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Helmut Sonneberg

Eintracht Frankfurt, „die Heißgeliebte“

Schon 1946 wurde Helmut Sonneberg Mitglied bei der Eintracht. Den Verein nennt er seine Familie – auch weil er Sonny nach der dunkelsten Phase seines Lebens aufgefangen hat. Zum Start der Bundesliga-Saison haben wir Sonny getroffen.
Viele Eintracht-Fans werden Helmut Sonneberg beneiden: Denn wenige Tage nach dem Triumph in Sevilla durfte er den Europa-League-Pokal in den Händen halten. Wie die Mannschaft ihn erspielt hat, hat „Sonny“ nur in Teilen gesehen. Nach der Führung für Glasgow verdrückte er sich ins Bett. „Das tust du dir nicht an“, dachte er sich. Feuerwerk und die Geräuschkulisse aus dem nahen Waldstadion holten ihn dann doch wieder vor den Fernseher; das Endergebnis konnte er kaum glauben. „Ich konnte die ganze Nacht nicht mehr schlafen“, erinnert sich der 91-Jährige. „So ein Erlebnis ist unbeschreiblich. Das ist das Wertvollste, was der Verein seit meiner Zugehörigkeit erlebt hat.“

Der Europapokal-Sieg vor 42 Jahren sei nicht zu vergleichen gewesen, sagt Sonny. Das Meisterschaftsfinale 1959 in Berlin, das schon. Mit einem bemalten Käfer, selbst geschneidertem Eintracht-Anzug und schwarz-weißem Zylinder machte er sich damals auf den Weg zum Spiel. „Es gab ja noch keine Schals, Plaketten oder Trikots“, erinnert er sich. So wie er sich an beinahe jedes Spiel erinnert, das er miterlebt hat. Manche Auswärtsfahrten sind ihm dabei besonders im Gedächtnis geblieben: 1948 zum Beispiel, als sie gemeinsam mit der Mannschaft im Triebwagen zum Spiel nach Nürnberg fuhren. 1946, ein Jahr nach Kriegsende, wird Helmut Sonneberg Mitglied der Eintracht. Der Verein habe ihn aufgefangen, sagt Sonny. Dort fand er Halt nach der wohl dunkelsten Zeit seines Lebens: Denn im Mai 1945 war er zusammen mit vielen anderen Jüdinnen und Juden aus Theresienstadt befreit worden. „Die vier Monate dort, die waren im Endeffekt nur noch der Abschluss eines beschissenen Lebens“, sagt Sonny. Und obwohl er mittlerweile oft darüber spricht, scheint es ihm noch immer schwer zu fallen.

Erst mit sieben Jahren, als in Frankfurt wie überall in Deutschland die Synagogen brannten, erfährt Helmut Sonneberg, dass er gebürtiger Jude ist. Schon bald darf er nicht mehr zur Schule gehen, kommt in ein jüdisches Waisenhaus. „Irgendwann gingen aus dem Waisenhaus immer wieder Transporte ab und wir wurden immer weniger“, erzählt Sonny. Er selbst kann den Transporten entgehen und darf zurück in seine Familie. Die war mittlerweile aus ihrer Wohnung in ein „Judenhaus“ gezogen. „Gegenüber war ein HJ-Heim und meine Mutter hat zu mir gesagt ‚Du bleibst zu Hause. Die schlagen dich halbtot‘“, erinnert er sich. „Die anderen haben auf der Straße Fußball gespielt, das durfte ich alles nicht. Wenn du auf die Straße gegangen bist, kamen wildfremde Menschen und spuckten oder hauten dir ins Gesicht. Das sind Dinge, die kann man einfach nicht erklären.“ 1945 wird er gemeinsam mit seiner Mutter nach Theresienstadt deportiert.

Lange hat Helmut Sonneberg, der sonst so gern und viel redet, nicht über diese Zeit gesprochen. Dass er es irgendwann doch tat, hängt auch mit der Eintracht zusammen – genauer mit Matthias Thoma, Leiter des Eintracht Museums. Als er von Sonnys Geschichte erfährt, ermutigt er ihn immerzu, davon zu erzählen. Heute tut Sonny das oft, in Schulen, im Fernsehen, im Museum. Mit Thoma verbindet ihn eine gute Freundschaft. „Ich habe nie einen Freund gehabt. Weder einen Schulfreund, noch einen anderen“, sagt Sonny den Tränen nahe. „Aber Matze hat mir jetzt in meinem Alter einige Freunde geschenkt.“ Die Eintracht, sagt Sonny, das ist seine „heiß Geliebte“, seine Familie. Auch, wenn er wegen der NS-Vergangenheit des Ex-Ehrenpräsidenten Rudolf Gramlich lange Zeit kein Mitglied der Eintracht mehr war. Ein Schritt, der ihm lange weh getan hat. 2020 erkennt die Eintracht Gramlich die Auszeichnung ab. Sonny ist heute lebenslanges Mitglied. Welchen Wunsch er nach so vielen Jahren mit der Eintracht noch hat? Sonnys Blick geht zu Matthias Thoma: „Wir wollen noch einmal zusammen Deutscher Meister werden.“

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Dieser Text ist Teil der Eintracht-Story in der aktuellen Ausgabe (8/22) des JOURNAL FRANKFURT. Neben Helmut Sonneberg haben wir außerdem mit „Kutten Paule“, Patricia Seiwert (Fußball 2000) und Petra Stierstädter (EFC Frieda) gesprochen.
 
Fotogalerie:
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5. August 2022, 11.14 Uhr
Laura Oehl
 
Laura Oehl
Jahrgang 1994, Studium der Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt, Journalismus-Master an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seit Dezember 2020 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Laura Oehl >>
 
 
 
 
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