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Film-Geschichten

Die Tage des Turmpalasts sind gezählt. Das Kino, die Wohnungen darüber sowie die Stiftstraße 32 und 34 sollen abgerissen werden. Die Pläne der Stadt, hier einen „Wohnturm“ und Bürogebäude bauen zu lassen, sind schon länger bekannt. Der Turmpalast ist eines der ältesten Kinos Frankfurts. 1950 eröffnete das Lichtspielhaus im wiederaufgebauten, ehemaligen Ufa-Palast. Die Frankfurter Neue Presse lobte die „in Frankfurts Kinogeschichte ganz neue Schwerhörigenanlage mit Kopfhörern“ und die „,Amorsitze’ für jungvermählte Besucher“. Zarah Leander und andere Filmstars reisten an, um Premieren beizuwohnen. Die amerikanischen Originalversionen wurden Mitte der 90er eingeführt. „Das lief von Anfang an sehr gut“, erzählt der Kinoleiter Georgios Zaios. „Die OVs waren in Frankfurt eine lukrative Nische“.
Das Haus in der Stiftstraße 36, in dem die Edel-Hure Rosemarie Nitribitt, bundesweit wohl die berühmteste Frankfurterin, wohnte, ihre Freier empfing und schließlich ermordet wurde, ist aber zunächst nicht tangiert. Eigentümer Karlheinz Huth möchte dem Vernehmen nach eine Unsumme für das Haus, die Rieche nicht bereit ist zu zahlen. Doch auch ohne den Abriss des Apartment-Hauses könnte das Gelände neu bebaut werden. Ein Kino ist nicht vorgesehen.
Und jetzt? Abriss oder Erhalt? Es folgen einige Stimmen zum Spiel:
Annette Gloser, Kuratorin und Expertin für "besondere" Orte:

Claudia Dillmann, Direktorin Deutsches Filminstitut:

Shantel, DJ:

Stella Friedrichs, Organisatorin Engtanzabend:

Ardi Goldman, Immobilieninvestor:

Natürlich kenne ich das Grundstück vom Kino am Turm! Seit mindestens zehn Jahren versucht man ja schon, dort etwas städtebaulich Sinnvolles hin zu bekommen.
Da es dort mehrere Eigentümer gibt, u.a. die Stadt, den Eigentümer des Erbbaurechts des Kinos sowie das schon legendäre Eigentum des Hauses Rosemarie Nittribit, gestaltet sich das alles als sehr schwierig. Vor allem der Eigentümer des Objekts Nittribit/Tudor hat offensichtlich kein Interesse zu verkaufen, so dass eine Gesamtbebauung durch dieses Schlüsselgrundstück leider stark behindert oder ganz unmöglich gemacht wird.
Zu der Frage der Geschichte der Nittribit oder der Werbung Detektiv Tudor habe ich natürlich ein weinendes und ein lachendes Auge: Einerseits leben wir jetzt schon seit mindestens 40 Jahren mit dieser Nachkriegskulisse, die sich uns natürlich stark eingeprägt hat, andererseits kann man städtebauliche Fehler nicht nur aus Rührseligkeit endlos konservieren. Aber: Wichtig ist, dass wirklich danach etwas Besseres dorthin kommt – wenn man ein solches Gebäude abreißt, sollte dort etwas entstehen, das zu einer echten Qualitätssteigerung führt.
Sebastian Popp, Festivalleiter edit:

Rolf Silber, Regisseur:

Nils Bremer, Journal Frankfurt:
Neulich war ich nach einem Schneespaziergang im Turmpalast. „ Did You Hear About The Morgans?“ wurde gespielt, und weil Hugh Grant mitspielt, konnte man sich diesen Film ja nur auf englisch ansehen. Den Film kann ich weiterempfehlen (sofern Sie in der Stimmung für romantische Komödien sind). Das Kino hingegen ... die Sitze durchgesessen, das Haus verwinkelt, die Herrentoilette urgs. Es herrscht also Renovierungsstau. Auch aus – Achtung, schönes Wort – brandschutztechnischen Gründen müsste das Gebäude schon längst geschlossen sein. Geld für eine Sanierung will der Eigentümer nicht in die Hand nehmen.
Dabei verknüpfen sich mit dem Kino am Eschenheimer Tor viele Erinnerungen. Sie gehen noch über das im Mai 2003 geschlossene Royal-Kino hinaus (an dessen Standort nun ein Sportgeschäft residiert). Denn in dem einst modernsten Kino Frankfurts wurden früher nicht nur rauschende Premieren gefeiert, die Detektiv-Tudor-Leuchtreklame und vor allem das nebenstehende Nitribitt-Haus sind gewissermaßen zwei der wenigen Identifikationspunkte in einer Stadt, die – und das ist kein Vorwurf – öfter als andere Orte die Anpassung an die Moderne sucht. Hinter dem Kino sind noch die Reste eines alten Varieté-Theaters zu erkennen, das Apartment-Haus, in dem Frankfurts berühmteste Dirne lebte und ermordet wurde, ist zudem ein Werk des Architekten Berentzen, dem wir auch andere 50er-Jahre-Ikonen wie das denkmalgeschütz-te Juniorhaus gegenüber dem Frankfurter Hof verdanken.
Filme in Originalsprache sollen von Juni an im Metropolis gezeigt werden. Dort ist der Komfort größer, der Flair ein anderer. Was den Nitribitt-Komplex auf der anderen Seite der Kreuzung angeht, darf man nur hoffen, dass sich Stadt und Immobilienbesitzer besinnen. Er sollte erhalten bleiben. Denn er erzählt Geschichten, wie man sie sonst nur aus dem Kino kennt.
Gregor Maria Schubert, Leiter der Lichter-Filmtage:

Edwin Schwarz, Planungsdezernent (CDU):
Ich werde mich dafür einsetzen, dass es in Frankfurt auch weiterhin ein originalsprachliches Kino geben wird – das gehört zu einer so internationalen und weltoffenen Stadt einfach dazu. Unabhängig davon denken wir über die städtebauliche Aufwertung des gesamten Karrees nach. Entschieden ist aber bisher noch nichts.
18. Januar 2010, 17.58 Uhr
Redaktion
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