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Foto: © Sydney MacLennan
Foto: © Sydney MacLennan

Auch in Abgründen baden

Romie stellen neues Album in der Brotfabrik vor

Mit „Party Songs For The Downcast“ stellen Jule Heidmann und Paula Klee das neue Romie-Album in der Brotfabrik vor. Im JOURNAL-Interview sprechen sie über ihre Band Safe Haven und ausgewählte Gäste.
JOURNAL FRANKFURT: Euer Debütalbum „Trust In The You Of Now“ habt ihr an eurem Sehnsuchtsort Irland aufgenommen, „Party Songs For The Downcast“ nun in Deutschland. Auf der Insel hattet ihr viele dort heimische Musiker dabei, diesmal konntet ihr mit eurer eigenen Band Safe Haven aufnehmen. Erklärt doch mal, wie unterschiedlich die Produktionen waren ...
Romie: Im Vergleich zu der Produktion in Irland war dieses Mal so viel anders, überhaupt nicht besser oder schlechter, nur anders. Zum einen war es natürlich ein viel vertrauterer Umgang in der Band, da wir mit unserer Band Safe Haven, Max Pfreimer (Schlagzeug), Tino Rühlemann (Gitarre) und Aaron Poellet (Keyboards) arbeiten konnten, die uns seit nunmehr drei Jahren live begleitet. Dies bringt enorme Sicherheit mit sich. Auch Max – unseren Schlagzeuger und dritten Sänger – im Boot zu haben war einfach wunderschön. Er hatte ja bereits eine Single mit uns produziert („Merry Christmas, My Friend“, 2021) und wir wussten, wie der Aufnahmeprozess sich mit ihm anfühlen würde und vertrauen ihm blind was Recording und Engineering angeht. Auch war es natürlich vermeintlich (!) unspektakulärer dieses Mal, weil wir nur fünfzig Minuten aus Frankfurt heraus fahren mussten, statt drei Tage via Auto und Fähre, um unseren Aufnahme-Ort zu erreichen. Dafür war es diesmal wie ein gemütlicher, entspannter Familienausflug mit unseren besten Freunden. Und das Örtchen Dornau kann in Sachen Ruhe, Abgeschiedenheit und Naturschönheit tatsächlich ganz gut mit Donegal County im Norden Irlands mithalten.

Dadurch, dass ihr mit Safe Haven (nomen es omen) nun eine feste Band habt, wie stark konnten sich die Musiker schon in den Kompositionsprozess einbringen?
Absolut! Jeder, der uns schon länger kennt, wird einen Unterschied in der Soundqualität und Fülle der Musik hören. Je nachdem, wie man „Kompositionsprozess“ definiert, waren unsere drei Bandmusiker tatsächlich sehr involviert. Wir schreiben zwar immer noch alle Texte und liefern das musikalische Grundgerüst, aber in der Bandprobe gibt dann jeder seine (ein passender Ausdruck in diesem Fall) Note dazu. Bereits der erste Song des Albums ist ein Full-Band-Song mit einem sehr langen improvisierten Outro. Es ist ein Riesenspaß mit diesen Menschen zu musizieren und der Name Safe Haven (zu Deutsch: Sicherer Hafen) ist eine direkte Spiegelung unseres Gefühls, was wir haben, wenn wir mit ihnen spielen.

„Safe Haven ist eine direkte Spiegelung unseres Gefühls, was wir haben, wenn wir mit ihnen spielen“

Wie schon erwähnt: Mit eurem Schlagzeuger Max Pfreimer kommt der Produzent des Albums diesmal aus den eigenen Reihen. Wie hat das das Album geprägt?
Max war tatsächlich der ausschlaggebende Faktor, dass wir uns getraut haben, das Album in Eigenregie aufzunehmen. Wir spürten, dass es an der Zeit war, die neuen Kompositionen endlich in einer Studioproduktion festzuhalten und wussten nicht genau, wie der nächste Schritt aussehen würde. Wir haben dann einen gemeinsamen Call gehabt und Max hat keine Sekunde gezögert und hat enthusiastisch reagiert, als der Vorschlag kam, kein Studio zu Mieten und nicht zu einem Produzenten außerhalb der Band zu gehen. Die Entscheidung war getroffen und dann lag es nur an uns, den richtigen Ort für unser Vorhaben zu finden. In das eigens für Bands geschaffene „Beat and Breakfast“ bauten wir dann selbst ein Studio ein und lebten dort gemeinsam für einige Wochen.

