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„Hohe Kultur, flache Debatten“
Kultur ist immer legitim
Wieviel Geld soll Frankfurt für die Kultur ausgeben? Seit im Kultur-Etat gespart werden soll, ist die Debatte wieder eröffnet. Eine Streitschrift von zwei Insidern der Kommunalpolitik bezieht eindeutig Position.
Wenigstens wird noch gestritten über die Kultur in Frankfurt. Das ist ein gutes Zeichen, denn das heißt: Es gibt einen Bezug zwischen Kunst, Politik und Lebenspraxis der Frankfurter. Der Sozialdemokrat Hilmar Hoffmann wollte „Kultur für alle“ und paukte in den 80er-Jahren das Museumsufer durch; der ebenfalls sozialdemokratische Oberbürgermeister Peter Feldmann sprach von Kultur als „Schmiermittel des Sozialen“, erntete dafür wahlweise Anfeindungen oder auch Spott, zeigt sich sonst aber nicht häufiger als unbedingt nötig auf Veranstaltungen, die im Verdacht des Kulturellen stehen. Und über alldem schwebt die eiserne Faust des Spardiktats, von dem sämtliche Kommunen und Städte betroffen sind. Und die allgemeine Sprachregelung lautet: Lieber ein renoviertes Schulklo als eine Museumsinvestition.
Warum eigentlich? Oder anders gesagt: „Warum duckt man sich verschämt weg, wenn der Erwerb einer Handschrift von Schlegel als weniger nachhaltig, weniger sozial oder für die Infrastruktur einer Stadt unbedeutender ausgewiesen wird als ein neuer Kita-Platz, ein Drogenbus oder eine behindertengerechte U-Bahnstation?“ Das ist eine der Fragen, die Bernd Messinger und Patricia Tratnik in ihrem soeben erschienenen Band „Hohe Kultur, flache Debatten“ aufwerfen. Und man darf davon ausgehen, dass die beiden wissen, wovon sie sprechen: Der Grüne Bernd Messinger war über Jahre hinweg Büroleiter von Oberbürgermeisterin Petra Roth (die auch das Vorwort zu dem Buch beigesteuert hat); die parteilose Patricia Tratnik gehörte ebenfalls zu Roths engstem Mitarbeiterstab und ist nun Büroleiterin und persönliche Referentin von Kulturdezernent Felix Semmelroth.
Zwei ausgewiesene Experten also, die mit einer gehörigen Portion (Selbst-)ironie, aber nicht ohne Schärfe einen Streifzug durch Machbarkeit und Wunschvorstellungen von Kulturpolitik unternehmen und von den Schneisen erzählen, die man sich immer wieder durch den Dschungel aus Parteien und Bürokratie zu schlagen hat. Der Auslöser für das Buch war nicht zuletzt die widerrufene Zusage der Zuschüsse für das Romantikmuseum, eine „Nacht- und Nebel-Aktion“ (Petra Roth), die aber wiederum auch etwas Gutes bewirkt hat, wie Patricia Tratnik betont, weil sie die Bürger aktiviert und gezeigt habe, „dass Kultur kampagnenfähig ist.“
Die Stoßrichtung des Buches ist eindeutig: Kultur muss sich nicht legitimieren. Kultur setzt sich mit dem auseinander, was die Menschen von jeher umtreibt. Trotzdem zeigt „Hohe Kultur, flache Debatten“ auf amüsante Weise auch, wie die Interessen von Kulturpolitik ganz pragmatisch erkämpft werden müssen. Und dass Politik selbstverständlich auch immer auf Kompromissen basiert. Wie das in einer Stadt funktionieren kann, zeigt das Streitgespräch zwischen Schauspielintendant Oliver Reese, der Goethehaus-Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken, Opernintendant Bernd Loebe und eben Petra Roth, das eines der Kapitel bildet.
