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Abschied von Matthias Pees
Ausgerechnet Berlin
Neun Jahre war Matthias Pees Kopf des Mousonturms, jetzt übernimmt er am 1. September die Intendanz der Berliner Festspiele. Produktionsleiter Carsten Schrauff verabschiedete Pees im Namen des gesamten Teams. Wir haben für Sie die Rede im Wortlaut.
Seit August 2013 leitet Matthias Pees den Mousonturm, nun verlässt er das Haus und übernimmt die Intendanz der Berliner Festspiele. Am Freitag wurde der 52-Jährige verabschiedet. Produktionsleiter Carsten Schrauff hielt dabei eine Rede, die vor allem eines zeigen sollte: Frankfurt ist das bessere Berlin. Die Rede im Wortlaut:
„Sehr geehrte Frau Dr. Hartwig, liebe Kolleg:innen & Gäste, lieber Matthias, als Du vor 9 Jahren die Leitung am Künstlerhaus Mousonturm übernommen hast, so verrietest Du mir später, hattest Du Dir vorgenommen, zu Beginn Deiner Amtszeit die Belegschaft „erstmal ein Jahr in Ruhe zu lassen“ und Dir „unsere Arbeit anzuschauen“. Das hast Du gemacht. Das war für uns, nach der turbulenten und nicht immer einfachen Zeit der wechselnden Führungen unglaublich wichtig und richtig. Hierfür möchte ich mich bei Dir nicht nur im ganz Besonderen bedanken, sondern diesen Dank vorsichtig mit der Bitte verknüpfen, den geschätzten Kolleg:innen in Berlin vielleicht auch Zeit zu geben, um mit diesem Wechsel klarzukommen. Du hast den Mousonturm in den letzten Jahren mit originellen künstlerischen Positionen, originellen Veranstaltungen, originellen Bauten, originellen Künstler:innen, originellen Konzepten und originellen Gedanken bereichert. Ebenso mit Deinen höchstoriginellen Interpretationen von pünktlichem Sitzungsbeginn.
Dass Deine Wahl nun ausgerechnet auf BERLIN (Entscheidungskategorie: „sehr unoriginell“) gefallen ist, ist natürlich ebenso überraschend wie unverständlich. „Ich fühl‘ mich gut - ich steh auf Berlin“ sang Annette Humpe vor ungefähr 200 Jahren...und dann ab nach Berlin – da wo die Leute aus Heimweh hinziehn“ sang die Gruppe Blumfeld etwa 100 Jahre später. „Geh doch nach Berlin“, singt die Band Angelika Express in diesem Jahrhundert. Ich habe bei manchen Künstlern, berechtigter oder unberechtigterweise, den Ruf, ein harter Verhandlungspartner zu sein. Diese mir zugesprochene Eigenschaft will ich nun dazu nutzen, Deine Verhandlungsergebnisse in Bezug auf Deine Entscheidung noch einmal eingehend zu beleuchten: Du tauscht nämlich nicht nur den Mousonturm gegen die Berliner Festspiele und das vermeidlich beschauliche Frankfurt gegen die deutsche Hauptstadt, sondern auch: „Brötsche“ gegen „Schrippen“, „Kreppel“ gegen „Pfannkuchen“ und „Frikadellen“ gegen „Buletten“. So weit so unbedenklich. Schaut man jedoch genauer hin, bedeutet dieser Tausch für Dich nun aber auch:
- Das Museumsufer gegen die Herrmannstraße
- Europas Flugverkehrsknotenpunkt gegen die Bauruine BER
- Sommerliche Grüne Soße gegen gebratene Leber mit Äpfeln
- Den Skyline-Blick gegen die Hellersdorf Platte
- gekühlter Apfelwein gegen handwarmes Kindl
- und Theodor W. Adorno gegen Detlef D. Soost
- Die Frankfurter Buchmesse gegen die Berliner-Brettspiel-Convention
- Wasserhäuschen-Kultur gegen Hipster-Späties
- Michael Groß gegen Icke Haeßler
- Erich Fromm gegen Roland Kaiser
- und das Frankfurter Börsenparkett gegen windige Tauschgeschäfte nachts am Kotti
- Tafelspitz gegen Tönnies-Bockwurst
- Mosel-Eck-Abendteuer gegen Café-Kranzler-Cringe
- Frau Rauscher gegen Micaela Schäfer
- und die Brezelburschen in Sachsenhausen gegen die Gothia Burschenschaft Zehlendorf
- Die Anakonda im Senckenberg Museum gegen die Schlange vorm Berghain
- Brigade Nassau gegen die Armee der Prenzelschwaben
- Den Äppelwoi-Express gegen die berüchtigte Linie U8
- sowie Goethe und Habermas gegen Mario Barth und Bushido.
Am traurigsten jedoch:
- rauschende Champions League Nächte im Waldstadion gegen Abstiegsfußball bei Hertha BSC.
