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Jüdische Kulturwochen
"Ich darf das, ich bin Jude"
Oliver Polak über seine jüdische Herkunft, Lieblingsplätze in Frankfurt und warum der Zentralratspräsident ihm riet, bei seinem Auftritt während der Jüdischen Kulturwochen keine Friedman-Witze zu machen.
JOURNAL FRANKFURT: Sie spielen sonst bei Shows wie „Nightwash“ vor einem vergleichsweise unpolitischen Publikum. Haben Sie keine Bedenken bei der jüdischen Kulturwoche anzuecken?
Oliver Polak: Das Nightwash-Publikum ist unpolitisch und das Jüdische-Kulturtage-Publikum ist politisch? Gewagte These! Vielleicht ist es ja auch umgekehrt. Darüber denke ich nicht nach. Ich mache eben mein Ding. Und Leute, die zu meinem Shows kommen, wissen oft, was ich mache. Bisher habe ich bei solchen Veranstaltungen gute Erfahrungen gemacht. Bei den jüdischen Kulturtagen in Berlin durfte ich zum Beispiel mit Georg Kreisler auf die Bühne. Ein großer jüdischer Satiriker und Kabarettist. Das war für mich eine sehr interessante Begegnung.
Nehmen wir mal an, Sie wären dort nicht als Künstler gebucht. Würden Sie privat eine jüdische Kulturwoche besuchen?
Da ich selbst Jude bin, sind bestimmte Dinge, die bei solchen Veranstaltungen angeboten werden, wie zum Beispiel der Besuch einer Synagoge, Rabbinertalk oder ähnliches, natürlich nichts explizit besonderes für mich. Außerdem macht mich Klezmermusik immer so depressiv. In Frankfurt ist ja eben erst Sharon Brauner mit ihrer Band während der jüdischen Kulturwochen aufgetreten. Die ist eine tolle Sängerin, die hätte ich mir gerne angeschaut, allerdings lieber in einem verruchten Table-Dance-Club in Berlin.
Keine Lust auf Frankfurt?
Doch, ich mag Frankfurt total gerne. Ich weiß, das klingt doof: So viele Leute behaupten das immer in solchen Interviews. Stimmt aber wirklich. Ich war dieses Jahr ja schon für eine Lesung in Frankfurt, ein schöner Auftritt. Zwei Orte mag ich besonders: einmal das Café Karin und zur späteren Stunde die Bar Plank.
Ihre Heimat, die Kleinstadt Papenburg wird in Ihrem Buch ja als ziemlich verschlafen beschrieben ...
Als Kind denkt man über so etwas ja nie nach, da habe ich mich eigentlich relativ okay gefühlt in Papenburg. Aber natürlich liebe ich große Städte, weshalb ich inzwischen auch in Berlin lebe. Als Jugendlicher will man vielleicht eher mal weg. Ich weiß noch als ich mal in München war und die hatten da natürlich einen WOM mit allen Platten, die man sich nur vorstellen konnte. In Papenburg gab es schon auch einen Plattenladen, aber die hatten halt nur Dire Straits, Bon Jovi und die Rolling Stones. Wenn man da nach Blumfeld oder so gefragt hat, wurde einem mit:“Wen solln wir hier ham?“ geantwortet.
In Ihrem Buch erzählen Sie, dass Ihre Familie die einzige jüdische Famillie der ganzen Stadt war. Denken Sie, dass es den „jüdischen Komiker“ Oliver Polak überhaupt geben würde, wenn er in Frankfurt aufgewachsen wäre?
Diese „was wäre wenn“ Frage kann ich nicht beantworten und eigentlich sehe ich mich auch nicht als jüdischen Komiker. Wobei sich gerade in Deutschland viele Komiker auf ihre Herkunft beziehen. Otto oder Hape Kerkeling kommen alle nicht gerade aus Metropolen. In gewisser Weise ist eine Kleinstadt also schon Motor und die meiner Komik.
Was stört sie an der Einordnung „jüdischer Komiker“?
Was heißt stören? Ich bin nun mal Jude und da das ein Teil meiner Identität ist, rede ich auch darüber. Das Buch heißt zwar „Ich darf das, ich bin Jude“, weil ich den Titel total witzig fand, aber es geht eigentlich gar nicht so sehr um Juden an sich, sondern vor allem um mich selbst. Ich wollte kein Buch über Juden in Deutschland schreiben, sondern über mein Leben, meine Erfahrungen und meine Komik.
Welche Rolle spielt die Religion in Ihrem Leben?
