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Hinter dem Eisernen Vorhang
Man findet so viele Symbole, wenn man nur sucht. Da steht zum Beispiel heute Andrea Ypsilanti, Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl 2008, auf der Bühne der Oper Frankfurt und neben ihr sind ihre Genossinnen Nancy Faeser und Judith Pauly-Bender. Nur der eiserne Vorhang ist noch unten. Man sieht nur den Orchestergraben, dann die meterhohe Stahlwand. Oper, dieses Gefühl bekommt man hinter den Kulissen, ist so etwas wie Deutschland im Kleinformat und vor 1989. Übrigens fällt der Eiserne Vorhang nicht, er erhebt sich. Und gegenüber des ganzen industriellen Charmes von Seilzügen und Holzkonstruktionen und anderen Gebrauchsgegenständen zeitgenössischer Bühnenkunst liegt der Zuschauerraum, blau und golden und herrschaftlich.
Bernd Fülle, der Leiter der städtischen Bühnen und im Foto rechts, erklärt, warum die Frankfurter Oper mehr Geld kostet, als die kleinen Bühnen, die man so kennt. "Maßgeblichen Anteil an den Kosten eines Opernhauses hat der Architekt, der es entwirft. Wir haben hier die größte Bühne des Landes, allein die Drehbühne hat einen Durchmesser von 38 Metern. Das gibt es nicht so oft in der Welt. Doch es ist eben mit Kosten verbunden."
Die SPD-Abgeordneten nicken verständig. Sie vergewissern sich mehrmals, wie es dem Haus geht. Wirtschaftlich. Künstlerisch. Die kurze Antwort ist: es geht ihm gut. Schauspiel und Oper erfreuen sich steigender Beliebtheit (wie Elisabeth Schweeger, die Intendantin des Schauspiels, später noch betonen wird, sind die Zuschauerzahlen in der vergangenen Saison gar um 15 Prozent gewachsen). Doch natürlich gibt es immer Dinge, die besser sein könnten. Vom Kulturzwangsverband, den Ministerpräsident Roland Koch angekündigt hat, möchten die SPD-Frauen nichts wissen. "Wir wollen eine Kulturförderung für das ganze Land", sagt Andrea Ypsilanti. Und Frankfurt dürfe ruhig ein wenig mehr Aufmerksamkeit vom Land erfahren. Herr Fülle gibt zu, dass ihn das Land nicht sonderlich interessiert. Der gesamte Etat liegt bei über 70 Millionen Euro, bloß 1,2 Millionen kommen vom Land. Entscheidend ist das nicht.
In der Schuhmacherei arbeitet ein großer Eintracht-Fan. Alles wird selbst produziert oder zumindest verändert, davon zeugen die hölzernen Formen:
Das bedeute gar nicht, dass das unwirtschaftlich sei. Im Gegenteil: es sei sogar wichtig, solches Wissen im Haus zu halten. "Da sind viele Techniken gefragt, die heute gar nicht mehr gelehrt werden." Der Fundus der städtischen Bühnen ist riesig. Drei Lagerhallen sind angemietet, denn: "Bestimmte Dinge braucht man immer wieder." Gerade bei den Klassikern.
Das Tolle an einem Rundgang durch die städtischen Bühnen ist: es gibt immer etwas zu entdecken. Zum Beispiel übt das Forsythe-Ensemble gerade mit einem japanischen Budo-Meister Kampfsporttechniken. Warum? Werden wir in der nächsten Aufführung bestimmt erfahren, stören dürfen wir nicht. Aber zumindest mal durchs Bullauge schauen:
Zum Schluss: großes Treffen zwischen Sozialdemokratinnen und den Intendanten. Bernd Loebe von der Oper und Elisabeth Schweeger vom Schauspiel. Thema: die Kulturpolitik. Ypsilanti, ganz ehrlich: "Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass die Vermittlung von Kulturpolitik nicht einfach ist. Ob die Menschen ihren Arbeitsplatz behalten, ob sie ihre Kinder in einen Kindereinrichtung geben können, ob sie eine Ausbildung bekommen - das interessiert die Menschen wirklich. Aber Kultur? Ich merke das auch bei mancher meiner Reden. Natürlich spielt die Kulturpolitik darin eine Rolle, doch sobald ich dazu ansetze, hört die Hälfte schon nicht mehr zu."
Gegenrede Schweeger: "Es geht nicht nur, immer über die Finanzierung zu sprechen. Man muss die Kultur immer nennen, die Kultur ist genauso ein Tischbein der Gesellschaft wie es das Soziale, die Wirtschaft und die Bildung ist. Ohne die Kultur kann der Tisch nicht stehen. Ich bin ja in Wien aufgewachsen. Dort war es ganz normal, dass die Politiker bei jeder Premiere im Publikum saßen. Auch um ein Zeichen zu setzen, ja, da schau: der geht da auch hin."
Ypsilanti bekennt, dass sie es nur selten schafft. Und dann springt Bernd Loebe ein und schafft es Politik und Theater zu versöhnen: "Es wird immer nur nach Events geschaut. Auch beim Hessischen Rundfunk. Da musste ich bei einer Uraufführung neulich ein Medienhaus aus Köln anfragen, ob die das aufzeichen wollen, weil der HR kein Geld hat. Aber eine Veranstaltung wie Nabucco in der Festhalle wo ein paar Sänger auftreten, deren Namen in der Opernszene unbekannt sind, die bewerben sie groß. Wir müssen weg von den Events."
