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Framework und Ray
Altstadt komm heraus - Du bist von Ironie umzingelt
Vorne ein Bauzaun mit Fotos, die Reporter nach dem 11. September 2001 in New York zeigen. Dann folgt Frankfurts eigener Ground Zero. Schließlich Fachwerk-Kunst an der Schirn. Die Altstadt wird ironisiert. Endlich.
Vielleicht kann man das Altstadt-Projekt erst jetzt mit Ironie sehen. Es ist schließlich beschlossene Sache, nichts mehr dran zu rütteln. Das Technische Rathaus liegt in Schutt und Asche, von oben sieht man ein paar verbliebene Trümmerteile sauber verpackt, die Tiefgarage gibt noch Schwierigkeiten auf, spätestens aber im Herbst soll der Aufbau einer neuen Altstadt zwischen Römer und Dom so richtig beginnen. Wo bleibt da der Witz?
Die Künstlerin Bettina Pousttchi ist zum Beispiel so vorgegangen: Man mache Fotografien vom Fachwerk auf dem Römer, nehme sie auseinander und bringe sie großformatig an die postmoderne Schirn an und nenne es "Framework". Sie wolle damit zu Diskussionen anregen, tat Frau Pousttchi kund. Ein Experiment, das zumindest das Journal Frankfurt angesichts der manchmal freundlichen, meist aber doch recht unfreundlichen Leserstimmen über die Fassadenverschönerung als gelungen bezeichnen möchte.
Die kluge Künstlerin hingegen hält mit ihrer Meinung hinterm Berg, naja, dann doch soviel: "Ich war schon verwundert, dass ausgerechnet Frankfurt so eine rückwärtsgewandte Entscheidung trifft." Das muss auch reichen - das Kunstwerk spricht schließlich für sich. Und Schirn-Direktor Max Hollein erinnert an den einstigen Planungsdezernenten Edwin Schwarz, der zu Beginn der Altstadt-Debatte meinte äußern zu müssen, dass nicht nur der kleine Vorbau vor der Schirn, sondern vielleicht gleich die ganze Rotunde weggemacht werden könne. Beim Vorbau-Abbau ist es geblieben, die postmoderne Schirn wird im zu erwartenden Ensemble jedoch wie ein Fremdkörper wirken. Gut, dass sie sich mit Fachwerk-Applikationen tarnen kann - man weiß ja nie, welche Richtung die abrisswütigen Altstadtfreunde demnächst einschlagen.
Während wir also darüber nachsinnen, was Geschichte ist, wie sie gemacht wird und wie wir mit ihr umgehen, machen wir einen Schlenker zur Braubachstraße. Von den neuen Etablissements Bitter&Zart oder Margarete hat man einen guten Blick auf einen Bauzaun, der Fotos von Journalisten zeigt. Gemacht hat sie Frank Schramm, New Yorker Fotograf, die Werke der Serie „Stand-Ups: Reporting Live from Ground Zero“ zeigen Fernsehreporter, die über die Anschläge vom 11. September 2001 berichten. Sie halten Papiere für den Weißabgleich der Kameras hoch, sie schminken sich oder schauen superernst. Erst 10 Jahre später veröffentlichte Schramm diese Bilder. Nun stehen sie - im Rahmen der Fotoschau Ray 2012 - vor Frankfurts Ground Zero, denn ja: auch in Frankfurt wird Geschichte gemacht, es geht voran - oder vielmehr zurück in die Zukunft.
Es sind natürlich nur dezente Verweise auf eine Stadtgesellschaft, die es sich erlaubt, liederlich mit ihrem jüngeren Erbe umzugehen (siehe Degussa-Gelände, siehe Rundschau-Haus, siehe Zürich-Hochhaus und siehe, demnächst dann, Bundesrechnungshof und Oberfinanzdirektion). Der große Proteststurm bleibt aus, einzig gegen den Bau des Stadthauses demonstriert eine engagierte handvoll Leute, weil der Blick auf den Dom ja nicht versperrt werden dürfe und die alten Ruinen des Archäologischen Gartens nicht überdacht werden dürften. Dass einigen Altstadthäusern dann die Rückseite fehlte, scheint kein Argument zu sein - Hauptsache, die Fassade sieht schön aus. Um die kleinen Häuschen ist jedenfalls mittlerweile ein Wettstreit der Investoren zugange, es geht auch darum, wer zum Beispiel belegen kann, dass der eigenen Familie dieses oder jenes Häuschen einmal gehörte. Und so ging zum Beispiel auch der Parfumeur Frank Albrecht leer aus, der gerne das Haus "Zum Würzgarten" gehabt hätte - ein Nachfahre der Familie Mettenheimer bekam den Zuschlag. Philipp Gallus Mettenheimer eröffnete 1732 seine Drogerie, die Familie verkaufte aber im letzten Jahrhundert - Albrecht sicherte sich den Namen, aber damit noch nicht den Stammsitz.
So wird also in die Jahrhunderte zurückgeschaut in Frankfurt, werden Fotos und alte Stiche gewälzt, um das Antlitz der neuen Altstadt zu schärfen - die Häuser aber sollen modern sein, und es steht zu erwarten, dass die Stabsstelle Sauberes Frankfurt dagegen vorgehen wird, wenn einer der künftigen Bewohner wie vor 200 Jahren seinen Nachttopf auf der Straße auskübelt. Es soll schließlich eine schön-schnieke Rückwärtsgewandtheit sein, die zwischen Ground-Zero-Reportern und dekonstruiert-rekonstruiertem Pousttchi-Fachwerk ihre Renaissance erlebt.
Die Künstlerin Bettina Pousttchi ist zum Beispiel so vorgegangen: Man mache Fotografien vom Fachwerk auf dem Römer, nehme sie auseinander und bringe sie großformatig an die postmoderne Schirn an und nenne es "Framework". Sie wolle damit zu Diskussionen anregen, tat Frau Pousttchi kund. Ein Experiment, das zumindest das Journal Frankfurt angesichts der manchmal freundlichen, meist aber doch recht unfreundlichen Leserstimmen über die Fassadenverschönerung als gelungen bezeichnen möchte.
Die kluge Künstlerin hingegen hält mit ihrer Meinung hinterm Berg, naja, dann doch soviel: "Ich war schon verwundert, dass ausgerechnet Frankfurt so eine rückwärtsgewandte Entscheidung trifft." Das muss auch reichen - das Kunstwerk spricht schließlich für sich. Und Schirn-Direktor Max Hollein erinnert an den einstigen Planungsdezernenten Edwin Schwarz, der zu Beginn der Altstadt-Debatte meinte äußern zu müssen, dass nicht nur der kleine Vorbau vor der Schirn, sondern vielleicht gleich die ganze Rotunde weggemacht werden könne. Beim Vorbau-Abbau ist es geblieben, die postmoderne Schirn wird im zu erwartenden Ensemble jedoch wie ein Fremdkörper wirken. Gut, dass sie sich mit Fachwerk-Applikationen tarnen kann - man weiß ja nie, welche Richtung die abrisswütigen Altstadtfreunde demnächst einschlagen.
Während wir also darüber nachsinnen, was Geschichte ist, wie sie gemacht wird und wie wir mit ihr umgehen, machen wir einen Schlenker zur Braubachstraße. Von den neuen Etablissements Bitter&Zart oder Margarete hat man einen guten Blick auf einen Bauzaun, der Fotos von Journalisten zeigt. Gemacht hat sie Frank Schramm, New Yorker Fotograf, die Werke der Serie „Stand-Ups: Reporting Live from Ground Zero“ zeigen Fernsehreporter, die über die Anschläge vom 11. September 2001 berichten. Sie halten Papiere für den Weißabgleich der Kameras hoch, sie schminken sich oder schauen superernst. Erst 10 Jahre später veröffentlichte Schramm diese Bilder. Nun stehen sie - im Rahmen der Fotoschau Ray 2012 - vor Frankfurts Ground Zero, denn ja: auch in Frankfurt wird Geschichte gemacht, es geht voran - oder vielmehr zurück in die Zukunft.
Es sind natürlich nur dezente Verweise auf eine Stadtgesellschaft, die es sich erlaubt, liederlich mit ihrem jüngeren Erbe umzugehen (siehe Degussa-Gelände, siehe Rundschau-Haus, siehe Zürich-Hochhaus und siehe, demnächst dann, Bundesrechnungshof und Oberfinanzdirektion). Der große Proteststurm bleibt aus, einzig gegen den Bau des Stadthauses demonstriert eine engagierte handvoll Leute, weil der Blick auf den Dom ja nicht versperrt werden dürfe und die alten Ruinen des Archäologischen Gartens nicht überdacht werden dürften. Dass einigen Altstadthäusern dann die Rückseite fehlte, scheint kein Argument zu sein - Hauptsache, die Fassade sieht schön aus. Um die kleinen Häuschen ist jedenfalls mittlerweile ein Wettstreit der Investoren zugange, es geht auch darum, wer zum Beispiel belegen kann, dass der eigenen Familie dieses oder jenes Häuschen einmal gehörte. Und so ging zum Beispiel auch der Parfumeur Frank Albrecht leer aus, der gerne das Haus "Zum Würzgarten" gehabt hätte - ein Nachfahre der Familie Mettenheimer bekam den Zuschlag. Philipp Gallus Mettenheimer eröffnete 1732 seine Drogerie, die Familie verkaufte aber im letzten Jahrhundert - Albrecht sicherte sich den Namen, aber damit noch nicht den Stammsitz.
So wird also in die Jahrhunderte zurückgeschaut in Frankfurt, werden Fotos und alte Stiche gewälzt, um das Antlitz der neuen Altstadt zu schärfen - die Häuser aber sollen modern sein, und es steht zu erwarten, dass die Stabsstelle Sauberes Frankfurt dagegen vorgehen wird, wenn einer der künftigen Bewohner wie vor 200 Jahren seinen Nachttopf auf der Straße auskübelt. Es soll schließlich eine schön-schnieke Rückwärtsgewandtheit sein, die zwischen Ground-Zero-Reportern und dekonstruiert-rekonstruiertem Pousttchi-Fachwerk ihre Renaissance erlebt.
Web: www.schirn.de / ray2012.de/
25. April 2012, 11.24 Uhr
Nils Bremer
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