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Kein Goethepreis für Musiker

Warum Bob Dylan in Frankfurt nie geehrt wurde

Bernd Messinger, heute Büroleiter von Stadträtin Rosemarie Heilig, erinnert sich in seinem Gastbeitrag, wie Dylan um den Goethepreis herumgekommen ist – und warum die Frankfurter klüger sind als die Stockholmer.
Jetzt kommt er also am 10. Dezember tatsächlich nicht nach Stockholm, unaufschiebbare Verpflichtungen, er hat leider „was anderes vor“, vielleicht nächstes Jahr.

Man hätte es wissen können, und in Frankfurt wusste man es längst. Man hätte dort nur fragen müssen.

Denn Dylan-Fans gab und gibt es in der amerikanischsten Stadt Europas sicher mehr als in ganz Schweden. Bob Dylan war schon immer einer von uns und außerdem, was wirklich wenige wissen, tatsächlich ein recht kundiger und ehrlicher Verehrer eben nicht nur von seinem Vorbild Brecht, dem Augsburger, sondern er blieb bei seinem Wildern durch alle greifbaren Bibliotheken neben Klassikern wie Balzac, Byron oder Gogol immer wieder bei Goethe hängen, dem Weltbürger aus Frankfurt.

Und so war es naheliegend, dass seit den 90er-Jahren, in denen diejenigen im Römer sich etablierten, die mit seiner Musik politisch und kulturell groß wurden und die irgendwie mit der Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt zu tun hatten, sich turnusmäßig alle drei Jahre fragten: „Warum nicht 'his Bobness'?“

Faustisch wie Faust, lonesomer than werther und suchender als Wilhelm Meister – passender geht’s doch kaum!

Nun sind interne Diskussionen über Preisverleihungen vertraulich und Vertrauensbrüche stillos. Doch die Idee mit Bob Dylan als Preisträger hat schließlich dann doch nie die eigentlichen Jurysitzungen erreicht. Denn alle, die Bob und sein Wesen kennen, zogen rechtzeitig die Notbremse und ihn aus dem Kreis der potentiellen Kandidaten zurück.

Deshalb darf man also ohne Stilbruch auch das Geheimnis verraten, wieso Bob Dylan gerade noch einmal um den Goethepreis herumgekommen ist: Die Frankfurter kannten einfach den Meister („a poem is a naked person“) besser. Und so war man sich sicher:

1. Man erreicht ihn sowieso erstmal gar net.
2. Wenn man ihn dann doch erreicht, sagt er sowieso erstmal mal gar nix.
3. Wenn er dann doch was sagt, kommt er sowieso net.

Denn als sich Bob Dylan einmal nach langem Zögern entschloss, die Ehrendoktorwürde der Princeton-Universität entgegenzunehmen, musste er sich eine Laudatio anhören, die ihn zur „authentischen Stimme, ja zum Gewissen des ruhelosen Jungen Amerika erhebt“.

„Herr Jesus! Es war wie ein Stromschlag. Das ruhelose Gewissen des Jungen Amerika. Schon wieder. Nicht zu fassen! Ich war ihnen wieder auf den Leim gegangen“, so seine Empfindungen, die sich tief ins Gemüt eingruben.

Kaum vorstellbar also, dass Bob Dylan zu sich Goethes Geburtstag in der Paulskirche amtskettenbeladene Worte über sich als die die Ikone des demokratischen und kulturellen Erwachens der aufbegehrenden Jugend Deutschlands („vom Eise befreit“) antun würde.

Und auch kaum, dass er sich in Stockholm möglicherweise als Rolling Stone gegen den Trumpismus in der Welt glorifizieren lassen würde. Ein politischer Sänger, ja auch das, wenn es halt sein muss, aber politische Instrumentalisierung der Poesie ––– it ain't me, babe.

Die Frankfurter wussten es, die Stockholmer hätten es von Frankfurt wissen können. Wenn sie denn gefragt hätten. Andererseits: „It's not easy to define poetry.“

Der Autor ist Büroleiter von Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). In den 80er-Jahren war er Abgeordneter der Grünen im hessischen Landtag, später Büroleiter von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU).

Unser Archivfoto von 2011 zeigt eine Mauer hinter dem Goethe-Denkmal, die vom Künstler Jean-Luc Cornec anlässlich des Geburtstages des Dichters gebaut wurde (und später wieder verschwand).
 
Fotogalerie:
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5. Dezember 2016, 11.26 Uhr
Bernd Messinger
 
 
 
 
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