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Schirn Kunsthalle Frankfurt
Selma Selman: Schau‘ mir nicht in die Augen
Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet der Künstlerin Selma Selman eine große Soloshow – der „gefährlichsten Frau der Welt“.
Nein, es liegt kein Duft von Blumen in der Luft. Es riecht nach alten Autos, Kunststoff. Zudem zieht es. Auf einer überdimensionalen Projektion ist Selma Selman zu sehen, ihre Stimme ist wütend und dröhnt durch den Raum. An der Wand ist im Ausstellungstext zu lesen, dass sie als „gefährlichste Frau der Welt“ gilt. Okay, das ist also keine Wellness-Ausstellung, wie der Titel „Flowers of Life“ suggerieren könnte. Die ausgestellten „Blumen“ sind sogenannte Mehrschalengreifer, die auf Schrottplätzen zum Einsatz kommen.
Sie öffnen und schließen sich, wie Blumen das machen, auf den „Blütenblättern“ sind Augen zu sehen. Es ist eine Arbeit, die an Thomas Bayrle erinnert. Die Arbeit verweist auf die Familie der Künstlerin, die vom Sammeln und dem Weiterverkauf von Metallschrott lebt. Sie sehe sich als Transformerin, sagt Selman. Sie benutze Kunst als Werkzeug, möchte laut sein und ist bereit, „die Wahrheit“ zu sagen. Gibt es nur die eine Wahrheit? Für die Künstlerin offenbar schon.
Ausstellung in der Schirn: Installationen vom Schrottplatz und Recycling
Selma Selman ist eine Romnja, sie wuchs in Bosnien-Herzegowina auf. Zusammen mit ihrem Vater und ihren Brüdern zerlegt sie Autos und verwendet deren Teile für Installationen; in Performances, die wiederum in Videoinstallationen zu sehen sind, wird oft ihre Familie eingebunden. Sie thematisiert damit die Arbeit, die sich am Rande der Gesellschaft abspielt, aber auch Recycling-Prozesse. Welchen Wert hat Schrott und wieviel Schrott können wir uns als Gesellschaft leisten?
Schirn-Kurator Matthias Ulrich kam 2021 mit dem Werk Selmans durch einen Zufall in Kontakt. Er hatte in Kassel Wartezeit zu überbrücken und ging in den Kunstverein, wo Selmans Arbeit „Don’t look into my eyes“ gezeigt wurde. Er sei von der Energie „berührt und fasziniert“ gewesen. Nächste Station: documenta. Dort war Selman 2022 vertreten, ebenfalls auf der Manifesta in Pristina.
Dann kam 2023 die Anfrage der Schirn. Eigentlich viel zu wenig Zeit, um eine Ausstellung vorzubereiten, sagt der Kurator. Hinbekommen habe man es trotzdem. Unbestritten ist: Selmans Arbeiten treffen den Zeitgeist, denn sie behandeln die Themen, ohne die derzeit keine größere Ausstellung auskommt: Fragen nach Identität, Selbstermächtigung, Feminismus, Rassismus, Sichtbarmachung, gesellschaftlichem Wandel. Die Ausstellung sei „eine Autobiografie“, so Ulrich.
Eine Frau, mit einer Menge Wut im Bauch: Selma Selman in der Schirn
Die Kultur der Roma ist „größtenteils durch Ausgrenzung auf als minderwertig erachtete Erwerbstätigkeiten und die auf Reproduktion und Hausarbeit beschränkte Rolle der Frau gewachsen“, ist in der Ausstellung zu lesen. Selman lasse zum Beispiel „die Männer für sich arbeiten und sich deren manuelle Arbeit aus dem Kapital des Kunstsystems bezahlen“.
Mit dieser Strategie schlage sie zwei Fliegen mit einer Klappe: einmal gegen das Patriarchat und das andere Mal für ihre Wahrnehmung innerhalb der Kunstwelt. In Deutschland sei die Diskriminierung der Roma besonders schlimm („biggest discrimination“), findet Selma Selman. Leider erklärt sie nicht, an was sie das genau festmacht. Ist sie die gefährlichste Frau der Welt? Wohl kaum. Auf jeden Fall ist sie eine Frau mit einer Menge Wut im Bauch, für die sie als Ausdrucksmöglichkeit die Kunst gefunden hat.
Info
Selma Selman „Flowers of Life“, Schirn Kunsthalle Frankfurt, bis 15. September. Weitere Infos zur Ausstellung finden Sie hier.
Sie öffnen und schließen sich, wie Blumen das machen, auf den „Blütenblättern“ sind Augen zu sehen. Es ist eine Arbeit, die an Thomas Bayrle erinnert. Die Arbeit verweist auf die Familie der Künstlerin, die vom Sammeln und dem Weiterverkauf von Metallschrott lebt. Sie sehe sich als Transformerin, sagt Selman. Sie benutze Kunst als Werkzeug, möchte laut sein und ist bereit, „die Wahrheit“ zu sagen. Gibt es nur die eine Wahrheit? Für die Künstlerin offenbar schon.
Selma Selman ist eine Romnja, sie wuchs in Bosnien-Herzegowina auf. Zusammen mit ihrem Vater und ihren Brüdern zerlegt sie Autos und verwendet deren Teile für Installationen; in Performances, die wiederum in Videoinstallationen zu sehen sind, wird oft ihre Familie eingebunden. