Hessische Wahlwerbespots – aus Sicht des Filmkritikers

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Andreas Dosch /

wahlspots

CDU

Wie in gängigen Monsterstreifen üblich, wird das Auftauchen des Ungetüms in diesem Werk lange herausgezögert, indem erst dessen potenzielle Opfer ins Bild kommen: unbedarfte Normalbürger der hessischen Bevölkerung, die nicht wissen, was sie erwartet (interessant: keine Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund darunter). Doch wenn die Bestie einmal erscheint, ist es auch für sie längst zu spät.

SPD

Die Sozis in der Krise: Kein neuer Wahlspot, nur der Name von Andrea Ypsilanti wurde gegen den des momentanen Spitzenkandidaten ausgetauscht - da musste die Schrift "leicht" gestaucht werden. Die Comedy-Klamotte von 2008 zeigt dafür noch einmal, was Schulpolitik anrichten kann: Ein erotisch aufgebretzelter Ypsi-Klon peitscht Minderjährigen im Domina-Ton Floskeln um die heißen Ohren, während die Regie mit uralten MAZ-Bilder des amtierenden Erzfeindes einen auf „Wochenshow“ macht.

DIE GRÜNEN

Zwei Möglichkeiten: Entweder hat sich eine teure Design-Agentur tagelang die Köpfe zermartert, um mittels Computer-High-Tech avantgardistische Kunst zu schaffen. Oder aber der 14-jährige Neffe von Tarek Al-Wazir probierte ein beim PC mitgeliefertes Animationsprogramm aus und legte kurzerhand die Töne seines momentan angesagtesten Prügelspiels drunter. Dass man dafür aber einen Sprecher aus der Bierwerbung engagierte, wirft Fragen auf.

FDP



Während ein deutlich derangierter Spitzenkandidat, nervös mit dem Kugelschreiber hantierend, in seinem Anstaltszimmer unzusammenhängend in die Beobachtungskamera faselt, fallen ihm die Parteikollegen mit einem irsinnigen Kurzfilm in den Rücken, der kurzerhand zur totalen Anarchie aufruft. Dazu ertönt Marschmusik. Hier war ein krankes Hirn am Werk. Da beide Spots noch aus dem letzten Jahr stammen, kann auf baldige Genesung wohl nicht gehofft werden.


DIE LINKE

Eine Kluft geht durch die Linkspartei, dramaturgisch verdeutlicht durch die Präsenz der Kandidaten: Das untere Parteivolk muss sich an unwirtlichen Orten der Kamera stellen, während es sich die beiden Spitzen vor sündhaft teuren roten Kulissen gemütlich gemacht haben. Lafontaine wurde vorsichtshalber zu einer Nebenrolle verdonnert, während man Gregor Gysi den wochenlangen Schauspielunterricht deutlich ansieht. Man beachte seinen viel sagenden Seitenblick bei den Worten „Die Frage ist … wer das alles zu bezahlen hat.“ Oskar-reif.

PIRATENPARTEI

Die Kunst der Vereinfachung zur Perfektion getrieben: Deutschland eine pittoreske Dorfstraße zwischen weiten Feldern, Backfischkonsum und leiser Jazz-Gitarrenmusik, der alles bedrohende Überwachungsstaat als unsichtbares Computerphantom zu brettharten Techno-Klängen – arthousige Indie-Paranoia pur. Leider gelingt es dem verängstigten Sprecher nicht, sein Anliegen überzeugend deutlich zu machen. Aber wahrscheinlich klopft gerade die Polizei an seine Tür.


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