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Foto: Nora Börding
Foto: Nora Börding

Wanderausstellung

Ein Brückenschlag für die Demokratie

Frankfurt und Leipzig als Schauplätze: Wie tief sind die Verbindungen zwischen Ost und West? Das JOURNAL hat mit Gesine Oltmanns von der Stiftung Friedliche Revolution gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Oltmanns, im kommenden Jahr entsteht in Leipzig ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal. Dieses soll an die friedliche Revolution von 1989 erinnern. Im Vorfeld tourt die Wanderausstellung „Das Denkmal ist...“ zum Entwicklungsprozess durch Deutschland, die erste Station ist Frankfurt. Warum?
Gesine Oltmanns: Die sogenannte „Westreise“ unserer Wanderausstellung ist der Stiftung Friedliche Revolution ein wichtiges Anliegen. Wir sehen das neu entstehende nationale Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig als Botschafterin für ein wirklich positiv leuchtendes Ereignis der gemeinsamen deutschen Geschichte, der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR mit dem unwiderruflichen Sturz der kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland. Wenn wir diese weltverändernde Historie in Ost und West als gemeinsame Geschichte begreifen, können wir gegenseitige Ressentiments abbauen, davon bin ich überzeugt. Die Friedliche Revolution in all den verschiedenen Perspektiven gibt uns den Auftrag, für Demokratie und Freiheit heute und in Zukunft gemeinsam einzutreten. Mit der Friedlichen Revolution 1989 hat auch die gesellschaftliche Verständigung und der Dialog gewonnen. Das sollten wir als Auftrag verstehen.

Frankfurt und Leipzig haben beide diese großen Orte der Demokratie: die Paulskirche und in Leipzig die Nikolaikirche, die Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen im Herbst 1989 war. Ein solch wunderbarer Brückenschlag soll mit der Wanderausstellung hier vor Ort gelingen, denn dafür Bewusstsein zu entwickeln, wie tief geschichtlich die Verbindungen zwischen Ost und West verwurzelt sind, kann unsere gegenwärtige Wahrnehmung verändern und uns im besten Sinne vereinen.

„Es ist das 35. Jahr nach der Friedlichen Revolution und es gibt viel miteinander zu besprechen“

Elf internationale Künstlerinnen und Künstler arbeiten gemeinsam am Projekt. Wie sieht die Zusammenarbeit aus und was passiert konkret?
In der Wanderausstellung „Das Denkmal ist…“ sind Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die sich mit der Bedeutung und der Wirkung von Denkmälern auseinandersetzen, in der Vergangenheit, für heute und morgen. Dies sehen wir als Impuls für Diskussionen, warum, weshalb, wieso wir dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig errichten wollen. Es sollen inhaltliche Anregungen gesammelt werden. In Leipzig hat das auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz wunderbar funktioniert und wir sind sehr gespannt, ob und wie wir in den westlichen Städten auf Interesse stoßen. Es ist das 35. Jahr nach der Friedlichen Revolution und es gibt viel miteinander zu besprechen. Deshalb wollen wir mit einem aktiven Vermittlungsteam begleitend vor Ort sein. In den kommenden Monaten werden 36 internationale Kunstschaffende sich der Entwurfsarbeit für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig auf dem zentralen Wilhelm-Leuschner-Platz widmen.

Wir sind optimistisch, dass wir am 9. Oktober, dem zentralen Erinnerungstag der Montagsdemonstrationen, zum 35. Jahrestag in diesem Jahr die Preisträgerentwürfe für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig vorstellen können.

