Kunst, Kultur, Klubs – In der Titelgeschichte der September-Ausgabe dreht sich alles um die Künstlerszene Offenbachs, eine vielseitige Mischung aus Kunst, Design, Clubkultur und Ausstellungsbetrieb. Einer der Kreativen ist der ehemalige HfG-Student Lukas Sünder.
Katharina Cichosch/Sina Eichhorn /
Im sechsten Stock der Zollamt Studios empfängt Lukas Sünder am frühen Morgen mit vorbildlicher Gastfreundschaft. Noch ist die Gluthitze nicht in sein neu bezogenes Atelier gedrungen, aber das wird sich in wenigen Stunden ändern. Seit 2013 hat der Künstler einen Raum in der Ateliergemeinschaft gemietet, jetzt kann er seine künstlerische Arbeit auf 57 Quadratmetern ausbreiten, bei guter Sicht mit Blick bis zum Feldberg. Vielleicht sucht sich Sünder noch Atelier-Mitbewohner. Mit zehn Euro den Quadratmeter ist die Miete für eine Gewerbefläche zwar noch bezahlbar, aber auch kein echtes Schnäppchen.
An den Wänden lehnen Artefakte einer Arbeit über Städtefeind- und Städtefreundschaften. Wenn man sich die Fehden über Dortmund und Schalke, Köln und Düsseldorf durchliest, dann scheint es zwischen Frankfurt und Offenbach doch recht harmonisch zuzugehen. Aber Städtefeindschaften, die sind heute ja ohnehin eher halbernstes Lokalkolorit. Immerhin bietet so eine Abgrenzung aber noch Anlass zum künstlerischen Gegenprogramm, zum Beispiel für ein leidenschaftliches Kennenlernen in der „Hasenkuppel“, die Lukas Sünder gemeinsam mit Sitha Reis 2015 an den Stadtgrenzen zwischen Offenbach und Frankfurt installierte.
Auf einen Schwerpunkt will sich Sünder nicht festlegen: „Ich bin Konzeptkünstler. Die Idee gibt das Material vor. Stoff lässt sich leicht zusammenfalten, -rollen, lagern, geht nicht so leicht kaputt, und ich kann mein Material zur Not auch in mein Atelier tragen, wenn der Aufzug mal ausfällt.“ Trotzdem findet der selbsterklärte Pragmatiker auch sinnliche Qualitäten am Material: Tausende Farben, Oberflächen und Strukturen bieten ihm alle künstlerischen Möglichkeiten. Im Regal stapeln sich die Boxen mit Stoffen jeglicher Provenienz.
2016 hat der gebürtige Bruchköbeler seinen Abschluss an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung, ein Kilometer Luftlinie entfernt, in der Klasse von Heiner Blum gemacht. Dort schätzt er vor allem den interdisziplinären Zugang: „Selbst, wenn man hier Malerei studiert, kann man sich mit Fotografie beschäftigen. Wenn man Performance macht, kann man immer noch ins Design reinschauen.“ Nach dem Diplom ging es für Sünder über den Main, in den damals brandneuen Studiengang „Performative Künste in sozialen Feldern“ an der University of Applied Sciences in Frankfurt. Anfangs studierte er dort vor allem mit angehenden Sozialarbeiterinnen und -arbeitern, inzwischen drängen immer mehr Kunstschaffende ins Studium. „Das war gut, noch einmal den Horizont zu wechseln. Sozialarbeiter haben natürlich auch einen an der Waffel, aber eben anders als Künstler“, lacht er.
An beiden Städten schätzt Sünder vor allem den „sozialen Faktor“. Keine gigantischen Kulturstandorte seien das, aber mit zahlreichen Stiftungen und Mäzenen allemal großzügig aufgestellt. Und, im Gegensatz zu manch anderer bundesdeutschen Großstadt, durchaus offen für experimentelle und vielleicht auch erst einmal merkwürdige Inhalte. „Nö“, bestätigt der Künstler, „den klassischen Kunstmarkt vermisse ich hier in Offenbach nicht. Natürlich würde ich auch nicht Nein dazu sagen, meine Objekte zu verkaufen.“ Aber allein im Atelier zu arbeiten, das sei dauerhaft ohnehin nichts für ihn: „Ich arbeite sehr gern mit Menschen zusammen.“
Und genau diese Menschen aus Kunst, Design, Clubkultur und Ausstellungsbetrieb sind es, die den Kosmos Offenbach prägen und von ihm geprägt wurden. Um wen und welche Institutionen es sich dabei genau handelt, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 09/2020 des JOURNAL FRANKFURT.