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Frankfurt liest ein Buch

Martin Mosebach: „Eine stetig werdende Stadt“

Martin Mosebachs Roman „Westend“ steht bis zum 19. Mai im Mittelpunkt des Festivals Frankfurt liest ein Buch. Im Interview spricht der Schriftsteller über seinen Blick auf die Stadt und deren Entwicklung seit dem Krieg.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Mosebach, vierzehn Tage lang wird Ihr Roman „Westend“ im Fokus des Lesefestes „Frankfurt liest ein Buch“ stehen. Macht es Sie stolz, dass Ihr Hauptwerk zum Mittelpunkt des Frankfurter Literaturbetriebs werden wird?

MARTIN MOSEBACH: Es ist etwas, was ich in keiner Weise erwartet habe und ich freue mich sehr darüber. Wenn eine große Schar von Menschen sich mit einem Buch, das vor 25 Jahren erschienen ist, noch einmal beschäftigt, dann ist das in der vergess­lichen Welt der Literatur etwas Atypisches und ganz Besonderes.

Welcher Veranstaltung sehen Sie mit besonderer Freude entgegen?

Ich freue mich sehr auf eine Veranstaltung, die mit Bernd Eilert zusammen stattfinden wird. Er war einer der ganz wenigen, die sich vor 25 Jahren für „Westend“ interessiert haben, und hat damals in der Neuen Rundschau eine Rezension über das Buch veröffentlicht. Dazu wird es noch eine ganze Reihe weiterer Gesprächen geben, zum Beispiel mit Felicitas von Lovenberg, Klaus Reichert und Rainer Weiss. Von den jeweils unterschiedlichen Zugängen meiner Gesprächspartner zu „Westend“ werde ich mich überraschen lassen. Ich bin sehr gespannt, wie diese Abende verlaufen werden.

„Westend“ thematisiert die Stadtentwick-
lung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und bildet die städtebauliche Entfremdung von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt ab. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch heute feststellen. Gehören diese zur DNS von Frankfurt?


Das kann man sicher sagen. Frankfurt ist eine stetig werdende Stadt, die keinen dauerhaften Charakter oder ein festes Gesicht hat. Es gehört zu dieser Metropole, dass unablässig gebaut wird. In den vergangenen Jahren sind viele Gebäude der ersten Aufbauzeit der 50er-Jahre abgerissen worden, auch gelungene, wie beispielsweise das Rundschau-Haus. Ich könnte mir denken, dass Menschen, die vor 15 Jahren zum letzten Mal in Frankfurt waren, an manchen Orten Schwierigkeiten haben, sich überhaupt noch zurecht zu finden. Es gehört zu Frankfurt, dass aus Immobilien etwas höchst mobiles wird, das keine besondere Dauer hat.

Die Stilistik Ihres Romans wurde mitunter als „manieriert“ und „verschmockt“ bezeichnet, Ihr Verhältnis zur Geschichte und Traditionen als „rückwärtsgewandt“ verfemt. Die Sprache Ihrer Erzählung fällt bis heute aus der Zeit. Welche Absicht steckte dahinter?

Die Sprache von „Westend“ ist ganz bestimmt nicht den Stilen zuzuordnen, die Ende der 80er-Jahre geschrieben wurden. Und dies war bewusst gewählt. Ich hatte die vermessene Vorstellung in einer Sprache von einer gewissen Haltbarkeit zu schreiben, die sich nicht ohne weiteres einer Manier zuordnen lässt. Eine Sprache, die ich – soweit es ging – relativ eigenschaftslos gestalten wollte, um nicht die Stilistik zum Haupterlebnis zu machen, sondern die dadurch evozierten Bilder in den Vordergrund zu stellen und eindrücklich zu machen.

Sie sind in Frankfurt aufgewachsen. Das Westend bildet die große Kulisse Ihres Romans. Welchen Einfluss hatte die Stadt auf Ihre Art und Weise des Erzählens?

Frankfurt hat etwas schwerer zu definierendes, als es andere Städte haben. Deshalb kann ich auch nicht sagen, worin genau es bestehen sollte. Sie ist unter den deutschen Großstädten eine kleine Stadt und hat nach dem Krieg dieses gigantische Administrations­zentrum bekommen, wodurch sie in ihrem Charakter sehr schwierig zu erkennen ist und an Eigentümlichkeiten verloren hat. Die großen epischen Bücher des 20. Jahrhunderts spielen alle in ausgesprochen farbigen, typischen und charakteristischen Städten – beispielsweise Paris bei Proust oder Dublin bei Joyce. Als nachgeborener Romancier kann man deshalb nur neidisch werden in einer vergleichsweise blassen und in vielerlei Hinsicht eigenschaftslosen Stadt geboren zu sein. Ich habe deshalb den Entschluss gefasst, aus dieser alles andere als grell-bunten Umgebung dennoch einen Funken zu schlagen.

Zum Schreiben zieht es Sie immer wieder nach Rom. Haben Sie aus der Distanz einen besseren Blick auf ihre Heimatstadt Frankfurt, mit der Sie eine viel zitierte „Hassliebe“ verbindet?

Die Bezeichnung der „Hassliebe“ stammt nicht von mir, sondern aus einem Vorwort zu dem kleinen Buch „Mein Frankfurt“ und ist eine zu schroffe Beschreibung. Ich sehe die großen Nachteile der Stadt mit nüchternem Blick, aber fühle mich ihr dennoch verbunden. Die Distanz hilft immer beim Schreiben. Man kann nur das beschreiben, was man schon erlebt hat. Und am besten gelingt das, wenn eine Erinnerung mit dem eigenen Leben amalgamiert ist und später aus der Rückschau reproduziert wird.
 
Fotogalerie:
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10. Mai 2019, 11.00 Uhr
Moritz Post
 
 
 
 
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