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Städel Frankfurt

Der Seismograf

Rund 130 Zeichnungen und eine Videoinstallation von Marc Brandenburg werden im Städel Frankfurt in einer Rauminstallation gezeigt: In Schwarzlicht gehüllt, wirken seine ins Negativ verkehrten Zeichnungen wie ein visuelles Tagebuch.
Es sind oft banale Gegenstände, die Marc Brandenburg faszinieren: Plastikspielzeug zum Beispiel, aber auch Orte, die Schattenseiten unserer Wohlstandgesellschaft darstellen, wie Schlafplätze von Obdachlosen. Diese Motive begegnen ihm auf seinen Streifzügen durch die Städte, viele findet er in seiner Heimatstadt Berlin. Seit drei Jahrzehnten arbeitet Marc Brandenburg an einem zeichnerischen Gesamtkunstwerk. Als Ausgangspunkt für seine Zeichnungen dienen ihm überwiegend selbstgemachte Fotografien, die in einem Negativ-Verfahren von ihm auf Papier übertragen werden. Idole aus der Popkultur, Demonstranten, kostümierte Menschen, eine mit „Homo“ markierte Parkbank: Brandenburg ist nicht nur ein wacher Beobachter, sondern auch ein Seismograf gesellschaftlicher Veränderungsprozesse unserer Gegenwart.

Marc Brandenburgs Kunst schlage eine Brücke zum Städel Museum, meint Direktor Philipp Demandt. Mit mehr als 100 000 Arbeiten auf Papier besitzt das Museum eine der bedeutendsten grafischen Sammlungen in Deutschland. Darüber hinaus sei der Berliner Künstler eine „unverwechselbare künstlerische Stimme unserer Gegenwart“. Hirnsturm II heißt der Ausstellungstitel, der damit auch die Flut an Bildern bezeichnet: 130 Zeichnungen und eine Videoarbeit sind in der Ausstellung in einer Rauminstallation zu sehen. Durch das verwendete Schwarzlicht bekommen die Arbeiten eine zusätzliche Dimension.

„Es ist diese Idee des inneren Sturms von herumwirbelnden Bildern, Erinnerungen und Eindrücken, die im Zentrum der Ausstellung steht. Dazu gehört auch, dass die Zeichnungen in einem nicht definierten, dunklen, ‚grenzenlosen‘ Raum schweben. Das kann wie ein Trip wirken oder an eine Nahtoderfahrung erinnern“, sagt Brandenburg über seine Arbeit. Neben den Zeichnungen, die einen Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens bilden, gehören die „Tarnpullover für Ausländer“ aus dem Jahr 1992 zu seinen wichtigsten Arbeiten. Die Videoinstallation „Camouflage Pullover“ von 2018, die im Städel gezeigt wird, knüpft an diese Arbeiten an. Brandenburg blickt darin aus der Perspektive einer deutschen, schwulen Person of Colour auf eine von Rassismus und Vorurteilen geprägte Welt: Durch die Verhüllung mittels einfacher Pullover mit angestrickten, rassistisch-stereotypen Gesichtern und Händen legt er diese Missstände offen.

Der Künstler, der 1965 in Berlin geboren wurde und dort lebt, kam in den 80er Jahren mit der Clubszene in Kontakt, arbeitete als Türsteher, bis er sich schließlich autodidaktisch der Bildenden Kunst widmete. Der Ausstellungstitel „Hirnsturm“ zitiert auch eine Einzelausstellung, die 2002 in der New Yorker Galerie Paul Morris gezeigt wurde. In Frankfurt war Brandenburg bereits 2004 und 2006 im Frankfurter Kunstverein und im Museum für Moderne Kunst zu sehen.
 
Fotogalerie:
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29. Oktober 2021, 10.16 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
 
 
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