Hans Christiansen gilt als einer der Pioniere des Jugendstils und prägte vor allem die Künstlerkolonie in Darmstadt. Auf der Mathildenhöhe lässt sich nun erstmals eine Retrospektive zu seinem Wirken bewundern.
Ronja Merkel /
Es ist kaum vorstellbar, dass die Schau „Hans Christiansen. Die Retrospektive“ tatsächlich der erste genaue Blick auf diesen, für den Jugendstil so wichtigen Künstler ist. Die Auseinandersetzung mit dem Pionier war lange überfällig; dass sich gerade die Mathildenhöhe dieser angenommen hat, ist nur logisch, ist Hans Christiansen doch der Erstberufene der „Darmstädter Sieben“. „Christiansen ist sicherlich der farbigste Vertreter der Künstlerkolonie“, sagt Ralf Beil, der Direktor der Mathildenhöhe. „Er war jemand, der auffiel und einen ganz eigenen Charakter hatte.“
Dass der Künstler, der seine Karriere als Dekorationsmaler in Hamburg begann, so heraussticht, liegt nicht zuletzt an der großen Vielfalt und Virtuosität seines künstlerischen Schaffens. Bevor er nach Darmstadt berufen wurde, arbeitete Hans Christiansen viele Jahre erfolgreich in Paris. Beeinflusst durch Künstler wie Toulouse-Lautrec, eignete er sich dort eine leidenschaftliche, unkonventionelle Formsprache an, die ihn in Darmstadt einzigartig machte. Farbintensität, Schwung und erotische Elemente lassen die unmittelbare Beeinflussung durch die Pariser Kultur sichtbar werden.
In seiner Arbeit strebte Christiansen stets eine größtmögliche Vielfalt an. Daher bemühte er sich auch um eine Gleichstellung von angewandter und freier Kunst; diese Kombination sollte es ihm ermöglichen, sich frei zu entfalten und seine gesamte Umgebung ästhetisch zu gestalten. In der Ausstellung wird dieser Ansatz deutlich spürbar: Neben Teppichen, Tellern und Vasen, finden sich auch Zeichnungen, Gemälde und Plakate von Hans Christiansen. Alle sind sie bis ins Detail liebevoll gestaltet und zeigen, dass es für den „Franzosen“ der Mathildenhöhe in seinem Wirken keine Grenzen gab. In seiner Hingabe zu einer vollkommen Ästhetik ging er sogar so weit, dass er für seine Frau Kleider passend zu dem Interieur des Hauses entwarf. Eines dieser Kleider, eine wundervolle rote Abendrobe aus Wildseide, ist in der Schau sowohl als Skizze als auch an einer Puppe drapiert zu sehen. Es wurde extra für die Retrospektive von einer Kostümdesignerin angefertigt.
Die Ausstellung deckt thematisch alle Lebensstationen des Künstlers ab: Vom Hamburger Frühwerk bis zum Wiesbadener Spätwerk. Entstanden ist sie in Zusammenarbeit mit dem Museumsberg Flensburg, der über eine große Hans-Christansen-Sammlung verfügt, die aktuell aufgearbeitet wird, sowie mit dem Bröhan Museum in Berlin und in der Villa Stuck in München. Die Schau wird in allen Häusern zu sehen sein. Die Vernissage auf der Mathildenhöhe wird am Samstag, 11. Oktober, von 18.30 Uhr an gefeiert.
>> „Hans Christiansen. Die Retrospektive“, 12. Oktober bis 01. Februar, Vernissage: 11. Oktober, 18.30 Uhr, Mathildenhöhe Darmstadt, Olbrichweg 13a. Weitere Informationen gibt es hier.
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin.