auf Leinwand, 30,5 x 24,5 cm, MMK Frankfurt
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Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 2/22 des Artkaleidoscope (April bis Juni) erschienen.
 
Fotogalerie:
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13. April 2022, 12.21 Uhr
Francisca Rotariu
 
 
 
 
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