Max hat trotz seines jungen Alters bereits mehr als zehn Jahre Erfahrung im Recording-Bereich und eine traumhafte Auswahl an Equipment. In der Rolle des Produzenten ist er ruhig, sanft, hört sehr gut auf die Bedürfnisse aller, weiß ganz genau, was er tut im technischen Bereich und findet kreative Lösungen, um Sound-Vorstellungen, die man im Kopf hat, zu realisieren. Wir hatten am Anfang etwas Respekt vor der Situation „ganz auf uns gestellt“ zu sein, vor allem was den Kreativprozess angeht. Wir haben oft beobachtet, dass Musikerinnen, die nicht mit einer Person von außen zusammenarbeiten, sich irgendwie selbst im Weg stehen und sich festfahren und denen kreativer Input von außen so gut tun würde. In unserem Fall war es aber so eine offene Arbeit mit allen fünf Beteiligten, dass genug Austausch stattfand und Input geliefert wurde und man eben nicht nur Paula und Jule hört (was unsere Angst war), sondern auch Max, Aaron und Tino.

„Donegal ist für immer in Romies musikalische DNA implementiert“

Auch diesmal gibt es Gäste auf dem Album, zum Beispiel Tony Clark an der Sitar aus der Frankfurter Szene, aber auch internationale Größen. Erzählt doch mal, wen ihr dabei hattet ...
Wir sind schon immer eine sehr offene Band und lieben es, mit anderen Musikerinnen zu connecten und zusammenzuarbeiten. Auf unseren vielen Konzerten und Touren durften wir fantastische Menschen kennenlernen. Fünf von ihnen hört man auch auf unserem neuen Album. Wie von Dir erwähnt, konnten wir Tony Clark (USA/GER) gewinnen, um unseren jahrelangen Traum einer Sitar für unseren sehr extravaganten Psych-Rock Song „Oh, How“ zu erfüllen. Tony ist außerdem noch im Intro zu „Last Call For Miss Penny Lane“ zu hören, wobei uns sein zweites Standbein als professioneller Sprecher extrem in die Karten spielte, um eine weitere unserer Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen ... Auf „Oh, How“ ist außerdem die Harfenistin Mikaela Davis (USA) zu hören, die mit ihrem einzigartigen Spiel nicht nur uns, sondern auch großen Stars wie beispielsweise Bob Weir (Grateful Dead) auffällt, in dessen Band sie seit ein paar Jahren neben ihrem eigenen Projekt (Mikaela Davis & Southern Star) spielt. Miki ist eine langjährige Freundin von uns und hat sich gefreut. „Oh, How“ noch etwas „Extra-Glam“ zu verleihen.

Alle Streicher des Albums wurden eingespielt von unseren lieben Freunden Benjamin Fazlagic (Cello) und Constanze Pfeiffer (Violine), welche quasi zur erweiterten Romie & Safe Haven-Familie gehören und schon unzählige Konzerte von uns in verschiedensten Besetzungen (von Solo über Streichquartett bis hin zu Orchester (Romie goes Orchestra)) begleitet haben. Ein weiterer Gast auf dem Album ist der großartige Matt Kelly (CAN), den wir kennenlernen durften, als wir seine Band City and Colour hier in der Frankfurter Batschkapp supportet haben. Er spielt Pedal Steel bei dem Song „Dust Upon The Stairwell“. Ich persönlich nenne die Pedal Steel ja „Himmelsgitarre“ und zähle ihre Klänge zu dem Schönsten, was man überhaupt hören kann auf dieser Erde. Deshalb haben wir auch gleich nochmal Pedal Steel eingesetzt.
Im letzten Song des Albums „All The Times That I Felt Lonely“ spielt aber nicht Kelly, sondern unser Freund Declan McClafferty aus Irland. Wir wollten diesen ganz speziellen „Donegal Soundscape“ versuchen zu rekreieren und wussten, dass McClafferty eine Schlüsselfigur für die Realisierung sein würde. Man wird Donegal nie mehr aus unseren Knochen bekommen. Der Ort ist für immer in Romies musikalische DNA implementiert.

