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Ist Alt-Sachsenhausen noch zu retten?



Am Dienstag fand unsere Podiumsdiskussion „Wie geht’s mit Alt-Sachsenhausen weiter“ statt. Großer Andrang herrschte im „Lorsbacher Thal“. Über hundert Zuhörer hatten sich im Herzen des Viertels eingefunden.



Das einstige Prachtstück von Frankfurt ist heruntergekommen. Tagsüber offenbart sich ein erschreckendes Bild: Leergefegte Gassen, verwahrloste Gebäude, Sperrmüll auf der Straße. Und abends herrscht Ballermann-Flair: Volltrunkene Jugendliche, Schlägereien, Messerstechereien. Doch was hat sich bereits getan und wie soll es weitergehen? Darüber wurde heftig diskutiert.


Jochem Heumann (CDU), Marie-Theres Deutsch (Architektin), Nils Bremer (Journal Frankfurt), Kilian Bumiller (Investor)

Auf dem Podium saßen der CDU-Politiker Jochem Heumann, die Architektin Marie-Theres Deutsch und der Investor Kilian Bumiller. Deutsch hat vor kurzem eine Baulücke (Paradiesgasse 13) in Alt-Sachsenhausen gekauft, um dort ihr Traumhaus zu realisieren. Bumiller hat gerade das dritte Objekt dort erworben (Kleine Rittergasse 13 und 19-21) und Vermieter der amerikanischen Erlebnisgastronomie Hooters in der Kleinen Rittergasse 4-8.

Und hier nun die besten Statements:

Heumann: „Alt-Sachsenhausen ist besser als sein Ruf. Dennoch muss mehr Kultur geboten werden, um auch älteres Publikum anzulocken. Was nicht heißen soll, dass wir die Jugendlichen vertreiben wollen. Die Stadt will den Paradieshof kaufen. Ein echtes Highlight soll dort hinein – die Fliegende Volksbühne von Michael Quast.“

Die Rettung, Herr Bumiller?

Bumiller: „Eine kulturelle Nutzung ist der letzte Baustein, damit das Viertel jeder bemerkt. Und der Paradieshof könnte die Lösung sein.“
Er beklagt vor allem die Verschlossenheit des Viertels: „Ich bin zu Alt-Sachsenhausen gekommen wir die Jungfrau zum Kind. Denn das Viertel ist so verschlossen, dass ich es jahrelang suchte.“

Deutsch fragt sich: „Warum lässt man dieses mittelalterliche Städtchen verfallen, wenn man 400 Meter weiter eine künstliche Altstadt errichtet? Das Viertel würde sich hervorragend als eine Art ‚Kulturmeile’ eignen. Und als Erweiterung der Kulturmeile wäre ein Apfelwein-Museum perfekt. Dafür sucht die Stadt seit Jahren eine passende Immobilie. Die Kleine Rittergasse 19-21 von Herr Bumiller würde sich gut dafür eignen.“

Ist da etwa eine neue Idee geboren? Aber Bumiller weiß noch nicht, wer in dieses Gebäude zieht.

Ein Anwohner des Viertels ergriff das Wort:
„Ich lebe seit 40 Jahren hier und verfolge den Untergang schon seit zwanzig Jahren. Es wird zwar einiges gemacht, aber hinterher fehlt es an Kontrolle. Da wird die Rittergasse neu gepflastert und ein paar Monate später sind die Steine schon wieder kaputt. Aber niemanden interessiert es. Und die Frauen können sich in ihren Schuhen die Füße brechen. Außerdem stehen vor manchen Kneipen scheußliche Möbel rum, die wie Sperrmüll aussehen. Mit Kontrollen könnte man in drei, vier Jahren ein tolles Viertel haben.“

Heumann: „Ich bin keine Frau und muss zum Glück keine Stöckelschuhe tragen. Aber bei Mängeln müssen Sie einfach beim Straßenbauamt anrufen. Die regeln das.“

Der Anwohner: „Da geht eh nie jemand dran.“

Ein Gastronom beschwert sich, dass die Mehrheit der Leute, die das Viertel noch betreten, schon betrunken kommen, einen Migrationshintergrund haben und weder Stadt noch Polizei etwas machen.

Heumann: „50 Prozent der Frankfurter Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Die Kriminalitätsstatistik verrät, dass deutsche und ausländische Straftaten in etwa identisch sind.“

Heidrun Frank („Hoppla“): „Alt-Sachsenhausen ist ein wunderschönes Pflaster. Aber seitdem die Geschäfte bis 24 Uhr geöffnet haben, bringen die Jugendlichen ihre eigenen Getränke mit und sind dementsprechend alkoholisiert. Und wir Wirte kriegen immer die Schuld. Fünf bis 20 Flaschen harten Alkohol, die nicht von mir stammen, hole ich jeden Abend aus meinem Lokal raus. Trotzdem sollte man mit den Jugendlichen arbeiten und nicht gegen sie. Ich kann ja kein Führungszeugnis von ihnen verlangen. Die Polizei müsste einfach verstärkt kontrollieren. Aber die hocken lieber im Auto und guckt zu, wie auch die Minderjährigen saufen.“

Herr Bumiller, soll die Polizei mehr kontrollieren? Wäre das die Rettung?

Bumiller: „Ich finde es eine ganz abenteuerliche Vorstellung, dass man ein Viertel nur durch die Polizei retten kann. Das ist keine Lösung.“

Günter Possmann: „Früher hatte Alt-Sachsenhausen einen guten Ruf als Apfelwein-Viertel und die Frauen konnten noch alleine hierher zum Shoppen gehen. Aber die Öffnung der Konzessionen hat alles zerstört. Es ist ein x-beliebiges Viertel geworden. Wir müssen versuchen, die Besonderheiten herausstellen – die Frankfurter Spezialitäten wie Handkäs. Die ganzen Hochhäuser haben viel Kälte geschaffen und Alt-Sachsenhausen ist in Vergessenheit geraten. Aber der Kampf um Verbesserung, der noch Jahrzehnte dauern wird, ist auch die Chance.“

Weitere Stimmen:
FAZ vom 23. März 2010: Neue Chancen für Alt-Sachsenhausen (Vorankündigung der Podiumsdiskussion)
Bild vom 24. März 2010: Diskussion um Alt-Sachsenhausen (Nachbericht)
FNP vom 25. März 2010, Seite 19: Kleinod oder Krawall-Viertel – Während Gastwirte mehr Polizei fordern, sehen Architekten viel Potenzial in Alt-Sachsenhausen (Nachbericht)
Vendens World: Ist Alt-Sachsenhausen noch zu retten? (Nachbericht)

Fotos: Harald Schröder
 
Fotogalerie:
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25. März 2010, 11.00 Uhr
Julia Lorenz
 
 
 
 
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