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Kolumne von Ana Marija Milkovic
Neue Denker braucht das Land
Warum sind gedruckte Bücher dem Niedergang geweiht? Unsere Kolumnistin hat da eine ganz eigene Ansicht: Nicht enden wollende präsentierte Hässlichkeit im Buchformat beherrscht die Konsumräume.
Sechs Bücher sind anlässlich des Deutschen Buchpreises nominiert. Ich war zum ersten Mal im Literaturhaus dabei. Begleitet und interviewt wurden die nominierten Schriftsteller der Shortlist auf der Bühne von Journalisten. Eine von ihnen war Sandra Kegel, Redakteurin der FAZ. Kegel sollte den Anfang und dabei einen Fehler machen, der überwiegend Frauen passiert. Sie rechtfertigte sich. Grund ihrer Rechtfertigung war die Ansprache des Hauptgeschäftsführers des Börsenvereins, Alexander Skipis. Er äußerte sich in seinem Grußwort kritisch über Kegels kürzlich erschienenen Text "Ist das Buch am Ende?" Sichtlich bemüht versuchte er das mit allerlei „Fakten“ zu wiederlegen. Sandra Kegel erwiderte und meinte, eigentlich sei die Situation noch viel ernster.
Bücher werden durch eine gute Typografie und ein gutes Grafik-Design am Leben erhalten. Nicht nur die Leser, auch Skipis scheint sich über die Verhältnismäßigkeit nicht im Klaren zu sein. Eine schlechte Typografie behindert nun einmal den Lesefluss und den Kauf eines Buchs. Das sollte aber gerade beim Vorsitzenden des Börsenvereins des deutschen Buchhandels angekommen sein. Sein episches Grußwort sollte nur vom Thema ablenken, das er selbst in den Ring warf. Nicht nur Sandra Kegel schien irritiert. Dabei sind die ursächlichen Gründe für den Niedergang des Buches nicht neu.
Der Schriftsteller John Ruskin hielt bereits 1849 den Niedergang des Buches fest: "Stereotype Ungestaltheit, eingeschrumpfte Genauigkeit, verhungerte Akkuratesse, minuziöse Menschenfeindlichkeit." Der deutsche Literaturwissenschaftler Roland Reuss bezeichnete 2010 die digitale Entwicklung gar als Ort orthografischer Obdachlosigkeit. Das Denken und Lernen wird im digitalen Zeitalter willkürlich erschwert. Das steht der Vermittlung von Inhalten entgegen. Darüber liesse sich eben auch auf wissenschaftlicher Ebene diskutieren. Der Börsenverein wäre ein guter Gastgeber.
Anfang vergangenen Jahrhunderts konzentrierte sich die Moderne in ihrer Ästhetik und Technik an der Zweckrationalität. Architektur, Grafik und Typografie wurden weiterentwickelt mit dem Ziel, den Nutzern den Zugang zu einer neuen Welt zu erleichtern. Ziel war Lebenszeit sowie Ressourcen zu sparen. Heute verkehrt sich die Demokratie in der blanken Bereitstellung ihrer technischen Mittel ins Gegenteil. Wir verlieren Zeit und Ressourcen und kommen nicht zum Ziel. Heute glauben die meisten, ein gedrucktes Buch sei eine gedruckte Datei.
Wäre tatsächlich das Buch dem Untergang geweiht, wäre es auch um die kulturellen Errungenschaften Europas schlecht bestellt. Um das Ausmaß der Verwahrlosung zu erkennen, reicht mir ein Gang in die Buchhandlung Hugendubel: Nicht enden wollende präsentierte Hässlichkeit im Buchformat finde ich in diesem austauschbaren Konsumtempel.
Bildung setzt Wissen in der Entstehung und im Umgang voraus. Würde unsere Gesellschaft damit beginnen, dem digitalen Zeitalter kulturell durch Wissen und fachlichem Knowhow zu begegnen, säßen wir nicht ständig neuen Marketingkonzepten und Zahlenkolonnen auf! Neues Denken könnte diesen Niedergang des Buches aufhalten. Neue Köpfe braucht das Land. Es wird Zeit, auf kultureller Ebene damit zu beginnen!
Bücher werden durch eine gute Typografie und ein gutes Grafik-Design am Leben erhalten. Nicht nur die Leser, auch Skipis scheint sich über die Verhältnismäßigkeit nicht im Klaren zu sein. Eine schlechte Typografie behindert nun einmal den Lesefluss und den Kauf eines Buchs. Das sollte aber gerade beim Vorsitzenden des Börsenvereins des deutschen Buchhandels angekommen sein. Sein episches Grußwort sollte nur vom Thema ablenken, das er selbst in den Ring warf. Nicht nur Sandra Kegel schien irritiert. Dabei sind die ursächlichen Gründe für den Niedergang des Buches nicht neu.
Der Schriftsteller John Ruskin hielt bereits 1849 den Niedergang des Buches fest: "Stereotype Ungestaltheit, eingeschrumpfte Genauigkeit, verhungerte Akkuratesse, minuziöse Menschenfeindlichkeit." Der deutsche Literaturwissenschaftler Roland Reuss bezeichnete 2010 die digitale Entwicklung gar als Ort orthografischer Obdachlosigkeit. Das Denken und Lernen wird im digitalen Zeitalter willkürlich erschwert. Das steht der Vermittlung von Inhalten entgegen. Darüber liesse sich eben auch auf wissenschaftlicher Ebene diskutieren. Der Börsenverein wäre ein guter Gastgeber.
Anfang vergangenen Jahrhunderts konzentrierte sich die Moderne in ihrer Ästhetik und Technik an der Zweckrationalität. Architektur, Grafik und Typografie wurden weiterentwickelt mit dem Ziel, den Nutzern den Zugang zu einer neuen Welt zu erleichtern. Ziel war Lebenszeit sowie Ressourcen zu sparen. Heute verkehrt sich die Demokratie in der blanken Bereitstellung ihrer technischen Mittel ins Gegenteil. Wir verlieren Zeit und Ressourcen und kommen nicht zum Ziel. Heute glauben die meisten, ein gedrucktes Buch sei eine gedruckte Datei.
Wäre tatsächlich das Buch dem Untergang geweiht, wäre es auch um die kulturellen Errungenschaften Europas schlecht bestellt. Um das Ausmaß der Verwahrlosung zu erkennen, reicht mir ein Gang in die Buchhandlung Hugendubel: Nicht enden wollende präsentierte Hässlichkeit im Buchformat finde ich in diesem austauschbaren Konsumtempel.
Bildung setzt Wissen in der Entstehung und im Umgang voraus. Würde unsere Gesellschaft damit beginnen, dem digitalen Zeitalter kulturell durch Wissen und fachlichem Knowhow zu begegnen, säßen wir nicht ständig neuen Marketingkonzepten und Zahlenkolonnen auf! Neues Denken könnte diesen Niedergang des Buches aufhalten. Neue Köpfe braucht das Land. Es wird Zeit, auf kultureller Ebene damit zu beginnen!
2. Oktober 2017, 10.11 Uhr
Ana Marija Milkovic
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