Nancy Faeser sagt: "Das geht uns in der Politik ja genauso. Es geht immer nur um den großen Paukenschlag, und nur der, der am meisten herumposaunt, hat eine Chance gehört zu werden." Und Ypsilanti assistiert: "So ist es. Wenn wir mal eine richtig gute Idee haben, will das niemand wissen." Und weiter: "Politik ist ja auch wie eine Bühne." Da bleibt der Mitarbeiterin der Oper nur zu sagen: "Nur wir haben die besseren Vorstellungen." So ist das.
Bernd Fülle, der Leiter der städtischen Bühnen und im Foto rechts, erklärt, warum die Frankfurter Oper mehr Geld kostet, als die kleinen Bühnen, die man so kennt. "Maßgeblichen Anteil an den Kosten eines Opernhauses hat der Architekt, der es entwirft. Wir haben hier die größte Bühne des Landes, allein die Drehbühne hat einen Durchmesser von 38 Metern. Das gibt es nicht so oft in der Welt. Doch es ist eben mit Kosten verbunden."
Die SPD-Abgeordneten nicken verständig. Sie vergewissern sich mehrmals, wie es dem Haus geht. Wirtschaftlich. Künstlerisch. Die kurze Antwort ist: es geht ihm gut. Schauspiel und Oper erfreuen sich steigender Beliebtheit (wie Elisabeth Schweeger, die Intendantin des Schauspiels, später noch betonen wird, sind die Zuschauerzahlen in der vergangenen Saison gar um 15 Prozent gewachsen). Doch natürlich gibt es immer Dinge, die besser sein könnten. Vom Kulturzwangsverband, den Ministerpräsident Roland Koch angekündigt hat, möchten die SPD-Frauen nichts wissen. "Wir wollen eine Kulturförderung für das ganze Land", sagt Andrea Ypsilanti. Und Frankfurt dürfe ruhig ein wenig mehr Aufmerksamkeit vom Land erfahren. Herr Fülle gibt zu, dass ihn das Land nicht sonderlich interessiert. Der gesamte Etat liegt bei über 70 Millionen Euro, bloß 1,2 Millionen kommen vom Land. Entscheidend ist das nicht.
In der Schuhmacherei arbeitet ein großer Eintracht-Fan. Alles wird selbst produziert oder zumindest verändert, davon zeugen die hölzernen Formen:
Das bedeute gar nicht, dass das unwirtschaftlich sei. Im Gegenteil: es sei sogar wichtig, solches Wissen im Haus zu halten. "Da sind viele Techniken gefragt, die heute gar nicht mehr gelehrt werden." Der Fundus der städtischen Bühnen ist riesig. Drei Lagerhallen sind angemietet, denn: "Bestimmte Dinge braucht man immer wieder." Gerade bei den Klassikern.
Das Tolle an einem Rundgang durch die städtischen Bühnen ist: es gibt immer etwas zu entdecken. Zum Beispiel übt das Forsythe-Ensemble gerade mit einem japanischen Budo-Meister Kampfsporttechniken. Warum? Werden wir in der nächsten Aufführung bestimmt erfahren, stören dürfen wir nicht. Aber zumindest mal durchs Bullauge schauen:
Zum Schluss: großes Treffen zwischen Sozialdemokratinnen und den Intendanten. Bernd Loebe von der Oper und Elisabeth Schweeger vom Schauspiel. Thema: die Kulturpolitik. Ypsilanti, ganz ehrlich: "Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass die Vermittlung von Kulturpolitik nicht einfach ist. Ob die Menschen ihren Arbeitsplatz behalten, ob sie ihre Kinder in einen Kindereinrichtung geben können, ob sie eine Ausbildung bekommen - das interessiert die Menschen wirklich. Aber Kultur? Ich merke das auch bei mancher meiner Reden. Natürlich spielt die Kulturpolitik darin eine Rolle, doch sobald ich dazu ansetze, hört die Hälfte schon nicht mehr zu."
Gegenrede Schweeger: "Es geht nicht nur, immer über die Finanzierung zu sprechen. Man muss die Kultur immer nennen, die Kultur ist genauso ein Tischbein der Gesellschaft wie es das Soziale, die Wirtschaft und die Bildung ist. Ohne die Kultur kann der Tisch nicht stehen. Ich bin ja in Wien aufgewachsen. Dort war es ganz normal, dass die Politiker bei jeder Premiere im Publikum saßen. Auch um ein Zeichen zu setzen, ja, da schau: der geht da auch hin."
Ypsilanti bekennt, dass sie es nur selten schafft. Und dann springt Bernd Loebe ein und schafft es Politik und Theater zu versöhnen: "Es wird immer nur nach Events geschaut. Auch beim Hessischen Rundfunk. Da musste ich bei einer Uraufführung neulich ein Medienhaus aus Köln anfragen, ob die das aufzeichen wollen, weil der HR kein Geld hat. Aber eine Veranstaltung wie Nabucco in der Festhalle wo ein paar Sänger auftreten, deren Namen in der Opernszene unbekannt sind, die bewerben sie groß. Wir müssen weg von den Events."
Nancy Faeser sagt: "Das geht uns in der Politik ja genauso. Es geht immer nur um den großen Paukenschlag, und nur der, der am meisten herumposaunt, hat eine Chance gehört zu werden." Und Ypsilanti assistiert: "So ist es. Wenn wir mal eine richtig gute Idee haben, will das niemand wissen." Und weiter: "Politik ist ja auch wie eine Bühne." Da bleibt der Mitarbeiterin der Oper nur zu sagen: "Nur wir haben die besseren Vorstellungen." So ist das.
29. Juni 2007, 17.34 Uhr
Nils Bremer
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