Ich bin jüdisch aufgewachsen. Ein Beispiel: Da wir die einzigen Juden in Papenburg waren, sind meine Eltern mit mir jede Woche den ganzen Weg nach Osnabrück zur Synagoge mit dem Auto gefahren. Diese Basis habe ich mitbekommen und die wirkt sich natürlich auch auf mein Leben aus, egal welche Rolle Religion ganz konkret in meinem Leben spielt.
Was dürfen wir in Frankfurt erwarten?
Mein Programm besteht zur einen Hälfte aus einer Lesung und zur anderen aus Stand-up, Musik und anderen Überraschungen. Wer mich dieses Jahr schonmal gesehen hat, wird vielleicht interessieren, dass ich den ein oder anderen neuen Song und dergleichen im Gepäck habe, den ich für meinekommende DVD geschrieben habe. Und ansonsten… Ah, da fällt mir noch eine witzige Geschichte ein.
Legen Sie los!
Ich habe ja diesen Gag mit Michel Friedman, wo ich auf die Bühne komme, mich als Jude vorstelle und den Leuten dann einen Deal vorschlage: "Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust - und Sie verzeihen uns Michel Friedman." Und vor kurzem - ich spiele ja nicht nur auf jüdischen Kulturtagen, sondern auch gerne mal auf dem Kirchentag – gab es beim evangelischen Kirchentag eine Veranstaltung zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit, wo auch Dieter Graumann, der aktuelle Präsident des Zentralrats der Juden im Publikum saß. In meinem Buch gibt es ja ein nicht ganz unkritisches Kapitel zum Zentralrat der Juden. Nachher kam Graumann aber zu mir und sagte „Toll, toll“, er sei ein Riesenfan und so weiter. Aber dann meinte er: „Herr Polak, ich habe nur eine Bitte: Wenn sie das nächste Mal bei uns in Frankfurt spielen, dann lassen sie doch bitte den Friedman-Gag weg!“
Herr Friedman ist ja ein oft gesehener Gast bei den Kulturwochen...
Tja, ich bin ich schon ins Grübeln geraten, ob ich Friedman in Frankfurt rauslasse oder nicht. Wer’s wissen will, soll am Dienstag einfach vorbeikommen.
>> Oliver Polak
Museum Judengasse, Kurt-Schumacher-Straße 10, 13.9., 20 Uhr, Eintritt: 8 Euro (ermäßigt: 6 Euro). Infos unter Telefon 069 768036122 oder unter www.juedischekulturwochen2011-frankfurt.de
Oliver Polak: Das Nightwash-Publikum ist unpolitisch und das Jüdische-Kulturtage-Publikum ist politisch? Gewagte These! Vielleicht ist es ja auch umgekehrt. Darüber denke ich nicht nach. Ich mache eben mein Ding. Und Leute, die zu meinem Shows kommen, wissen oft, was ich mache. Bisher habe ich bei solchen Veranstaltungen gute Erfahrungen gemacht. Bei den jüdischen Kulturtagen in Berlin durfte ich zum Beispiel mit Georg Kreisler auf die Bühne. Ein großer jüdischer Satiriker und Kabarettist. Das war für mich eine sehr interessante Begegnung.
Nehmen wir mal an, Sie wären dort nicht als Künstler gebucht. Würden Sie privat eine jüdische Kulturwoche besuchen?
Da ich selbst Jude bin, sind bestimmte Dinge, die bei solchen Veranstaltungen angeboten werden, wie zum Beispiel der Besuch einer Synagoge, Rabbinertalk oder ähnliches, natürlich nichts explizit besonderes für mich. Außerdem macht mich Klezmermusik immer so depressiv. In Frankfurt ist ja eben erst Sharon Brauner mit ihrer Band während der jüdischen Kulturwochen aufgetreten. Die ist eine tolle Sängerin, die hätte ich mir gerne angeschaut, allerdings lieber in einem verruchten Table-Dance-Club in Berlin.
Keine Lust auf Frankfurt?
Doch, ich mag Frankfurt total gerne. Ich weiß, das klingt doof: So viele Leute behaupten das immer in solchen Interviews. Stimmt aber wirklich. Ich war dieses Jahr ja schon für eine Lesung in Frankfurt, ein schöner Auftritt. Zwei Orte mag ich besonders: einmal das Café Karin und zur späteren Stunde die Bar Plank.
Ihre Heimat, die Kleinstadt Papenburg wird in Ihrem Buch ja als ziemlich verschlafen beschrieben ...
