Eine Ausstellung im Goethe-Haus widmet sich Hugo von Hofmannsthal und dem Ersten Weltkrieg. Dabei wird ein ambiges Verhältnis des Dichters zum Krieg deutlich: Der Patriot wird zum Visionär für ein neues Europa.
Lukas Gedziorowski /
Hugo von Hofmannsthal hatte es nicht so mit dem Kriegsdienst. Liest man in dem Diarium des 21-jährigen Wehrdienstleisters aus dem Jahr 1895, findet man die Wörter „Depression“, „verstimmt“, „sehr große Depression“. Der „Einjährig-Freiwillige“ schreibt: „Alles todt ich mir selber so nichts, so unheimlich. Alles Leben von mir gefallen. Sonntag früh noch sehr schlechte Gedanken“. Als Reservist musste er fünf Mal zu 28-tägigen Waffenübungen, was den jungen Schriftsteller von der eigentlichen Arbeit abhielt. Im Jahr 1905, als er die Gefahr eines deutsch-englischen Krieges fürchtete, erlöste er sich von seinen Qualen, indem er aus der Armee austrat.
Als neun Jahre später der Erste Weltkrieg ausbrach, ließ sich auch Hofmannsthal von der deutschnationalen Euphorie anstecken, doch für die Front ging der Patriotismus nicht weit genug. Der Autor arbeitete bis Mai 1915 in der Presseabteilung des Kriegsfürsorgeamts, das Spendenkampagnen für Soldaten, Invaliden, Witwen und Waisen organisierte. Sein Verhältnis zum Krieg blieb ein ambiges.
Eine Ausstellung im Goethe-Haus widmet sich nun „Hugo von Hofmannsthal im Ersten Weltkrieg“. In 14 Vitrinen werden 14 verschiedene Themen dargestellt: Die Anfänge des Dichters beim Militär und seine Verarbeitung der Zeit in der „Soldaten-“ sowie in der „Reitergeschichte“, sein politisches und dichterisches Schaffen während des Krieges. Statt Exponaten wie Helmen, Uniformen oder gar Schusswaffen, findet man lediglich Texte und Bilder vor: Manuskripte, Typoskripte, Drucke, Fotos und Gemälde. Gerahmt ist die Ausstellung von einer Tapete, auf der eine Skizze zu Hofmannsthals Wiener Wohnung in Originalgröße abgebildet ist.
Viele Exponate stammen aus dem großen Hofmannsthal-Nachlass, der im Archiv des Freien Deutschen Hochstifts liegt. In dem Haus wird seit 40 Jahren die Kritische Hofmannsthal-Ausgabe erarbeitet. 38 Bände liegen bereits vor, 42 sollen es einmal werden.
Besucher sind angehalten, sich durch die Ausstellung zu lesen. Ein Begleitheft, das ausliegt, soll dabei helfen, die ausgestellten Manuskripte zu lesen und in ihrem Kontext zu verstehen. Ein wichtiger Text ist Hofmannsthals einziges Kriegsgedicht "Die österreichische Antwort", auf das der Ausstellungstitel ("Österreichs Antwort") Bezug nimmt. Darin wird infrage gestellt, ob sich über das Thema Krieg überhaupt dichten lässt:
Helden sind wie Kinder schlicht, Kinder werden Helden, Worte nicht und kein Gedicht Können's je vermelden.
Diese Einsicht hinderte Hofmannsthal nicht daran, sich mehrmals zum Kriegsgeschehen zu äußern. Oft wurde ihm Propaganda vorgeworfen. Dabei spricht nicht nur der Patriot, sondern auch jemand, der in dem Krieg eine Chance für einen Neubeginn im Frieden sieht: "Der österreichische Staatsgedanke wird zur Basis für ein friedliches Zusammenleben der deutschen Völker", sagt Kuratorin Katja Kaluga. Dabei habe Hofmannsthal ein "Modell für das zukünftige Europa" entworfen.
Doch Hofmannsthal sollte den Krieg später kritisch beurteilen: Am 8. Dezember 1923 schrieb er in einem Brief an Ottonie Gräfin Degenfeld: „Mit Grausen sehe ich (…), daß die ganze Schuld am eigentlichen Ausbruch bei uns liegt, Berlin u. Wien – und alles grausige Zerfahrenheit, Dummheit, Nicht-durchdenken – ein Handeln wie nur mit halbem Bewußtsein – man muß sich in diesen Gedanken retten: daß – je größer die Katastrophe, umso weniger sich das Schicksal mit ihrer Motivierung abgibt.“
>>> Österreichs Antwort. Hugo von Hofmannsthal im Erste Weltkrieg, ist bis zum 3. Juni im Goethe-Haus, Großer Hirschgraben 23-25, zu sehen. Die nächsten öffentlichen Führungen finden am 13., 24. und 27. April statt.