Und es gibt Passagen, die geradezu satirisch erhellend sind, so die Beschreibungen kollektiven Parteiverhaltens vor dem Hintergrund der Koalitionen in Hessen und Frankfurt. Nur ein Zitat: „Verhandlungen mit der FDP gehen schnell, punktgenau und funktionell. Man hat es mit einem mittelständischen Selbstverständnis zu tun, das heißt, man versucht, den Partner während der Verhandlungen aufs Kreuz zu legen.“ So klingt das, wenn Witz, Erfahrung und scharfe Beobachtungsgabe sich verbinden.
Erschienen im Journal Frankfurt vom 25.2.2014. Hier abonnieren.
Warum eigentlich? Oder anders gesagt: „Warum duckt man sich verschämt weg, wenn der Erwerb einer Handschrift von Schlegel als weniger nachhaltig, weniger sozial oder für die Infrastruktur einer Stadt unbedeutender ausgewiesen wird als ein neuer Kita-Platz, ein Drogenbus oder eine behindertengerechte U-Bahnstation?“ Das ist eine der Fragen, die Bernd Messinger und Patricia Tratnik in ihrem soeben erschienenen Band „Hohe Kultur, flache Debatten“ aufwerfen. Und man darf davon ausgehen, dass die beiden wissen, wovon sie sprechen: Der Grüne Bernd Messinger war über Jahre hinweg Büroleiter von Oberbürgermeisterin Petra Roth (die auch das Vorwort zu dem Buch beigesteuert hat); die parteilose Patricia Tratnik gehörte ebenfalls zu Roths engstem Mitarbeiterstab und ist nun Büroleiterin und persönliche Referentin von Kulturdezernent Felix Semmelroth.
Zwei ausgewiesene Experten also, die mit einer gehörigen Portion (Selbst-)ironie, aber nicht ohne Schärfe einen Streifzug durch Machbarkeit und Wunschvorstellungen von Kulturpolitik unternehmen und von den Schneisen erzählen, die man sich immer wieder durch den Dschungel aus Parteien und Bürokratie zu schlagen hat. Der Auslöser für das Buch war nicht zuletzt die widerrufene Zusage der Zuschüsse für das Romantikmuseum, eine „Nacht- und Nebel-Aktion“ (Petra Roth), die aber wiederum auch etwas Gutes bewirkt hat, wie Patricia Tratnik betont, weil sie die Bürger aktiviert und gezeigt habe, „dass Kultur kampagnenfähig ist.“
Die Stoßrichtung des Buches ist eindeutig: Kultur muss sich nicht legitimieren. Kultur setzt sich mit dem auseinander, was die Menschen von jeher umtreibt. Trotzdem zeigt „Hohe Kultur, flache Debatten“ auf amüsante Weise auch, wie die Interessen von Kulturpolitik ganz pragmatisch erkämpft werden müssen. Und dass Politik selbstverständlich auch immer auf Kompromissen basiert. Wie das in einer Stadt funktionieren kann, zeigt das Streitgespräch zwischen Schauspielintendant Oliver Reese, der Goethehaus-Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken, Opernintendant Bernd Loebe und eben Petra Roth, das eines der Kapitel bildet.
Und es gibt Passagen, die geradezu satirisch erhellend sind, so die Beschreibungen kollektiven Parteiverhaltens vor dem Hintergrund der Koalitionen in Hessen und Frankfurt. Nur ein Zitat: „Verhandlungen mit der FDP gehen schnell, punktgenau und funktionell. Man hat es mit einem mittelständischen Selbstverständnis zu tun, das heißt, man versucht, den Partner während der Verhandlungen aufs Kreuz zu legen.“ So klingt das, wenn Witz, Erfahrung und scharfe Beobachtungsgabe sich verbinden.
Erschienen im Journal Frankfurt vom 25.2.2014. Hier abonnieren.
26. Februar 2014, 11.40 Uhr
Christoph Schröder
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