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"Lange Texte, große Berichte, fantastische Reportagen"
Alles zwei Wochen nimmt Daniel Cohn-Bendit im (gedruckten) Journal Frankfurt Stellung zu Gott (eher weniger) und der Welt (eher viel). Diesmal haben wir ihn zur deutschen Verlagsszene befragt, und stellen das Gespräch hier online.
Die Zeitungsverlagslandschaft in Deutschland ist in Bewegung. Welche Blätter lesen Sie eigentlich?
Deutsche? taz natürlich und die Rundschau. Ab und an auch die FAZ. Dazu immer die ausländischen Zeitungen Libération, Le Monde, L’Equipe und El Pais.
Hört sich nach ’ner Tagesbeschäftigung an ...
Nö, dauert insgesamt keine Stunde.
Der Kölner Verlag DuMont Schauberg hat letztes Jahr die Rundschau gekauft und zu Beginn des Jahres einen führenden Berliner Verlag, in dem die Berliner Zeitung erscheint. Der richtige Weg?
Grundsätzlich ist das eine gute Sache. Denn DuMont ist ein Verleger der alten Garde. Mit gut gemachten Synergien kann in Deutschland aus den Blättern ein neuer liberaler und unabhängiger Gegenpol zu dem zweifelhaften Printjournalismus vor allem der Springer-Konkurrenz erwachsen.
Ebenfalls in Berlin erscheint der neue Freitag – das Konzept der Zeitung ist gar nicht blöd: Verleger Jakob Augstein hat begriffen, dass ein Meinungsmedium nur am Kiosk und im Internet funktionieren kann.
Augstein hat erkannt, dass man Netz und Print enger zusammenführen muss – aus seinen Lesern werden im besten Falle im Netz Mitgestalter und Mitdiskutanten.
Bildet Online überhaupt eine Nachrichtenquelle für Daniel Cohn-Bendit?
Ja, als schnelle News. Der Fakt als solcher. Bei Berichten, Reportagen und Kommentaren ziehe ich das Gedruckte auf Papier vor.
Die WAZ-Gruppe versucht weiter, durch „Turbo-Prämien“ möglichst schnell 262 Mitarbeiter loszuwerden.
Ich glaube, dass fast alle Tageszeitungen die Zeichen der Zeit verschlafen haben – daher geraten viele in finanzielle Schwierigkeiten. Was aber muss eine Zeitung bringen in Zeiten von Radio, TV und vor allem Online? Die Hauptaufgabe kann nicht mehr das Drucken der eigentlichen News sein – die kenn ich als Leser schon einen Tag lang. Es muss weitergehen. Informationen müssen verwoben und in größerem Kontext dargestellt werden.
Sie haben uns gesagt, welche Blätter Sie lesen – welches würden Sie denn gerne noch lesen?
So etwas wie die vor 20 Jahren von Enzensberger gemachte Transatlantik – lange Texte, große Berichte und fantastische Reportagen.
Fand aber nicht so viele Leser. Das Blatt hinterließ nichts als einen guten Ruf und einen Haufen Schulden ...
Vielleicht sind wir als Leser heute weiter?
Eher das Gegenteil – rund 68 Prozent aller Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren verbringen ihre Zeit regelmäßig online in Social Networks. Wie kann man gegenwirken?
Gar nicht – das ist die neue Form von sozialer Geselligkeit. Das Problem ist nur, diese jungen Leute obendrein noch irgendwie zum Lesen zu bekommen. In Frankreich unterstützt der Staat mit 600 Millionen Euro die Verlage, damit die jedem 18-Jährigen ein Jahr lang kostenlos ein Abo einer seriösen Zeitung bereitstellen – das nenn ich eine Maßnahme.
Die abschließende Fußballfrage mal anders – einer der erfolgreichsten Frankfurter Blogs ist der von der FR initiierte blog-g.de, auf dem – man höre und staune – eigentlich permanent die Berichterstattung der Zeitung harscher Kritik ausgesetzt ist. Ist das die Zukunft?
Das ist doch sehr klug! Hier hat die Zeitung eine Möglichkeit, sich neue Käuferschichten zu eröffnen. Wenn es darüber funktioniert, sich der Kritik zu stellen, ist das nicht der schlechteste Weg.
Die Fragen stellte Boris Tomic
9. Februar 2009, 15.31 Uhr
Redaktion
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