Beim Halt seiner „The 20/20 Experience-Tour“ in Frankfurt lieferte Justin Timberlake bei hochsommerlicher Hitze gesanglich und tänzerisch eine gute und vor allem lange Show ab, nur der Sound ließ zu wünschen übrig.
Nicole Brevoord /
Ein langer sommerlicher Pfingstsonntag wirkte sich auch auf die Thermometer in der gut ausgelasteten, wenn auch nicht ausverkauften Commerzbank-Arena aus. Um 21 Uhr, zum Konzertbeginn des Multitalents Justin Timberlake, waren es immer noch 34 Grad. Während das Publikum leicht bekleidet und von Anfang an in Jubellaune die Show genoss, heizte der 33-jährige Popsänger schnieke im Tom Ford-Anzug die Massen ein. Doch so schön luftig es im Waldstadion auch war, genauso offenbarten sich auch die Nachteile der Arena: Es war schlichtweg zu hell, als dass in der ersten Hälfte des Konzerts die Beleuchtung der Bühne hätte Stimmung zaubern können und auch die Akustik ließ stark zu wünschen übrig. Timberlakes Stimme erreichte inmitten eines Grundrauschens des Publikums vor allem bei den ersten Songs kaum die Ohren der Zuhörer. Manchmal war aus dem übrigen Geräuschteppich nur ein Quaken zu hören, ähnlich wie ein Frosch neben der Autobahn. Sehr schade, denn akustisch wurde das Konzert so an manchen Stellen nicht dem gesanglichen Vermögen Timberlakes gerecht. Dabei fuhr er so einiges auf: Mit ihm erhoben sich aus der Versenkung der Bühne die 12-köpfige Band „The Tennessee Kids“ nebst zwei Backgroundsängerinnen und Unterstützung bekam der Musiker durch sechs Tänzer.
Tanz mit Stil Was mit „Pusher Love“ noch sachte begann, steigerte sich dann mit „Rock Your Body“. Gekreische unter den begeisterten zumeist weiblichen Zuhörern, die über insgesamt drei Leinwände das Geschehen auf der Bühne verfolgen konnten. „How are you feeling tonight, Frankfurt?“ brabbelte Timberlake drauf los, “you came to party tonight?”. Im Laufe des Konzerts wiederholten sich die Ansagen des Sängers leicht, aber er verriet auch, dass er mit 14 Jahren das erste Mal in Deutschland gewesen sei und er Frankfurt liebe. Vermutlich sagt er das auch in Berlin oder in Köln. Bei „Future Sex Love Sound“ schwenkte Timberlake den Mikroständer wie andere eine Frau, dann wirbelte er um die eigene Achse oder griff sich in den Schritt – egal, was er tat, Jubel war ihm sicher. Aber es sah auch nichts in der Show aus, als wäre es dem Zufall überlassen. Die Show war perfekt, bis aufs I-Tüpfelchen durchchorografiert – was man mögen muss - und wäre in der Festhalle vielleicht noch besser gewesen, weil sich die Stimmung dort leichter bis zu den letzten Rängen transportieren lässt.
Vergessen ist die Boygroup Das Publikum ging auch so mit, hüpfte auf Timberlakes Geheiß, riss die Arme hoch und reagierte euphorisch auf Moonwalkansätze bei My Love, TKO und Summer Love. „Was ist los Deutschland? Wie geht es Euch?“, rief der Musiker aus Tennessee, um sich mit einem „It’s fucking hot“ denn doch noch das Sakko auszuziehen, um im Kurzarmhemd weiterzutanzen. Nach „Love Stoned“ wurde die Band wieder versenkt, damit mehr Platz auf der Bühne war für den aus dem Nichts auftauchenden weißen Flügel, an dem Timberlake eine ebenso gute Figur machte wie später mit der Gitarre. Gänsehautmoment, als Timberlake das Publikum dazu aufrief, die Lichter der Handys anzuschalten – das Stadion ein romantisches Meer aus Lichtern! Deutlich zeigt Justin Randall Timberlake heute, dass er mehr ist als ein Kinderstar aus „Star Search“ oder dem Mickey Mouse Club, und dass er den Schuhen der 2002 aufgelösten Bopygroup NSYNC, deren Frontsänger er war, längst entwachsen ist. Dennoch seither hat er tatsächlich nur vier Alben veröffentlicht. Gut, allerdings auch ein paar Ausflüge ins Schauspielfach unternommen. Der Jubel, der ihm in der Commerzbank-Arena zu Teil wurde, ist sicher aber auch dem Umstand geschuldet, dass Timberlake zuletzt 2007 in Frankfurt war. Mit „Cry Me a River“ schickte der Ehemann von Jessica Biel nach den ersten 12 Songs das Publikum in eine zehnminütige Pause.
Nach der Pause Um danach, im frischen Anzug und weißen Sneakern, mit „Only When I Walk Away“ richtig Gas zu geben, jetzt bei zunehmender Dunkelheit, so dass auch die vergleichsweise zaghaft eingesetzten Laser tatsächlich Lichteffekte erzeugten und erstmals richtige Konzertatmosphäre aufkommen konnte. Temperament machte sich auf der Bühne bei „Senorita“ breit und ein Highlight des Konzerts war, als der vordere Bühnenrand mit den Treppenflügeln, auf denen Timberlake immer wieder hoch- und runterschritt, sich wie magisch von der restlichen Bühne trennte und sich gemächlich bis zur Stadienmitte bewegte.
Intimität im Stadion Auf dieser Treppenbrücke agierten Timberlake und die Musiker und schafften so etwas Erstaunliches: Intimität. Auch später als Timberlake auf einer kleinen Bühne mit Gitarre im Zuschauerraum stand, Hände schüttelte und Fans begrüßte, schien das Stadion zu schrumpfen. Gut so. Elvis’ „Heartbreak Hotel“ sang Timberlake genauso souverän wie Michael Jacksons „Human Nature“. Schön auch die Akustikversion von „What goes around, comes around“. Zum Ende hin, bewegte sich die Brücke wieder zur restlichen Bühne und mit „Suit and Tie“ erreichte das mehr als zwei Stunden dauernde Konzert mit 28 Hip Hop und R&B-Hits sein Ende. Die erwartbaren und wiederum wenig spontanen aber gut gemachten Zugaben bildeten dann „Sexy Back“ und „Mirrors“. Um 23.20 Uhr war die Band mit Timberlake wieder dahin gegangen, wo sie anfangs herkamen – in die Versenkung.