Das Literaturhaus Frankfurt steht zunächst einmal führungslos da. Auf der gestrigen Versammlung der Mitglieder wählten diese nach einer emotionalen, aber jederzeit diszipliniert geführten Debatte den Vorstandsvorsitzenden Rainer Weiss aus seinem Amt. Weiss verlor eine geheime Stichwahl gegen den nicht anwesenden Verleger Joachim Unseld, der zuvor seine Bereitschaft hatte erklären lassen, 1. Vorsitzender des Literaturhauses zu werden. Die Mitgliederversammlung wurde daraufhin abgebrochen, um Unseld die Möglichkeit zu geben, ein eigenes Team zu formieren. Dass der alte Restvorstand sich bei der Neuauflage der Versammlung noch einmal zur Wahl stellen wird, ist ebenso unwahrscheinlich wie die Hoffnung mancher Mitglieder, Joachim Unseld werde die im Jahr 2010 scheidende Programmleiterin Maria Gazzetti zum Weitermachen bewegen können. An der Personalentscheidung Gazzetti, vor allem aber an der Art und Weise, wie diese vollzogen wurde, hatte sich die Kritik an Rainer Weiss und seinem Team entzündet. Und auch auf der Mitgliederversammlung selbst hinterließ der noch amtierende Vorstand einen eher hilflosen Eindruck. Es scheint, als habe man die Emotionalität, die sich mit dem Namen Maria Gazzettis verbindet, unterschätzt. Gazzetti selbst sagte, sie habe sich „kulturpolitisch nicht mehr getragen gefühlt.“ Die finanzielle Lage des Vereins Literaturhaus e.V. ist indes durchaus bedrohlich. Neue Finanzquellen müssen aufgetan werden. Ob das dem neuen Vorstand und einem neuen Programmleiter in Zukunft besser gelingen wird als ihren Vorgängern, steht auf einem anderen Blatt.