„Groß träumen lohnt sich!“

Mit Kenneth Pattengale habt ihr einen prominenten Kollegen für den Album-Mix gewinnen können. Wie kamt ihr in Kontakt mit dem Milk Carton Kid und was reizte ihn an der Zusammenarbeit?
Unser Manager Michael Scheuber stellte uns im Laufe des Demo-Recording-Prozesses die Frage, wer unser Traum-Kollaborateur wäre, wenn Geld und Prominenz keine Rolle spielen würden und ermutigte uns letztendlich einfach mal nach den Sternen zu greifen und eine E-Mail an Pattengales Management zu schreiben. Wir lieben das US-Amerikanische Folk-Duo The Milk Carton Kids, welches zu Recht bereits für vier Grammys nominiert wurde. Nicht nur die Songs und die Konzerte, sondern gerade auch die Produktionen der Alben sprachen uns immer an und begeisterten uns. Als wir herausfanden, dass Kenneth Pattengale die Alben selbst produziert und mischt, war der verrückte Traum geboren. Dass wir irgendwann darüber sprechen würden, wie die Zusammenarbeit mit Kenneth war, weil es tatsächlich dazu kam, fühlt sich völlig verrückt an. Die Arbeit mit unserem Idol war total entspannt. Wir glauben, dass ihn unsere sehr guten Harmonien angesprochen haben, weil er ja selbst ein Harmony-Duo hat.

Für ihn war auch von Anfang an klar, dass es im Mix primär um die Stimmen gehen wird, denen sehr viel Raum gegeben wird auf dem Album. Aber in seiner zweimonatigen Arbeit mit unseren Recordings hat er es ebenfalls geschafft, die einzelnen Instrumentalparts auf perfekte Weise mit den Vocals zu verweben und Soli strahlen zu lassen. Dabei haben wir meist via E-Mail, manchmal via Zoom-Call korrespondiert und nach abgeschlossener Arbeit haben wir ihn dieses Frühjahr in Hamburg auch endlich persönlich kennenlernen dürfen. Er betonte wiederholt, dass die Arbeit für ihn sehr leicht war, weil alles bereits in der Roughmix-Fassung so gut klang (dank Max Pfreimers exzellenter Arbeit am Pult und unserem mittlerweile sehr gut eingespielten Quintett) und gratulierte uns zu einem „terrific and deep album“. Alles in allem eine wunderschöne Erfahrung. Groß träumen lohnt sich!

„Vor allem in Berlin gibt es eine spannende Szene der neuen Folkies“

Nachdem ihr euch relativ schnell in der regionalen Szene etablieren konntet, gab es – nicht nur wegen der irischen Connection – neben deutschlandweiten Konzerten auch welche in Europa. Wie sehr fühlt ihr euch denn schon von der internationalen Folkszene angenommen?
Wir haben gerade erst begonnen, uns gezielt auch aus der Region und aus Deutschland heraus zu bewegen. Es macht so viel Spaß, auch mal vor einem englischsprachigen Publikum zu spielen, weil sehr viel Arbeit in unsere Texte fließt. Davon wird in Deutschland natürlich nur die Hälfte wahrgenommen. Vor allem in Berlin gibt es eine spannende Szene der „neuen Folkies“, die uns wann immer wir auf Tour sind mit offenen Armen empfangen und auch unserer Irland-Tournee im vergangenen Jahr machte Lust auf mehr. Auf der Liste stehen aber definitiv noch Canada, USA und UK, die wir unbedingt bereisen wollen.

