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Buchpräsentation in der Stadtbibliothek
Electronic Germany: Wie Frankfurt Techno-Hauptstadt wurde
Christian Arndt brauchte zehn Jahre, um ein Buch über elektronische Tanzmusik in Deutschland zu schreiben. Techno hat Zukunft, ist er überzeugt. Am morgigen Mittwoch stellt er „Electronic Germany“ in der Stadtbibliothek vor.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Arndt, Sie haben zehn Jahre lang für Ihr Buch Electronic Germany recherchiert. Wieso hat es so lange gedauert?
Christian Arndt: Gute Frage. Ursprünglich wollte ich ja einen Film machen und die Idee besteht immer noch. Im Laufe der Jahre haben mein Filmpartner Andreas Heller und ich die Protagonisten der Techno-Szene in München, Köln, Frankfurt und Berlin aufgesucht. Dabei hat es geholfen, dass wir selbst in einer der Techno-Hauptstädte wohnen, nämlich Frankfurt. Ich habe den Fokus immer wieder justiert, wenn mir etwa bei der Recherche wieder neue Personen empfohlen wurden. Es war eine sehr intuitive Arbeitsweise. Vor zweieinhalb Jahren hatte ich dann die Erkenntnis, dass es viel einfacher wäre, aus dem ganzen Material ein Buch zu machen. Von da an ging es dann relativ schnell.
Welchen Schwerpunkt haben Sie nun gewählt?
Ich hatte mir einiges vorgenommen. Ich erzähle die Geschichte der Technokultur in groben Zügen, was gerade auch für jüngere Leute spannend ist, die damit nicht so vertraut sind. Viele andere Bücher verfolgen einen Ansatz der Oral History, das hat mich nicht so interessiert. Ich wollte unter anderem aufzeigen, wie der Begriff Techno in die Welt kam. Dafür wird der Frankfurter DJ Talla 2XLC verantwortlich gemacht, der 1984 die Clubnacht Technoclub gründete – die es übrigens heute noch gibt. Ich zeichne auch die Geschichte der Clubs im Rhein-Main-Gebiet und in Berlin nach, das waren die pulsierenden Zentren des Techno. In Frankfurt eröffnete Ende der 1980er der stilprägende Club Omen. Und wichtige Labels wie Logic Records, Eye Q und Harthouse in Offenbach und später dann Ongaku und Perlon Frankfurt strahlten damals weit in die Republik hinaus. Ich habe versucht, den Aufstieg der Frankfurter Technoszene im Vergleich zu Berlin darzustellen. Weitere Kapitel widmen sich der politischen Dimension von Techno und den Drogen, mit denen in der Szene unstrittig hinter und vor dem DJ-Pult gearbeitet wird. Der zweite Teil des Buches handelt von einzelnen Persönlichkeiten. Das sind Leute wie WestBam, die Kalbrenner-Brüder, Monika Kruse und Sven Väth, Wolfgang Voigt, Dirty Doering - Produzenten wie Jam El Nar und Ralf Hildenbeutel, aber auch avantgardistischere wie das Kollektiv Turmstraße und Pantha Du Prince.
Wieso wurde Frankfurt zur Techno-Hauptstadt?
Ein Grund dafür waren die Clubs und das Dorian Gray war historisch betrachtet vor allen anderen stilprägend. Mixing war Mitte der Achtziger noch nicht sehr verbreitet. Die Leute wollten tanzen, es gab aber kaum Möglichkeiten, die Stellen in den Vordergrund zu rücken, die im Club am besten funktionierten. Also machten die DJs mit Tonbändern eigene Remixes. Um besondere Versionen von Songs zu hören, sind die Leute von weit hergekommen. Und es gab ein relativ lebendiges Musikbusiness, jede grössere Plattenfirma hatte hier eine Dependance. Auch die Independent-Labels hatten einen unglaublich guten Riecher wie beispielsweise Zyx Music, etwa mit Italo-Disco oder den Pet Shop Boys.
Zum Buch haben Sie auch einen Podcast gemacht.
Ja, den gibt es seit November. Ich traf auf der Buchmesse zufällig DJ Eastenders, den ich schon über zwanzig Jahre kenne. Ich habe ihm erzählt, dass ich ein Buch geschrieben habe, und er meinte, Lass uns einen Podcast machen dazu. Ich dachte erst, das sei unendlich viel Arbeit. Aber er beschwichtigte mich, das sei alles nicht so schlimm. Ich habe ja unendlich viel Material, 100 oder mehr Stunden Tonmaterial. Im Podcast sprechen wir über allgemeinere Themen, aber auch über einzelne Personen, die ich im Buch nicht so eingehend würdigen konnte. Es gibt jetzt zehn Folgen. Das Feedback war aber so gut, dass wir weitermachen wollen.
