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Gespräch im Schauspiel Frankfurt
Wenn Martin Walser auf Michel Friedman trifft ...
Es war einer der Höhepunkte der derzeit laufenden Auschwitz-Thementage im Schauspiel Frankfurt: Das Aufeinandertreffen von Martin Walser und Michel Friedman. Näher kamen sich die beiden dabei nicht wirklich.
„Peinlicher alter Sack“, sagt die Dame in Reihe 10 hinter uns, und da stellen sich natürlich zwei Fragen: 1. Wann hat sie zum letzten Mal in den Spiegel geguckt? 2. Kennt sie das Wort Altersrassismus? Es stimmt: Martin Walser ist ein alter Mann. Wenn alles gut geht, feiert er Ende März seinen 88. Geburtstag. Aber er ist nach wie vor streitbereit, auskunftsbereit, redebereit. Vielleicht nicht mehr ganz so schnell, so schlagkräftig, so quecksilbrig wie einst, aber wer kann das schon erwarten?
Als einer der Höhepunkte der Thementage „Leben mit Auschwitz – danach“, die noch bis zum 15.2. im Schauspiel Frankfurt mit Diskussionen, Performances, Lesungen und Aufführungen dem 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedenken, war Martin Walser ins Große Haus gekommen, zu einem von Gert Scobel moderierten Gespräch mit Michel Friedmann. Es wurde ziemlich schnell deutlich, dass allein diese Konstellation ein Missverständnis war und der Titel „Erinnern für die Zukunft“ erst recht: Nicht um die Zukunft sollte es gehen, sondern um die Vergangenheit, um Walsers Friedenspreisrede aus dem Jahr 1998, gehalten gerade einmal 500 Meter weiter, in der Paulskirche. Einen „geistigen Brandstifter“ nannte daraufhin der damalige Zentralratsvorsitzende der Juden, Ignatz Bubis, Walser. Das nahm er später zurück, aber das wollte dann schon keiner mehr hören.
Ebenso schnell wurde deutlich, dass sich hier drei Menschen auf zwei unterschiedlichen Argumentationsebenen begegneten. Hier Walser, der Schriftsteller, dessen Beiträge zum Gedenken an den Holocaust sich seit 1965, seit dem noch heute lesenswerten Aufsatz „Unser Auschwitz“, aus der Verweigerung des zur sprachlichen Genauigkeit verpflichteten schreibenden Subjekts gegenüber vorgestanzten Betroffenheitsfertigteilen speisen. Dort Friedman, der eloquente Pädagoge, dem es nicht um persönliche Erkenntnisse, sondern um allgemeine Lehren geht. Der eine spricht für sich, der andere für die Öffentlichkeit. Und mittendrin ein hilfloser Moderator, der den Satz „Ich möchte gerne verstehen“ noch immer geradezu mechanisch aufsagte, als alle anderen bereits verstanden hatten.
Walser also ringt, bis heute, „um eine Sprache, die auszudrücken vermag, was passiert ist.“ Erst jetzt, erst durch seine Beschäftigung mit dem Schriftsteller Sholem Yankev Abramovitsh, dem er im vergangenen Jahr ein schmales Buch gewidmet hat, glaubt Walser dieser Sprache in einem emphatischen Sinne zumindest nahe gekommen zu sein. Was von Walser auf der Frankfurter Bühne allerdings gefordert wurde, war kein Bekenntnis, sondern ein Geständnis. Wenn ein Text wie der der Friedenspreisrede missverständlich sei, so Friedman, „dann ist das ein Problem des Sprechers, nicht des Zuhörers.“ Applaus.
Man kommt, wie erwartet, zu keinem Ergebnis. Was man jungen Leuten als Erinnerungskultur für das 21. Jahrhundert denn mit auf den Weg geben könne, fragt Friedman am Ende noch. „Lesen“, antwortet Walser. Gute Antwort.
Als einer der Höhepunkte der Thementage „Leben mit Auschwitz – danach“, die noch bis zum 15.2. im Schauspiel Frankfurt mit Diskussionen, Performances, Lesungen und Aufführungen dem 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedenken, war Martin Walser ins Große Haus gekommen, zu einem von Gert Scobel moderierten Gespräch mit Michel Friedmann. Es wurde ziemlich schnell deutlich, dass allein diese Konstellation ein Missverständnis war und der Titel „Erinnern für die Zukunft“ erst recht: Nicht um die Zukunft sollte es gehen, sondern um die Vergangenheit, um Walsers Friedenspreisrede aus dem Jahr 1998, gehalten gerade einmal 500 Meter weiter, in der Paulskirche. Einen „geistigen Brandstifter“ nannte daraufhin der damalige Zentralratsvorsitzende der Juden, Ignatz Bubis, Walser. Das nahm er später zurück, aber das wollte dann schon keiner mehr hören.
Ebenso schnell wurde deutlich, dass sich hier drei Menschen auf zwei unterschiedlichen Argumentationsebenen begegneten. Hier Walser, der Schriftsteller, dessen Beiträge zum Gedenken an den Holocaust sich seit 1965, seit dem noch heute lesenswerten Aufsatz „Unser Auschwitz“, aus der Verweigerung des zur sprachlichen Genauigkeit verpflichteten schreibenden Subjekts gegenüber vorgestanzten Betroffenheitsfertigteilen speisen. Dort Friedman, der eloquente Pädagoge, dem es nicht um persönliche Erkenntnisse, sondern um allgemeine Lehren geht. Der eine spricht für sich, der andere für die Öffentlichkeit. Und mittendrin ein hilfloser Moderator, der den Satz „Ich möchte gerne verstehen“ noch immer geradezu mechanisch aufsagte, als alle anderen bereits verstanden hatten.
Walser also ringt, bis heute, „um eine Sprache, die auszudrücken vermag, was passiert ist.“ Erst jetzt, erst durch seine Beschäftigung mit dem Schriftsteller Sholem Yankev Abramovitsh, dem er im vergangenen Jahr ein schmales Buch gewidmet hat, glaubt Walser dieser Sprache in einem emphatischen Sinne zumindest nahe gekommen zu sein. Was von Walser auf der Frankfurter Bühne allerdings gefordert wurde, war kein Bekenntnis, sondern ein Geständnis. Wenn ein Text wie der der Friedenspreisrede missverständlich sei, so Friedman, „dann ist das ein Problem des Sprechers, nicht des Zuhörers.“ Applaus.
Man kommt, wie erwartet, zu keinem Ergebnis. Was man jungen Leuten als Erinnerungskultur für das 21. Jahrhundert denn mit auf den Weg geben könne, fragt Friedman am Ende noch. „Lesen“, antwortet Walser. Gute Antwort.
11. Februar 2015, 12.08 Uhr
Christoph Schröder
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