Vergessen Sie Helene Fischer! Das geilste Stadionkonzert des Jahres war mit Sicherheit Udo Lindenberg, der am Samstag mit Gästen wie Eric Burdon, Clueso, Helge Schneider, Bülent Ceylan und Adel Tawil eine außergalaktische Show präsentierte.
Nicole Brevoord /
Ganz ausverkauft war die Commerzbank-Arena am Samstag nicht, aber gut gefüllt mit Fans von 8 bis 80 Jahren und vielen Männern, die es sich zum Anliegen gemacht haben, Udo Lindenbergs kultigen wenngleich etwas fragwürdigen Look – mit dem obligatorischen Hut, den langen Haaren, die hinten hervorlugen und der Sonnenbrille – nachzuahmen. Ja, der Deutschrocker Lindenberg ist eine Marke, die nach all den Jahrzehnten immer noch begeistert. Lindenberg präsentierte ein nie langweilig werdendes dreistündiges Programm und zu keinem Zeitpunkt merkte man dem 69-Jährigen, der permanent in Bewegung war und über die Bühne und den Laufsteg in den Innenraum hüpfte und sich auch mal auf die Bühne schmiss, sein Alter an. Respekt für die physische als auch die musikalische Leistung des Atlantikdauerbewohners!
In einem eigens angefertigten Käfig war es Udo Lindenberg möglich, durchs Stadion zu schweben, seinen Fans so ganz nah zu sein. Aber er ließ auch noch anderes fliegen, ein riesengroßes grünleuchtendes Ufo etwa, aus dem sich Außerirdische abseilten oder den Umriss eine Cellos, in dem eine Akrobatin zum Duett mit Clueso ihre Kunststücke vorführte. Das Konzert hatte etwas von Kindergeburtstag: Laut, bunt, mit vielen Überraschungen, mit Kinderchor, den singenden Lindenzwergen bei „Wozu sind Kriege da“, mit Gastauftritten von Helge Schneider, der sowohl am Saxophon als auch bei „Der Greis ist heiß“ begeisterte und plötzlich umringt von Krankenschwestern war. Gelegentlich waren mit dem siebenköpfigen Panikorchester, den Gästen sowie den Tänzern mehr als 30 Leute auf der Bühne, die wiederum von zwei Leinwänden flankiert wurde und von Dampf über Glitzerkonfetti bis zu aufblasbaren Figuren und Feuersäulen so ziemlich alles auffuhr, was der Markt hergibt.
Es gab ein Wiederhören mit Hits wie "Odyssee", "Die Heizer kommen", "Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr" und "Ganz anders". Lindenberg machte ganz klar sein "Ding", sang mit Eric Burden „We gotta get out of this place“ und mit Adel Tawil „Bunte Republik Deutschland“ und Comedian Bülent Ceylan, der auch als Warm-upper fungierte, schüttelte sein Becken und die Haarpracht dazu.
Lindenberg würdigte Frankfurt, die echte Panikhauptstadt. „Wir lieben Frankfurt und euer Temperament, eure Liebe. Ich erinner mich an Fritz Rau [Anm.d.Red.: der 2013 verstorbene große Frankfurter Konzertveranstalter], der ist heute auch da: Hallo Fritze!“. Lindenberg nurschelte, dass er in Frankfurt schon im Cookies war, im Jazzkeller mit Mangelsdorff, im Tigerpalast und zuletzt im Römer: „Das war geil!“ In Frankfurt habe er studiert: „Goethe, Adorno, Marcuse und den Erfinder des Apfelweins: Joschka Fischer.“
Es müssen damals wilde Zeiten gewesen sein und wild ist Lindenberg immer noch. Spricht, seine Stimme sei noch etwas heiser, und gurgelt mit dem obligatorischen Eierlikör. Und zu sagen hat der 69-Jährige auch ne Menge. Er setzt sich für eine bessere Verständigung mit Russland und für Frieden ein, kämpft und singt gegen Nazis und plädiert für ein stärkeres Miteinander im Umgang mit Flüchtlingen. Man müsse die Einzelschicksale sehen. Passend dazu sang Lindenberg sein neues Lied: „Wir werden jetzt Freunde.“
Am Ende eines fulminanten Konzertabends mit mehr als 30 Titeln zog sich Lindenberg den Astronautenanzug an und entschwebte der Commerzbank-Arena, nur um ein restlos begeistertes Publikum zurückzulassen. Ein krönender Abschluss seiner nur drei Städte umfassenden Stadiontournee.