Seit fast einem Jahr ist Lucas Rask als Fahrradkurier in Frankfurt unterwegs. Tag für Tag schwingt er sich auf den Sattel seines Rads und bringt Lieferungen in alle Ecken der Stadt. Für ihn ist der Job trotz seiner Rasanz wie eine Art Meditation.
Leander Smeets /
Ganz so rasant wie in dem Action-Thriller „Premium Rush“ sei sein Job nicht, stellt Lucas Rask gleich zu Beginn klar. Seit knapp einem Jahr fährt der 22-Jährige für den Kurierdienst „Frankfurt Bike Xpress Fahrradkuriere“ – kurz FBX. Pro Tag fährt er eine fünfstündige Schicht, manchmal aber auch zwei am Stück. Wie viele Lieferungen er dabei ans Ziel bringt, hängt von den Aufträgen ab: „Heute habe ich um 8.00 Uhr angefangen und um 10.20 Uhr hatte ich bereits sechs Aufträge erledigt“, sagt er. Was er dabei transportiert, ist unterschiedlich. Die meiste Zeit sind es Unterlagen, manchmal holt er für die Kundinnen und Kunden auch Medikamente von der Apotheke ab oder fährt eine Flasche Sekt von A nach B. „Am 14. Februar hatte ich so richtig viele Blumensträuße“, erzählt Rask. Ab und zu kommt es vor, dass ein Krankenhaus ihn damit beauftragt, eine Gewebeprobe schnellstmöglich in die Pathologie zu bringen, von der der weitere Ablauf einer OP abhängt.
Aktuell kümmert sich Lucas Rask je nach Bedarf mit einem oder zwei weiteren Kollegen um alle anfallenden Aufträge an einem Tag. Durch Covid seien die Dienstleister in der Branche, „Buden“, wie Rask sie nennt, nur noch sehr klein. „Corona hat die Kurierarbeit tragisch eingeschränkt“, erklärt er. Über ein Funkgerät bleibt Rask mit einem Disponenten in der Zentrale in Kontakt. Dieser teilt ihm mit, wenn ein neuer Auftrag reinkommt, legt die effizienteste Reihenfolge der Aufträge fest und gibt ihm Streckenanweisungen. „Ich kann mich einzig und allein auf das Fahren konzentrieren“, sagt er und lächelt. „Nicht mal aufs Handy muss ich gucken. Das ist sehr angenehm“. Hat Lucas Rask bereits alle Papiere dabei und es stehen nur bereits bekannte Lieferungen an, starte er auch mal von Zuhause aus. Rund 90 Prozent der Aufträge würden aber im Laufe des Tages erteilt.
In einer Schicht legt Lucas Rask im Durchschnitt 70 Kilometer zurück. Oftmals fahre er in den fünf Stunden aber auch mehr als 100 Kilometer. „Frankfurt ist zum Glück eine sehr flache und kompakte Stadt“, erklärt Rask. Ansonsten sei Frankfurt aber keine gute Stadt zum Radfahren. Die Mehrheit der Radwege sei zu eng oder stark beschädigt. „Auf den Radwegen zu fahren ist in Frankfurt sehr gefährlich“, sagt der 22-Jährige. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern zu Fahrzeugen sei kaum einzuhalten. Die meisten Autofahrer seien zwar sehr vorsichtig und zuvorkommend, dennoch sei er schon mehrmals etwa von unaufmerksamen Rechtsabbiegern angefahren und von Autofahrern, die auf ihr Recht des Stärkeren beharrten, bedroht worden. Passiert sei ihm zum Glück noch nichts. Lucas Rask nimmt sich auf der Straße mittlerweile den Platz, den er braucht. „Ich gebe den Autos erst gar nicht die Möglichkeit, mich gefährlich zu überholen“, erklärt er. „Autofahren in der Stadt ist ausgesprochen gefährlich für alle, außer für den, der im Auto sitzt.“
Von den zahlreichen Maßnahmen der Stadt zur Förderung des Radverkehrs hält Lucas Rask wenig. Der rote Belag zur Markierung der Radwege beispielsweise sei bei Nässe bloß rutschig und Autofahrer würden im Zweifelsfall sowieso nicht darauf achten. Für Rask ist klar: Entweder der Zustand der Radwege wird grundlegend verbessert oder die Radwegpflicht müsse aufgehoben werden. Und trotzdem: Lucas Rask liebt seinen Job. „Als Fahrradkurier zu arbeiten ist das Beste, was ich für meine Gesundheit je gemacht habe, physisch und mental“, sagt er. „Seitdem bin ich ein anderer Mensch. Ich bin viel sozialer, offener und selbstbewusster als früher. Das Radfahren ist für mich wie Meditation.“ Die Freiheit, die Luft und das erforderliche Maß an Konzentration seien für ihn mittlerweile unersetzlich. Einen anderen Beruf, so Rask, könne er sich nicht mehr vorstellen.