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House of Cards – die Eschborn-Edition XIV
Ein schlechter Film aus Eschborn
Unsere geliebte Schwesterstadt im Main-Taunus-Kreis muss sparen – und streicht die Kulturförderung für Frankfurt. Ein Museum trifft es besonders hart: Es muss auf bereits zugesagtes Geld verzichten.
Claudia Dillmann ist eine höfliche Frau. Deswegen hebt sie auch erst einmal hervor, was das Filmmuseum denn alles für Eschborn getan habe. Mitarbeiter lehrten in den Schulen der kleinen Stadt am Westerbach die Kinder, ein Fest für Eschborner Familien wurde gegeben und dergleichen mehr. Dass die Eschborner ohnehin gerne ins Filmmuseum und all die anderen Kultureinrichtungen Frankfurts gehen, dürfen wir einfach mal annehmen.
Nun aber sagt ein Sprecher der Stadt Eschborn: „Wir müssen schauen, dass wir zunächst die Belastungen für die Bürger unserer Stadt durch das Sparpaket gering halten.“
In der Tat ist der Reichtum Eschborns nur noch ein vermeintlicher. Es klafft ein Millionenloch im öffentlichen Haushalt – gerissen hat es, so sagen die Stadtoberen, der Kommunale Finanzausgleich; vereinfacht gesagt ist das ein Soli für klamme Kommunen. Die Landesregierung hat ihn neu geordnet und während in Gemeinden wie Offenbach der Aldi-Sekt aufgeploppt wurde, drohte Frankfurt gar mit einer Klage, um das Regelwerk vom Tisch zu fegen. Wer nämlich viel einnimmt, bekommt weniger Geld vom Land. Im Falle Eschborns sind es 23 Millionen Euro.
Um das Minus wenigstens etwas auszugleichen wurde selbst zum härtesten Mittel gegriffen: Der Hebesatz der Gewerbesteuer wurde angehoben. Dennoch fehlten zehn Millionen Euro zum ausgeglichenen Haushalt, heißt es von Seiten der Stadt. Die niedrige Gewerbesteuer war für viele Großunternehmen ein Argument, sich in Eschborn anzusiedeln. Niedrige Steuern und zugleich die Vorzüge einer Großstadt wie Frankfurt genießen? Dass diese Rechnung aufgeht, lässt sich auch mit einem abgebrochenen BWL-Studium lösen – wenn man mal den Faktor außer Acht lässt, dass die Mitarbeiter dann eben in der Mittagspause nicht in der Margarete oder dem Holbein’s dinieren, sondern sich in einem schmucklosen Gewerbegebiet an einem dieser abgehalfterten Foodtrucks mit den blöden Hup-Melodien die Beine in den Bauch stehen.
Nun ist die Gewerbesteuer also höher; mal sehen wie die Deutsche Börse, wie Ernst&Young oder Vodafone damit umgehen. Was hingegen auf Null gesunken ist, ist die Kulturförderung für Frankfurt. In den Jahren 2012 und 2013 wurden jeweils 250.000 Euro dafür ausgegeben, 2014 waren es dann 300.000 Euro. Zuvor zeigte sich die Stadt sogar noch spendabler, machte Millionen locker, etwa für den Neubau des Städelmuseums. Ebenjenes Jahr 2009 markiert auch den Anfang des jährlichen Geldregens. 300.000 Euro hätten es dieses Jahr theoretisch auch sein sollen. Alte Oper, English Theatre, Oper Frankfurt und Filmmuseum hätten sich die Summe geteilt, die Stadt hatte es im vergangenen Jahr so beschlossen. Sie merken schon: Sehr viel "hätte". Beim Filmmuseum sollte noch der Magistrat das Geld freigeben. Eine Formsache könnte man meinen, die sich aber hinzog und hinzog und hinzog. Bis es aus Eschborn hieß: Tut uns leid! „Das habe ich“, sagt die Direktorin des Filmmuseums dazu, „so noch nicht erlebt.“ Dazu muss man wissen, dass Claudia Dillmann nicht erst seit gestern im Geschäft ist.
