Gianmaria Testa – gute Musik zu einem oftmals schlechten Film

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Detlef Kinsler /

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Beide kommen aus dem Piemont, der eine aus Asti, der andere aus der Nähe von Cuneo, der eine Notars-, der andere Bauerssohn. Beide sind cantautore, die – immer sehr spezielle italienische Ausprägung von Liedermacher, Singer/Songwriter. Der eine vergräbt seine Basset-Gesicht mit deutlich größerer Nase in seinen Tasten (ein Bild, das die Mainzer Sängerin Nanette Scriba zu einem Lied inspirierte), der andere mit dem ewig jungen Bubengesicht (auf der Bühne zumindest, nicht so sehr auf den Pressefotos) geht sein Publikum frontaler an – mit einer Gitarre. Paolo Conte, der Jazz-geprägte, Orchester-verliebte Mann in meist stilvollem Anzug, spielt am 22.2.2009 wieder einmal in der Alten Oper. Gianmaria Testa, der Hemdärmligere, trat gerade – präsentiert vom JOURNAL FRANKFURT – zwei Mal in der ausverkauften Brotfabrik auf. Vor einem Donnerstag jünger durchsetzten Publikum mit hohem Abendkassenanteil, am Freitag vor „Kulturpublikum“, das fast ausschließlich den Vorverkauf nutzte. Testa machte keinen Unterschied. Der Mann ist immer nah an seinem Publikum.

Er beginnt solo. „Que bella...“ sind seine ersten Worte. Es geht – auch das versteht man ohne Italienisch zu können um den Mond, jedenfalls in der ersten Zeile. Diese angenehm wohlige Stimme mit dem kehligen Timbre springt dich zwar nicht an, ist aber von der ersten Sekunde an präsent. „Guten Abend, meine Damen und Herren und willkommen.“ Das sollen so der Künstler die einzigen deutschen Worte des Abends bleiben. Deshalb suchte er einen Freiwilligen unter seinen Fans, der Übersetzungsdienste leisten soll. Eine Dame, Susanna (Gianmaria italienischt – auch beim Autogrammschreiben – alle Namen ein), kriegt den Job, wird – mit eigenem Mikro auf einem Stuhl direkt hinter Testa platziert und gehört nun, wie Nicola, der Kontrabassist, und Piero, der Klarinettist und Saxophonist, der auch ein altes Pumpakkordeon, einen Aktenkoffer, eine Camembert-Holzschachtel und Kunststoffeinkauftüten als Instrumente (letztere eher perkussiv) benutzt, zumindest für diesen Abend zum kleinen Ensemble und darf sich später auch artig mit verbeugen.

testa_2_kinslerSo erfahren wir viel über die nicht nur poetischen Geschichten, die Gianmaria zu erzählen hat, die oft ernst sind, aber mit viel Witz verkauft werden (so wird Piero angehalten, kürzere Soli zu spielen. „He`s a jazz musician!“). Es geht um Zärtlichkeit, die viele nur noch aus Fernsehen kennen. Um das Immigrantenland Deutschland, das jetzt zum Einwandererland wird und die vielen Menschen, die nicht nur aus Nordafrika in Nussschalen übers Meer kommen und auf dem Weg ertrinken, um Liebe im Fiat 500 und den Verlust an Erotik aufgrund des Platzangebotes im Auto, über das Gefühl, seit der Wiederwahl Berlusconis (er nennt seinen Namen nicht, sprich nur von macht) im falschen, einem eher schlechten, brutalen Film zu sein, und über Glühwürmchen, die am Tag – zumal in einem Glas gefangen – ihre Schönheit in der Nacht verlieren. Zu seinem Repertoire gehört auch – phonetisch auswendig gelernt für seinen ersten USA-Auftritt – Marlene Dietrichs Klassiker „Falling In Love Again“. Schön, das mal wieder von einem Mann in tiefer Stimmlage zu hören und nicht von irgendeiner Kleinkunst-Piepsmaus. Als das Publikum eine weitere Zugabe erklatschen will (das es auch tatsächlich bekommt), steht Testa, mit einem Glimmstengel im Mund, plötzlich in der Backstage-Tür und ruft laut „Basta“ ins Auditorium. Was die Menge amüsiert, aber genauso ignoriert.

Fotos: Detlef Kinsler


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