Hat Techno denn überhaupt noch Zukunft?
Absolut. Weil die Musik eine Geschichte hat, die inzwischen 30 bis 36 Jahre zurückreicht, und sich ständig in Mikroschritten weiterentwickelt. Sie erneuert sich immer wieder aus sich selbst heraus. So gibt es immer wieder neue Generationen, die sich damit beschäftigen. Und Techno repräsentiert immer noch ein Stück weit ein Lebensgefühl, das mit sehr geringen Mitteln große Effekte erzeugen kann. Sowohl für die Macher wie auch für die Konsumenten ist Techno sehr zugänglich geworden. Was aber natürlich auch ein Problem ist. Denn durch das Internet ging der Reiz der Einmaligkeit verloren, den die Musik in den 1980ern und 1990ern hatte. Auch illegale Parties sind durch die Gentrifizierung kaum mehr möglich, diese Freiräume gibt es nicht mehr. Techno als Musik hat absolut Zukunft, aber was die Feierkultur angeht, könnte die jüngere Generation von der älteren noch lernen.
Was erwartet die Leute am Mittwoch an der Buchpräsentation?
Es wird keine klassische Lesung, das würde die Energie der Musik nicht transportieren. Wir werden es ähnlich machen wie im Podcast, Eastenders und Arndt unterhalten sich über das Buch und zeigen Fotos, die Ernst Stratmann auf Festivals und in Clubs geschossen hat. Im zweiten Teil reden wir mit Chris Liebing und Ralf Hildenbeutel über alte Zeiten und ihre aktuelle Zusammenarbeit und darüber, was aus der Techno-Kultur im Rhein-Main-Gebiet geworden ist. Chris Liebing ist ein Vertreter der härteren Technoschiene und legt regelmäßig in Berlin auf, Ralf Hildenbeutel hat in den 90ern die legendären Alben von Sven Väth produziert. Und beide sind Frankfurter.
Christian Arndt ist Kulturwissenschaftler, Journalist, Radio-DJ und Musikverleger. Der gebürtige Frankfurter beschäftigt sich seit Ende der 1980er-Jahre intensiv mit Musik und Popkultur. „Electronic Germany“ ist seine erste Buchveröffentlichung.
Multimedia-Talk „Electronic Germany", 13. März, Stadtbibliothek Frankfurt, 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Christian Arndt: Gute Frage. Ursprünglich wollte ich ja einen Film machen und die Idee besteht immer noch. Im Laufe der Jahre haben mein Filmpartner Andreas Heller und ich die Protagonisten der Techno-Szene in München, Köln, Frankfurt und Berlin aufgesucht. Dabei hat es geholfen, dass wir selbst in einer der Techno-Hauptstädte wohnen, nämlich Frankfurt. Ich habe den Fokus immer wieder justiert, wenn mir etwa bei der Recherche wieder neue Personen empfohlen wurden. Es war eine sehr intuitive Arbeitsweise. Vor zweieinhalb Jahren hatte ich dann die Erkenntnis, dass es viel einfacher wäre, aus dem ganzen Material ein Buch zu machen. Von da an ging es dann relativ schnell.
Welchen Schwerpunkt haben Sie nun gewählt?
Ich hatte mir einiges vorgenommen. Ich erzähle die Geschichte der Technokultur in groben Zügen, was gerade auch für jüngere Leute spannend ist, die damit nicht so vertraut sind. Viele andere Bücher verfolgen einen Ansatz der Oral History, das hat mich nicht so interessiert. Ich wollte unter anderem aufzeigen, wie der Begriff Techno in die Welt kam. Dafür wird der Frankfurter DJ Talla 2XLC verantwortlich gemacht, der 1984 die Clubnacht Technoclub gründete – die es übrigens heute noch gibt. Ich zeichne auch die Geschichte der Clubs im Rhein-Main-Gebiet und in Berlin nach, das waren die pulsierenden Zentren des Techno. In Frankfurt eröffnete Ende der 1980er der stilprägende Club Omen. Und wichtige Labels wie Logic Records, Eye Q und Harthouse in Offenbach und später dann Ongaku und Perlon Frankfurt strahlten damals weit in die Republik hinaus. Ich habe versucht, den Aufstieg der Frankfurter Technoszene im Vergleich zu Berlin darzustellen. Weitere Kapitel widmen sich der politischen Dimension von Techno und den Drogen, mit denen in der Szene unstrittig hinter und vor dem DJ-Pult gearbeitet wird. Der zweite Teil des Buches handelt von einzelnen Persönlichkeiten. Das sind Leute wie WestBam, die Kalbrenner-Brüder, Monika Kruse und Sven Väth, Wolfgang Voigt, Dirty Doering - Produzenten wie Jam El Nar und Ralf Hildenbeutel, aber auch avantgardistischere wie das Kollektiv Turmstraße und Pantha Du Prince.