Das ist auch der Grund, warum sie sich sogleich auf die Suche nach Einsparungsmöglichkeiten machte und nach neuen Geldgebern. Dennoch muss das Filmmuseum nun mit einem Verlust von 70.000 Euro ins nächste Jahr gehen. "Bereits bewilligtes Geld nicht zu bekommen, stellt uns vor nicht unerhebliche Probleme." Claudia Dillmann hofft, den Fehlbetrag im kommenden Jahr ausgleichen zu können – auch mit Unterstützung des neu gegründeten Kuratoriums "Filmbildung - jetzt!".
Der Gesamtetat des Filmmuseums liegt bei 2,6 Millionen Euro. Fällt da das Geld aus Eschborn überhaupt ins Gewicht? "Ja – denn wir haben es direkt in die Programmarbeit gesteckt, etwa die Vermittlung oder das Kinderfilmfestival Lucas", sagt Claudia Dillmann. Das Haus hat, wie fast alle Frankfurter Museen, nach Abzug der Kosten für Personal, Energie und Instandhaltung nur recht wenig für die eigentliche kuratorische Arbeit übrig.
Auch das English Theatre steckte die 100.000 Euro vollständig in die künstlerische Arbeit – es machte ein Fünftel der öffentlichen Förderung aus. "Das Geld sieht man in der Qualität unseres Programms", sagt Intendant Daniel Nicolai, selbst übrigens ein Eschborner Bub. Kann das Theater die Kürzung auffangen? Da hält es Herr Nicolai mit dem schönen Ausruf "Yes we can!" Sagt aber dazu, dass es nicht einfach sei und die recht kurzfristige Streichung ein Schock. "Wir sind aber nicht böse – sondern mit Blick auf die großzügige Unterstützung der Stadt Eschborn in den vergangenen Jahren sehr dankbar." Einfach einsparen ließe sich an einem vergleichsweise kleinen Haus wie dem English Theatre ein solcher Betrag nicht. "Wir haben gewiss kein Geld zuviel."
Bei der Alten Oper lag der Etat im vergangenen Jahr bei 19 Millionen Euro – doch auch dort schlagen sich die nun gestrichenen 50.000 Euro nieder. Sie flossen in diesem Jahr ins Kinder- und Jugendprogramm Pegasus, vordem war die Förderung doppelt so hoch und kam den Jazznights zugute. "Eschborn war ein wichtiger Partner", sagt Intendant Stephan Pauly im Gespräch. Und auch von ihm kommt der Satz, dass man dankbar zurückschaue. Zugleich sei man stets um neue Sponsoren bemüht: "Wir werden versuchen, das auszugleichen."
Auch bei der Oper Frankfurt wurden 50.000 Euro im Kinder- und Jugendprogramm gestrichen. Schließlich bleibt noch das Radrennen rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt, das einst aus dem Henniger-Turm-Rennen hervorging. Hier plant Eschborn im kommenden Jahr die Förderung um 130.000 auf 200.000 Euro zu senken.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Frankfurter Römer findet denn auch deutliche Worte für den Kommunalen Finanzausgleich. Der sei "in doppelter Hinsicht frankfurtfeindlich" – einerseits weil nun Eschborn die "äußerst kurzsichtige Entscheidung" bezüglich der Frankfurter Kultur getroffen habe und andererseits weil Frankfurt selbst ebenfalls weniger Geld zur Verfügung hat.
Zwei Ideen zum Schluss: Vielleicht sollten die beteiligten Politiker mal bei einer anderen Nachbarkommune um Kultursponsoring werben. Die Stadt bekommt, wie 80 Prozent der hessischen Kommunen, durch den Finanzausgleich mehr Geld – genau gesagt: 18.787.741 Euro.