Die Wanderausstellung wird in einer originalen DDR-Halle aus den 60er Jahren gezeigt. Ist das nicht zu viel Ostalgie und konterkariert eine solche Architektur nicht der Idee der friedlichen Revolution von 1989? 
Zum einen war es die Idee, eine transportable Konstruktion zu haben, mit der man auf Wanderschaft gehen kann. Und da fiel uns dann aus dem Alltag in der DDR dieses etwas skurrile Objekt ein. Unsere Nachforschungen hatten dann wirklich Glück und wir fanden vor den Toren von Leipzig eine solche Teleskophalle, in die wir uns gleich verliebten. Ein junges Team aus Leipzig-Connewitz hatte sich der Restaurierung ihrer Halle gewidmet und ist mit ganzer Kraft in unser Projekt eingestiegen. Also in mehrfacher Hinsicht wirklich ein Glücksfall. Die Halle hat natürlich ein Retro-Flair, das hoffentlich neugierig macht. In Leipzig kamen viele, die einfach nochmal in so einer Halle, die sie als „Konsum“ und in vielen anderen Nutzungsformen kannten, zu stehen. Das wird hier nicht so sein, aber dieses Design-Objekt wird hoffentlich dennoch Aufmerksamkeit auf unsere Ausstellung zu einem sehr aktuellen Thema lenken.

„Wir wünschen uns, dass dieses Denkmal neben der Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989 ein lebendiger Anstoß für Engagement und Zivilcourage wird“

Denkmäler sind ja recht statische Gebilde. Wie kann ein zeitgemäßes Denkmal und die Vermittlung aussehen?
Wir sind von der Stadt Leipzig als zivilgesellschaftlicher Partner für den Prozess beauftragt. Es war die Erfahrung eines vorangegangenen, nicht erfolgreichen Wettbewerbes zum Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig, dass solch ein „Bauprojekt“ nur gelingen kann, wenn es von einem breiten kommunikativen und vermittelnden Prozess begleitet wird. Darum hat uns die Stadt gebeten. Es ist für einen nationalen Denkmalprozess durchaus ungewöhnlich, dass die Beteiligung über Information hinaus geht. Der Stiftung Friedliche Revolution ist das aber in die DNA geschrieben, sie will dafür wirken, dass Geschichte fruchtet und wir aus 1989 heraus Neues bewegen und unsere Demokratie für die Zukunft gestalten. Wir wünschen uns und arbeiten gern dafür, dass dieses Denkmal neben der Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989 ein lebendiger Anstoß für Engagement und Zivilcourage wird. Im Kontext der europäischen Freiheitsbewegungen dieser Zeit sehen wir das Denkmal auch in die europäische Zukunft eingebunden. Ohne die Vorbilder und die oppositionellen Vernetzungen nach Mittelosteuropa hätte sich auch in der DDR nichts bewegt. Das sollten wir nicht vergessen und daraus auch unsere Aufgaben ableiten.

Unsere Demokratie ist stark unter Druck und muss stärker als zuvor verteidigt werden. Was kann ein solches Denkmal bzw. die Wanderausstellung dazu beitragen?
Der Sturz der kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland war der eine Meilenstein in der Geschichte, Aufbau und Gestaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Ostdeutschland, genauso wie der Schutz und die Bewahrung von Demokratie und Freiheit bleibt eine nie endende Aufgabe und verlangt unsere Haltung zu dem, was sich leider gerade auch in Sachsen politisch stark verbreitet. !989 zeigt, dass der Schulterschluss in Solidarität und Gewaltfreiheit gelingen kann, dass gemeinsam großes erreicht werden kann. Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig wird dafür stehen und sensibilisieren und wir können dies als Anstoß nehmen.

Info
Zur Person
Gesine Oltmanns ist im Vorstand der Stiftung Friedliche Revolution. Bekannt wurde sie mit ihrem Plakat „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ auf der ersten Leipziger Montagsdemo im September 1989. Sie ist 1965 im Erzgebirge geboren und in einem Pfarrhaus aufgewachsen. In den 1980er-Jahren engagierte sie sich mit zahlreichen öffentlichen Aktionen in oppositionellen Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Leipzig. Nach 1989 arbeitete sie bis 1994 als Sachbearbeiterin bei der Gauck-Behörde, wo sie die Rehabilitierungsverfahren politisch Verfolgter aus DDR-Zeiten betreute.
 
 
Fotogalerie:
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2. Mai 2024, 09.52 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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