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Vor Gericht
Wie soll mit rückfälligen Straftätern umgegangen werden?
Herr H. hat 18 seiner 44 Lebensjahre hinter Gittern verbracht und steht wieder vor Gericht. Hat er noch eine Chance verdient? Die Kolumne von Christoph Schröder.
Ist es möglich, einem aus der Bahn geratenen Leben noch einmal einen Turnaround zu geben? Wie viele Chancen hat ein Mensch verdient? Das sind Fragen, die sich das Gericht angesichts von Herrn H. zu stellen hatte. Er ist 44 Jahre alt, ein Mann mit langem schwarzen Haar und einem mächtigen Kinnbart. Er wird in Handfesseln in den Gerichtssaal geführt, weil er zurzeit eine Haftstrafe absitzt. Und genau das wird das Thema sein.
Etwas mehr als 18 seiner 44 Lebensjahre hat Herr H. in Haft verbracht. Angeklagt ist er nun wegen Diebstahls: Im Januar und Februar dieses Jahres soll er in drei unterschiedlichen Frankfurter Bekleidungsgeschäften jeweils eine hochwertige Jacke entwendet haben. Diesen Vorwurf räumt Herr H. ohne Zögern ein. Er habe zu diesem Zeitpunkt sehr viel Crack konsumiert, erzählt er; er sei permanent auf Entzug gewesen. Die Jacken habe er für 50 Euro pro Stück verkauft.
Das Bitten um eine weitere Chance
Sein Anwalt ergänzt, dass es für seinen Mandanten so nicht mehr weitergehen solle. Seine Familie, Eltern und Geschwister, leben in seinem Geburtsort im Hunsrück. Mit ihnen habe er sich versöhnt, so der Anwalt, so dass Herr H. nun dorthin zurückkehren und eine Therapie anfangen könne. Herr H. nickt beständig.
Der Amtsanwalt allerdings nimmt ihm das nicht ab. Warum er das nicht früher versucht habe, möchte er vom Angeklagten wissen. Und: Warum sein Leben eine einzige Spur der Kriminalität quer durch Deutschland sei? „Die Haft hat Sie noch nie beeindruckt“, sagt der Staatsanwalt, „nun kann es nur noch meine Aufgabe sein, die Gesellschaft vor Ihnen zu schützen“. Er beantragt eine Haftstrafe von 13 Monaten, ohne Bewährung.
Der bislang sehr stille Herr H. geht nun doch aus sich heraus. „Extrem hart“ sei das, was er sich da anhören müsse. Sein Anwalt bittet um eine weitere Chance. Die bekommt er, denn der Richter verurteilt ihn zu einer Haftstrafe auf Bewährung mit Auflage einer Therapie. Herr H. fällt fast auf die Knie vor Dankbarkeit. Der Staatsanwalt kündigt umgehend Berufung an.
>> Dieser Text erschien zuerst in der Mai-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (5/23).
Etwas mehr als 18 seiner 44 Lebensjahre hat Herr H. in Haft verbracht. Angeklagt ist er nun wegen Diebstahls: Im Januar und Februar dieses Jahres soll er in drei unterschiedlichen Frankfurter Bekleidungsgeschäften jeweils eine hochwertige Jacke entwendet haben. Diesen Vorwurf räumt Herr H. ohne Zögern ein. Er habe zu diesem Zeitpunkt sehr viel Crack konsumiert, erzählt er; er sei permanent auf Entzug gewesen. Die Jacken habe er für 50 Euro pro Stück verkauft.
Sein Anwalt ergänzt, dass es für seinen Mandanten so nicht mehr weitergehen solle. Seine Familie, Eltern und Geschwister, leben in seinem Geburtsort im Hunsrück. Mit ihnen habe er sich versöhnt, so der Anwalt, so dass Herr H. nun dorthin zurückkehren und eine Therapie anfangen könne. Herr H. nickt beständig.
Der Amtsanwalt allerdings nimmt ihm das nicht ab. Warum er das nicht früher versucht habe, möchte er vom Angeklagten wissen. Und: Warum sein Leben eine einzige Spur der Kriminalität quer durch Deutschland sei? „Die Haft hat Sie noch nie beeindruckt“, sagt der Staatsanwalt, „nun kann es nur noch meine Aufgabe sein, die Gesellschaft vor Ihnen zu schützen“. Er beantragt eine Haftstrafe von 13 Monaten, ohne Bewährung.
Der bislang sehr stille Herr H. geht nun doch aus sich heraus. „Extrem hart“ sei das, was er sich da anhören müsse. Sein Anwalt bittet um eine weitere Chance. Die bekommt er, denn der Richter verurteilt ihn zu einer Haftstrafe auf Bewährung mit Auflage einer Therapie. Herr H. fällt fast auf die Knie vor Dankbarkeit. Der Staatsanwalt kündigt umgehend Berufung an.
>> Dieser Text erschien zuerst in der Mai-Ausgabe des JOURNAL FRANKFURT (5/23).
27. Mai 2023, 13.00 Uhr
Christoph Schröder
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