Oder – und das erscheint uns noch ungleich logischer – die Stadt Eschborn sollte ihre Gerichtsverfahren, über die wir in dieser Serie sonst so berichtet haben, einsparen. Zwar hätten wir, sollte der ungeheure Zwist, den die Wahl von Bürgermeister Mathias Geiger an die Oberfläche gespült hat, den Westerbach heruntergehen, nicht mehr so viel zu berichten. Aber dafür die Kultur eine Sorge weniger. Nur mal so, als höflicher Vorschlag zur Güte.
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Nun aber sagt ein Sprecher der Stadt Eschborn: „Wir müssen schauen, dass wir zunächst die Belastungen für die Bürger unserer Stadt durch das Sparpaket gering halten.“
In der Tat ist der Reichtum Eschborns nur noch ein vermeintlicher. Es klafft ein Millionenloch im öffentlichen Haushalt – gerissen hat es, so sagen die Stadtoberen, der Kommunale Finanzausgleich; vereinfacht gesagt ist das ein Soli für klamme Kommunen. Die Landesregierung hat ihn neu geordnet und während in Gemeinden wie Offenbach der Aldi-Sekt aufgeploppt wurde, drohte Frankfurt gar mit einer Klage, um das Regelwerk vom Tisch zu fegen. Wer nämlich viel einnimmt, bekommt weniger Geld vom Land. Im Falle Eschborns sind es 23 Millionen Euro.
Um das Minus wenigstens etwas auszugleichen wurde selbst zum härtesten Mittel gegriffen: Der Hebesatz der Gewerbesteuer wurde angehoben. Dennoch fehlten zehn Millionen Euro zum ausgeglichenen Haushalt, heißt es von Seiten der Stadt. Die niedrige Gewerbesteuer war für viele Großunternehmen ein Argument, sich in Eschborn anzusiedeln. Niedrige Steuern und zugleich die Vorzüge einer Großstadt wie Frankfurt genießen? Dass diese Rechnung aufgeht, lässt sich auch mit einem abgebrochenen BWL-Studium lösen – wenn man mal den Faktor außer Acht lässt, dass die Mitarbeiter dann eben in der Mittagspause nicht in der Margarete oder dem Holbein’s dinieren, sondern sich in einem schmucklosen Gewerbegebiet an einem dieser abgehalfterten Foodtrucks mit den blöden Hup-Melodien die Beine in den Bauch stehen.
Nun ist die Gewerbesteuer also höher; mal sehen wie die Deutsche Börse, wie Ernst&Young oder Vodafone damit umgehen. Was hingegen auf Null gesunken ist, ist die Kulturförderung für Frankfurt. In den Jahren 2012 und 2013 wurden jeweils 250.000 Euro dafür ausgegeben, 2014 waren es dann 300.000 Euro. Zuvor zeigte sich die Stadt sogar noch spendabler, machte Millionen locker, etwa für den Neubau des Städelmuseums. Ebenjenes Jahr 2009 markiert auch den Anfang des jährlichen Geldregens. 300.000 Euro hätten es dieses Jahr theoretisch auch sein sollen. Alte Oper, English Theatre, Oper Frankfurt und Filmmuseum hätten sich die Summe geteilt, die Stadt hatte es im vergangenen Jahr so beschlossen. Sie merken schon: Sehr viel "hätte". Beim Filmmuseum sollte noch der Magistrat das Geld freigeben. Eine Formsache könnte man meinen, die sich aber hinzog und hinzog und hinzog. Bis es aus Eschborn hieß: Tut uns leid! „Das habe ich“, sagt die Direktorin des Filmmuseums dazu, „so noch nicht erlebt.“ Dazu muss man wissen, dass Claudia Dillmann nicht erst seit gestern im Geschäft ist.
Das ist auch der Grund, warum sie sich sogleich auf die Suche nach Einsparungsmöglichkeiten machte und nach neuen Geldgebern. Dennoch muss das Filmmuseum nun mit einem Verlust von 70.000 Euro ins nächste Jahr gehen. "Bereits bewilligtes Geld nicht zu bekommen, stellt uns vor nicht unerhebliche Probleme." Claudia Dillmann hofft, den Fehlbetrag im kommenden Jahr ausgleichen zu können – auch mit Unterstützung des neu gegründeten Kuratoriums "Filmbildung - jetzt!".
