Ein neuer Frankfurt-Architekturführer lädt zum Wiederentdecken eines optimistischen Jahrzehnts: Wer blättert, entdeckt nicht nur die drei höchsten Hochhäuser der BRD, sondern auch die heitere Werner-von-Siemens-Schule, eine KITA von Toyo Ito oder die Deutsche Nationalbibliothek.
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Die 90er waren international in Frankfurt. Das spiegelt sich auch in der Auswahl der Architekturbüros wider, die in diesem Jahrzehnt neue Bauten in der Stadt entworfen haben: Sie stammten aus Chicago, Los Angeles und New York, aus London, Paris, Tokio, Zürich oder Berlin, aber auch, klar, aus Frankfurt selbst. Nach den 1950er, 60er, 70er und 80er Jahren widmet sich Architekturkenner Wilhelm Opatz mit seiner Architekturführerreihe jetzt den Bauwerken der 1990er Jahre in Frankfurt. Ein ziemlich lohnenswertes Unterfangen, wie sich beim Blättern durch den Band herausstellt. So wurden in dieser Zeit nicht nur die drei höchsten Hochhäuser der BRD, sondern auch die heitere Werner-von-Siemens-Schule, Wohnsiedlungen, eine KITA von Toyo Ito oder die Deutsche Nationalbibliothek errichtet.
Ergänzt wird jedes Architekturporträt durch Fotografien von Georg Dörr, Beiträge von Wolfgang Stahr und Jon Starck. Ihre Bilder werfen Schlaglichter auf die Frankfurter Baukunst, ohne je das gesamte Gebäude preiszugeben. In Vignetten werden bauliche Strukturen und gestalterische Details in den Fokus gerückt: Herausstechende Säulen, bemerkenswerte Fassaden, Licht und Farben, ein versetztes Fenster. Auch die gebaute Umgebung wird einbezogen. So gerät beispielsweise Jonathan Borofskys „Hammering Man“ zum Rahmen für den Messeturm von Murphy/Jahn.
Neben Architekturen im strengeren Sinne räumt Wilhelm Opatz auch gezeichneten Bauwerken, Design, Kunst am Bau und solcher ganz autonomer Natur Platz ein: Der überdimensionalen Skulptur „Inverted Collar and Tie“ aus 1994 von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen am DZ Bank Hochhaus, einer T-Shirt-Edition der Städelschule mit dem stilprägenden Slogan „lebt und arbeitet in ffm“, einer Konzertaufnahme des estnischen Komponisten Arvo Pärt in der Festeburgkirche aus dem Jahr 1995. Und nicht zuletzt auch dem wunderbaren Buch „Last Exit Sossenheim“, über das sein Autor und Zeichner Chlodwig Poth einmal sagte, es sei „auch eins über Architektur: über die sozusagen inoffizielle, heimliche, die Nischenarchitektur, die Vorsichhinwurstelarchitektur, die ganz ohne Architekten auskommt.“
>> Architekturführer Frankfurt 1990–1999, Wilhelm Opatz, Junius Verlag, 44 Euro