In der Zuversicht, dass Du Dein Verhandlungsgeschick in Zukunft etwas ausbauen wirst, entlassen wir, die Belegschaft, Dich nun mit unserem Dank in dieses eben beschriebene urbane Mordor, wünschen Dir hierfür alles Gute, eine glückliche Hand und viel Erfolg. Wir, die Belegschaft, empfangen nun mit offenen Armen und Herzen Anna & Marcus in ihrer neuen Position. Vielen Dank.“
„Sehr geehrte Frau Dr. Hartwig, liebe Kolleg:innen & Gäste, lieber Matthias, als Du vor 9 Jahren die Leitung am Künstlerhaus Mousonturm übernommen hast, so verrietest Du mir später, hattest Du Dir vorgenommen, zu Beginn Deiner Amtszeit die Belegschaft „erstmal ein Jahr in Ruhe zu lassen“ und Dir „unsere Arbeit anzuschauen“. Das hast Du gemacht. Das war für uns, nach der turbulenten und nicht immer einfachen Zeit der wechselnden Führungen unglaublich wichtig und richtig. Hierfür möchte ich mich bei Dir nicht nur im ganz Besonderen bedanken, sondern diesen Dank vorsichtig mit der Bitte verknüpfen, den geschätzten Kolleg:innen in Berlin vielleicht auch Zeit zu geben, um mit diesem Wechsel klarzukommen. Du hast den Mousonturm in den letzten Jahren mit originellen künstlerischen Positionen, originellen Veranstaltungen, originellen Bauten, originellen Künstler:innen, originellen Konzepten und originellen Gedanken bereichert. Ebenso mit Deinen höchstoriginellen Interpretationen von pünktlichem Sitzungsbeginn.
Dass Deine Wahl nun ausgerechnet auf BERLIN (Entscheidungskategorie: „sehr unoriginell“) gefallen ist, ist natürlich ebenso überraschend wie unverständlich. „Ich fühl‘ mich gut - ich steh auf Berlin“ sang Annette Humpe vor ungefähr 200 Jahren...und dann ab nach Berlin – da wo die Leute aus Heimweh hinziehn“ sang die Gruppe Blumfeld etwa 100 Jahre später. „Geh doch nach Berlin“, singt die Band Angelika Express in diesem Jahrhundert. Ich habe bei manchen Künstlern, berechtigter oder unberechtigterweise, den Ruf, ein harter Verhandlungspartner zu sein. Diese mir zugesprochene Eigenschaft will ich nun dazu nutzen, Deine Verhandlungsergebnisse in Bezug auf Deine Entscheidung noch einmal eingehend zu beleuchten: Du tauscht nämlich nicht nur den Mousonturm gegen die Berliner Festspiele und das vermeidlich beschauliche Frankfurt gegen die deutsche Hauptstadt, sondern auch: „Brötsche“ gegen „Schrippen“, „Kreppel“ gegen „Pfannkuchen“ und „Frikadellen“ gegen „Buletten“. So weit so unbedenklich. Schaut man jedoch genauer hin, bedeutet dieser Tausch für Dich nun aber auch:
- Das Museumsufer gegen die Herrmannstraße
- Europas Flugverkehrsknotenpunkt gegen die Bauruine BER
- Sommerliche Grüne Soße gegen gebratene Leber mit Äpfeln
- Den Skyline-Blick gegen die Hellersdorf Platte
- gekühlter Apfelwein gegen handwarmes Kindl
- und Theodor W. Adorno gegen Detlef D. Soost
- Die Frankfurter Buchmesse gegen die Berliner-Brettspiel-Convention
- Wasserhäuschen-Kultur gegen Hipster-Späties
- Michael Groß gegen Icke Haeßler
- Erich Fromm gegen Roland Kaiser
- und das Frankfurter Börsenparkett gegen windige Tauschgeschäfte nachts am Kotti
- Tafelspitz gegen Tönnies-Bockwurst
- Mosel-Eck-Abendteuer gegen Café-Kranzler-Cringe
- Frau Rauscher gegen Micaela Schäfer
- und die Brezelburschen in Sachsenhausen gegen die Gothia Burschenschaft Zehlendorf
- Die Anakonda im Senckenberg Museum gegen die Schlange vorm Berghain
- Brigade Nassau gegen die Armee der Prenzelschwaben
- Den Äppelwoi-Express gegen die berüchtigte Linie U8
- sowie Goethe und Habermas gegen Mario Barth und Bushido.
Am traurigsten jedoch:
- rauschende Champions League Nächte im Waldstadion gegen Abstiegsfußball bei Hertha BSC.
In der Zuversicht, dass Du Dein Verhandlungsgeschick in Zukunft etwas ausbauen wirst, entlassen wir, die Belegschaft, Dich nun mit unserem Dank in dieses eben beschriebene urbane Mordor, wünschen Dir hierfür alles Gute, eine glückliche Hand und viel Erfolg. Wir, die Belegschaft, empfangen nun mit offenen Armen und Herzen Anna & Marcus in ihrer neuen Position. Vielen Dank.“
20. Juli 2022, 12.23 Uhr
Detlef Kinsler
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Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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Text: Detlef Kinsler / Foto: Das Quartett Theodor © Aloha Burn
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