In eurer „Für Fans von“-Liste finden sich Klassiker wie Joan Baez und Leonard Cohen, aber auch junge Acts wie First Aid Kid oder Julia Jacklin. Wie geht ihr zwischen Tradition und Innovation mit dem Begriff Folk um?
Eine hervorragende und sehr spannende Frage. Mich persönlich amüsiert es immer, wenn Songwriterinnen sich von der Folk Musik in ihrer pursten und traditionellsten Form komplett abkapseln wollen und behaupten, sie „seien kein Folk“ oder „haben nichts mit Folk zu tun. Ich denke man kann Musikgeschichte und Entwicklung von Genres nur verstehen, wenn man die Verflechtung aller Musikstile sieht und das – unabhängig von rein durch die Musikindustrie definierten „örtlichen Phänomenen“ – als einen großen Austausch versteht. Die Folk-Musikerinnen der frühen 60er-Jahre sind ein Paradebeispiel für genau dieses Phänomen, da sie Songs (Traditionals, Volksweisen, Adaptionen, und viele mehr) interpretierten und weitertrugen.
Als sich dann mit Dylan und Kolleginnen auch die eigene Kreativität in die Tradition mischte, war das Singer/Songwritertum, wie wir es heute kennen, geboren. Und kein/e ernsthafte/r Songwriter/in kann mir erzählen, dass er oder sie nicht im Kern genau das wollen: ihrem Gefühl durch das Wechselspiel von Musik, Stimme und Poesie Ausdruck verleihen. Und an diesem Fundament hat (und wird) sich nichts ändern. Deswegen finde ich es tatsächlich auch schön, wenn jemand Romie als „Folk“ bezeichnet. Wie genau das Ganze dann im Heute aussieht, beziehungsweise sich anhört, ist natürlich sehr individuell und ist genau das, was die Songwriter-Landschaft so divers, frisch und aufregend macht. Tradition + personal spark = fresh folk from today.

„Eine Art Trotzreaktion hört man in dem Albumtitel also ebenfalls heraus“

Euer Albumtitel mag wieder überraschend sein. Wie kam es zu „Party Songs For The Downcast“, welche Idee steckt dahinter? Von „befreienden Tränen“ ist in eurem Info die Rede ...
Da der Bandsound plötzlich so viel größer und durchsetzungsfähiger war, waren wir selbst etwas überrascht und freudig erregt. Der Satz: „Das ist ja jetzt voll die Party!“ fiel gegen Ende der Produktionswochen im Studiohaus. Aaron ergänzte: „Ja, eine Party für Traurige, haha“ und so war die Grundidee für den Albumtitel und sein Pathos geboren. Emotionale Musik zum Abfeiern, aber eben nicht für die unbeschwerten, die ihre Party-Pop-Hymnen bereits haben, sondern für die Niedergeschlagen, die geschundenen Seelen, die einsamen Herzen, die Hoffnungslosen, die sich Sehnenden, eben „all the downcast people“. Ein bisschen Augenzwinkern steckt natürlich auch im Titel. Wir haben mit Romie in den vergangenen Jahren auch viel Backlash bekommen, weil unsere Musik ja „immer so traurig“ sei und wir sollten doch „mal was schmissiges“ schreiben. Eine Art Trotzreaktion hört man in dem Albumtitel also ebenfalls heraus. Wir sind wie wir sind und klingen wie wir klingen. Alle gezielten Kompositionen in eine bestimmte Richtung, welche nicht auf natürliche Weise aus uns herausfließen, wären unauthentisch und würden auf lange Sicht dazu führen, dass weder wir noch das Publikum Spaß an Romie hätten. Deshalb bleiben wir uns treu und baden eben auch in den Abgründen. Und was viele nicht wissen: Tränen und traurige Musik können auch ganz schön befreiend wirken und dafür sorgen, dass man sich hinterher leichter fühlt ...

Für euer Release-Konzert in der Brotfabrik, wo ihr schon ganz besonderer Auftritte gespielt habt, habt ihr euch wieder viele Überraschungen überlegt. Was davon wollt ihr schon verraten?
Genau das wünschen wir uns für unsere Release-Party in unserem Frankfurter Lieblingsclub: Wir möchten wir selbst sein und gemeinsam mit den Menschen feiern, die genau das feiern. Wir glauben, es wird ein wunderschöner Abend. Natürlich mit unserer Band Safe Haven, aber auch einigen Gästen, die auf dem Album gespielt haben. Auch einige Songs von unserem Debütalbum werden wir versuchen einzubauen, da dieses ja ob der Pandemie keine eigene Releaseparty bekommen hatte. Außerdem gibt es im Nebenraum zeitgleich eine Vernissage von Paulas gesammelten Werken. Früh kommen lohnt sich also. Ach und noch einen Wunsch haben wir. Es gibt einen Dresscode für alle im Publikum: Sad Glam. Was man darunter versteht, überlassen wir Euch.

Info
Romie, 28.9., 20 Uhr, Frankfurt, Brotfabrik, Eintritt: VVK 16 €/AK 22 €

listentoromie.com/
 
Fotogalerie:
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16. September 2024, 11.50 Uhr
Detlef Kinsler
 
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>
 
 
 
 
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