Wieso wurde Frankfurt zur Techno-Hauptstadt?
Ein Grund dafür waren die Clubs und das Dorian Gray war historisch betrachtet vor allen anderen stilprägend. Mixing war Mitte der Achtziger noch nicht sehr verbreitet. Die Leute wollten tanzen, es gab aber kaum Möglichkeiten, die Stellen in den Vordergrund zu rücken, die im Club am besten funktionierten. Also machten die DJs mit Tonbändern eigene Remixes. Um besondere Versionen von Songs zu hören, sind die Leute von weit hergekommen. Und es gab ein relativ lebendiges Musikbusiness, jede grössere Plattenfirma hatte hier eine Dependance. Auch die Independent-Labels hatten einen unglaublich guten Riecher wie beispielsweise Zyx Music, etwa mit Italo-Disco oder den Pet Shop Boys.
Zum Buch haben Sie auch einen Podcast gemacht.
Ja, den gibt es seit November. Ich traf auf der Buchmesse zufällig DJ Eastenders, den ich schon über zwanzig Jahre kenne. Ich habe ihm erzählt, dass ich ein Buch geschrieben habe, und er meinte, Lass uns einen Podcast machen dazu. Ich dachte erst, das sei unendlich viel Arbeit. Aber er beschwichtigte mich, das sei alles nicht so schlimm. Ich habe ja unendlich viel Material, 100 oder mehr Stunden Tonmaterial. Im Podcast sprechen wir über allgemeinere Themen, aber auch über einzelne Personen, die ich im Buch nicht so eingehend würdigen konnte. Es gibt jetzt zehn Folgen. Das Feedback war aber so gut, dass wir weitermachen wollen.
Hat Techno denn überhaupt noch Zukunft?
Absolut. Weil die Musik eine Geschichte hat, die inzwischen 30 bis 36 Jahre zurückreicht, und sich ständig in Mikroschritten weiterentwickelt. Sie erneuert sich immer wieder aus sich selbst heraus. So gibt es immer wieder neue Generationen, die sich damit beschäftigen. Und Techno repräsentiert immer noch ein Stück weit ein Lebensgefühl, das mit sehr geringen Mitteln große Effekte erzeugen kann. Sowohl für die Macher wie auch für die Konsumenten ist Techno sehr zugänglich geworden. Was aber natürlich auch ein Problem ist. Denn durch das Internet ging der Reiz der Einmaligkeit verloren, den die Musik in den 1980ern und 1990ern hatte. Auch illegale Parties sind durch die Gentrifizierung kaum mehr möglich, diese Freiräume gibt es nicht mehr. Techno als Musik hat absolut Zukunft, aber was die Feierkultur angeht, könnte die jüngere Generation von der älteren noch lernen.
Was erwartet die Leute am Mittwoch an der Buchpräsentation?
Es wird keine klassische Lesung, das würde die Energie der Musik nicht transportieren. Wir werden es ähnlich machen wie im Podcast, Eastenders und Arndt unterhalten sich über das Buch und zeigen Fotos, die Ernst Stratmann auf Festivals und in Clubs geschossen hat. Im zweiten Teil reden wir mit Chris Liebing und Ralf Hildenbeutel über alte Zeiten und ihre aktuelle Zusammenarbeit und darüber, was aus der Techno-Kultur im Rhein-Main-Gebiet geworden ist. Chris Liebing ist ein Vertreter der härteren Technoschiene und legt regelmäßig in Berlin auf, Ralf Hildenbeutel hat in den 90ern die legendären Alben von Sven Väth produziert. Und beide sind Frankfurter.
Christian Arndt ist Kulturwissenschaftler, Journalist, Radio-DJ und Musikverleger. Der gebürtige Frankfurter beschäftigt sich seit Ende der 1980er-Jahre intensiv mit Musik und Popkultur. „Electronic Germany“ ist seine erste Buchveröffentlichung.
Multimedia-Talk „Electronic Germany", 13. März, Stadtbibliothek Frankfurt, 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.
12. März 2019, 09.20 Uhr
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