Charlie, the Bestseller

Faszination Charlie Chaplin im Filmmuseum

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Seit dem 22. Februar kann man die Charlie-Chaplin-Ausstellung im Deutschen Filmmuseum besuchen. Die Sammlung stammt von Wilhelm Staudinger. Im Interview spricht er über die Anfänge seiner Leidenschaft.

Interview: Jasmin Lenz /

Journal Frankfurt: Wann und wie haben Sie angefangen Dinge von und über Charlie Chaplin 
zu sammeln?
Wilhelm Staudinger:Ich habe 1955 ein Romanheftchen aus dem Bastei-Verlag bekommen, Nummer 1 der Serie „Prominent“ mit dem Titel „König des Lachens“, eine Lebensgeschichte Chaplins. Hieraus musste ich erfahren, wie mein Filmliebling Charlie Chaplin in Amerika verleumdet, verfolgt, unschuldig verurteilt, vom FBI jahrzehntelang bespitzelt wurde. Mein bisheriges positives Amerikabild wurde dadurch arg erschüttert, so dass ich mehr über Chaplins hochinteressantes Leben sowie das politische und soziale Umfeld seiner Zeit in Amerika erfahren wollte – und so begann ich zu sammeln.

Was ist für Sie das Faszinierende an Charlie Chaplin?
Staudinger: Im Gegensatz zu den meisten anderen Komikern, über deren Späße man zwar lacht, mit deren Gefühlen man sich aber nicht identifizieren kann, kann man mit Charlie lachen, man würde gerne seine Streiche selbst ausführen - man kann mit ihm fühlen. Trotz aller Widerwärtigkeiten des Lebens geht Charlie nie unter, er behält seine Würde und sieht Hoffnung. Und seine großen Augen, die oft ins Publikum schauen, als ob er Kontakt mit ihm aufnehmen wollte: wie das Tor zu seiner Seele.

Woher stammen all die Exponate?
Staudinger: Sie stammen aus Antiquariaten, Versteigerungen, Flohmärkten und Souvenirläden aus aller Welt, vor allem aus Paris, London, Hollywood, New York, aber auch aus allen europäischen, nord- und südamerikanischen und vielen asiatischen Ländern, aus China und Australien.

Wie kam das Chaplin Archiv zu Stande, was war ihre Motivation zur Gründung?
Meine erste große Chaplin-Ausstellung 1974 im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt war der äußere Anlass, meine Sammlung Chaplin-Archiv zu nennen. Es lag mir vor allem am Herzen, meine Sammlung zeigen zu können, denn eine Sammlung, die niemand sehen kann, ist für mich sinnlos. Die Gelegenheit, viele meiner Sammelobjekte ausstellen zu können, öffentlich zu zeigen, Filme vorzuführen und in Einführungsvorträgen zu erläutern, ergab sich, als 1980 Paul Sauerlaender starb und sein Archiv für Filmkunde von der Stadt Frankfurt als Grundstock für das Filmmuseum in Frankfurt übernommen wurde. In die Räume des ehemaligen Sauerlaender-Archivs konnte Charlie dann 1982 einziehen.

Welches ist Ihr persönliches Lieblingsstück Ihrer Sammlung?
Es gibt, oder besser gab, kein eigentliches Lieblingsstück, sondern viele Stücke, die ich besonders gerne mochte, weil mit ihnen eine besondere Geschichte verbunden war, zum Beispiel auf welche Weise ich sie erwerben konnte. Besonders bemerkenswert ist vielleicht eine dreidimensionale Postkarte, die einen beweglichen Charlie in einem Theater zeigt. Diese Postkarte wurde vor rund 80 Jahren von Kopenhagen nach Berlin gesandt und ist dort unbeschädigt angekommen – die Postbeamten hatten Charlie sicher besonders gut behandelt!

Wieso haben Sie sich letztlich dazu entschieden, ihre Sammlung abzugeben?
Staudinger: In fast 30-jähriger Hobby-Tätigkeit für das Chaplin-Archiv habe ich mit rund 500 Vorträgen Chaplins Filme und die privaten, politischen und gesellschaftlichen Umstände während der Zeit, in der diese Filme entstanden sind, eingehend besprochen und Programmhefte dazu erarbeitet. Es kamen viele Einzelbesucher und Besuchergruppen, es wurden Kindergeburtstage und Betriebsfeste gefeiert und Studenten holten sich Infos für Prüfungsarbeiten. Allmählich ging mir aber der Stoff aus - ich wollte nicht Altes wieder aufwärmen. Die Führungen wurden für mich mehr und mehr zur Routine und ich wollte im fortgeschrittenen Alter keine selbst auferlegten Zwänge mehr haben, sondern frei sein, zugleich wollte ich die Sammlung in guten Händen wissen. Sie sollte so weder in alle Winde zersteut noch in einem Sammlerbunker verschwinden.

Haben Sie alle Teile der Sammlung abgegeben oder gibt es Einzelstücke, 
die Sie behalten haben?
Ich bin konsequent und habe alle Stücke abgegeben.

Gefällt Ihnen, wie das Deutsche Filminstitut die Ausstellung umgesetzt 
hat oder gibt es von Ihrer Seite Kritikpunkte?
Jeder hat seine eigene Idee, wie er eine Ausstellung gestalten möchte. Ich konnte ja unter anderem in Darmstadt und Düsseldorf im jeweiligen Landesmuseum und in Berlin in der Akademie der Künste, völlig eigenständig konzipieren und zum Beispiel im Münchner und Potsdamer Filmuseum und in Vevey, Chaplins letztem Wohnort, anlässlich seines 100. Geburtstags doch wesentlich bei der Gestaltung der Ausstellungen mitwirken. Das Deutsche Filminstitut hat als Thema „Charlie als Bestseller“ gewählt und dieses Thema auch folgerichtig umgesetzt.

Denken Sie, dass die Ausstellung auch für Menschen interessant ist, 
die sich zuvor noch nicht mit Charlie Chaplin befasst haben?
Oh ja, denn viele der Chaplin-Klassiker sind zeitlos, weil sie natürliche, grundlegende Gefühle und Wünsche der Menschen, gleich welcher Hautfarbe, Nationalität oder Religion, ausdrücken. Er wird auch nach jetzt fast 100 Jahren seiner Filmtätigkeit weiterhin geliebt – und auch heftig abgelehnt, von denen, die er in seinen Filmen satirisch darstellt: Den autoritären und autoritätshörigen Popanzen, den bigotten Heuchlern, den Ultranationalisten. Auch ist natürlich das Chaplin-Bild in der Zeit des Nationalsozialismus sowie seine Vermarktung als Werbeträger, die längst nicht zu Ende ist, auch von ganz allgemeinem Interesse - auch wenn man sich nicht so sehr zu Charlie hingezogen fühlt.


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