Der Gesamtetat des Filmmuseums liegt bei 2,6 Millionen Euro. Fällt da das Geld aus Eschborn überhaupt ins Gewicht? "Ja – denn wir haben es direkt in die Programmarbeit gesteckt, etwa die Vermittlung oder das Kinderfilmfestival Lucas", sagt Claudia Dillmann. Das Haus hat, wie fast alle Frankfurter Museen, nach Abzug der Kosten für Personal, Energie und Instandhaltung nur recht wenig für die eigentliche kuratorische Arbeit übrig.
Auch das English Theatre steckte die 100.000 Euro vollständig in die künstlerische Arbeit – es machte ein Fünftel der öffentlichen Förderung aus. "Das Geld sieht man in der Qualität unseres Programms", sagt Intendant Daniel Nicolai, selbst übrigens ein Eschborner Bub. Kann das Theater die Kürzung auffangen? Da hält es Herr Nicolai mit dem schönen Ausruf "Yes we can!" Sagt aber dazu, dass es nicht einfach sei und die recht kurzfristige Streichung ein Schock. "Wir sind aber nicht böse – sondern mit Blick auf die großzügige Unterstützung der Stadt Eschborn in den vergangenen Jahren sehr dankbar." Einfach einsparen ließe sich an einem vergleichsweise kleinen Haus wie dem English Theatre ein solcher Betrag nicht. "Wir haben gewiss kein Geld zuviel."
Bei der Alten Oper lag der Etat im vergangenen Jahr bei 19 Millionen Euro – doch auch dort schlagen sich die nun gestrichenen 50.000 Euro nieder. Sie flossen in diesem Jahr ins Kinder- und Jugendprogramm Pegasus, vordem war die Förderung doppelt so hoch und kam den Jazznights zugute. "Eschborn war ein wichtiger Partner", sagt Intendant Stephan Pauly im Gespräch. Und auch von ihm kommt der Satz, dass man dankbar zurückschaue. Zugleich sei man stets um neue Sponsoren bemüht: "Wir werden versuchen, das auszugleichen."
Auch bei der Oper Frankfurt wurden 50.000 Euro im Kinder- und Jugendprogramm gestrichen. Schließlich bleibt noch das Radrennen rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt, das einst aus dem Henniger-Turm-Rennen hervorging. Hier plant Eschborn im kommenden Jahr die Förderung um 130.000 auf 200.000 Euro zu senken.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Frankfurter Römer findet denn auch deutliche Worte für den Kommunalen Finanzausgleich. Der sei "in doppelter Hinsicht frankfurtfeindlich" – einerseits weil nun Eschborn die "äußerst kurzsichtige Entscheidung" bezüglich der Frankfurter Kultur getroffen habe und andererseits weil Frankfurt selbst ebenfalls weniger Geld zur Verfügung hat.
Zwei Ideen zum Schluss: Vielleicht sollten die beteiligten Politiker mal bei einer anderen Nachbarkommune um Kultursponsoring werben. Die Stadt bekommt, wie 80 Prozent der hessischen Kommunen, durch den Finanzausgleich mehr Geld – genau gesagt: 18.787.741 Euro.
Oder – und das erscheint uns noch ungleich logischer – die Stadt Eschborn sollte ihre Gerichtsverfahren, über die wir in dieser Serie sonst so berichtet haben, einsparen. Zwar hätten wir, sollte der ungeheure Zwist, den die Wahl von Bürgermeister Mathias Geiger an die Oberfläche gespült hat, den Westerbach heruntergehen, nicht mehr so viel zu berichten. Aber dafür die Kultur eine Sorge weniger. Nur mal so, als höflicher Vorschlag zur Güte.
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17. Dezember 2015, 10.44 Uhr
Nils Bremer
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23. November 2024
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