Als Kind denkt man über so etwas ja nie nach, da habe ich mich eigentlich relativ okay gefühlt in Papenburg. Aber natürlich liebe ich große Städte, weshalb ich inzwischen auch in Berlin lebe. Als Jugendlicher will man vielleicht eher mal weg. Ich weiß noch als ich mal in München war und die hatten da natürlich einen WOM mit allen Platten, die man sich nur vorstellen konnte. In Papenburg gab es schon auch einen Plattenladen, aber die hatten halt nur Dire Straits, Bon Jovi und die Rolling Stones. Wenn man da nach Blumfeld oder so gefragt hat, wurde einem mit:“Wen solln wir hier ham?“ geantwortet.
In Ihrem Buch erzählen Sie, dass Ihre Familie die einzige jüdische Famillie der ganzen Stadt war. Denken Sie, dass es den „jüdischen Komiker“ Oliver Polak überhaupt geben würde, wenn er in Frankfurt aufgewachsen wäre?
Diese „was wäre wenn“ Frage kann ich nicht beantworten und eigentlich sehe ich mich auch nicht als jüdischen Komiker. Wobei sich gerade in Deutschland viele Komiker auf ihre Herkunft beziehen. Otto oder Hape Kerkeling kommen alle nicht gerade aus Metropolen. In gewisser Weise ist eine Kleinstadt also schon Motor und die meiner Komik.
Was stört sie an der Einordnung „jüdischer Komiker“?
Was heißt stören? Ich bin nun mal Jude und da das ein Teil meiner Identität ist, rede ich auch darüber. Das Buch heißt zwar „Ich darf das, ich bin Jude“, weil ich den Titel total witzig fand, aber es geht eigentlich gar nicht so sehr um Juden an sich, sondern vor allem um mich selbst. Ich wollte kein Buch über Juden in Deutschland schreiben, sondern über mein Leben, meine Erfahrungen und meine Komik.
Welche Rolle spielt die Religion in Ihrem Leben?
Ich bin jüdisch aufgewachsen. Ein Beispiel: Da wir die einzigen Juden in Papenburg waren, sind meine Eltern mit mir jede Woche den ganzen Weg nach Osnabrück zur Synagoge mit dem Auto gefahren. Diese Basis habe ich mitbekommen und die wirkt sich natürlich auch auf mein Leben aus, egal welche Rolle Religion ganz konkret in meinem Leben spielt.
Was dürfen wir in Frankfurt erwarten?
Mein Programm besteht zur einen Hälfte aus einer Lesung und zur anderen aus Stand-up, Musik und anderen Überraschungen. Wer mich dieses Jahr schonmal gesehen hat, wird vielleicht interessieren, dass ich den ein oder anderen neuen Song und dergleichen im Gepäck habe, den ich für meinekommende DVD geschrieben habe. Und ansonsten… Ah, da fällt mir noch eine witzige Geschichte ein.
Legen Sie los!
Ich habe ja diesen Gag mit Michel Friedman, wo ich auf die Bühne komme, mich als Jude vorstelle und den Leuten dann einen Deal vorschlage: "Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust - und Sie verzeihen uns Michel Friedman." Und vor kurzem - ich spiele ja nicht nur auf jüdischen Kulturtagen, sondern auch gerne mal auf dem Kirchentag – gab es beim evangelischen Kirchentag eine Veranstaltung zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit, wo auch Dieter Graumann, der aktuelle Präsident des Zentralrats der Juden im Publikum saß. In meinem Buch gibt es ja ein nicht ganz unkritisches Kapitel zum Zentralrat der Juden. Nachher kam Graumann aber zu mir und sagte „Toll, toll“, er sei ein Riesenfan und so weiter. Aber dann meinte er: „Herr Polak, ich habe nur eine Bitte: Wenn sie das nächste Mal bei uns in Frankfurt spielen, dann lassen sie doch bitte den Friedman-Gag weg!“
Herr Friedman ist ja ein oft gesehener Gast bei den Kulturwochen...
Tja, ich bin ich schon ins Grübeln geraten, ob ich Friedman in Frankfurt rauslasse oder nicht. Wer’s wissen will, soll am Dienstag einfach vorbeikommen.
>> Oliver Polak
Museum Judengasse, Kurt-Schumacher-Straße 10, 13.9., 20 Uhr, Eintritt: 8 Euro (ermäßigt: 6 Euro). Infos unter Telefon 069 768036122 oder unter www.juedischekulturwochen2011-frankfurt.de
12. September 2011, 10.35 Uhr
Interview: Timo Geißel
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23. November 2024
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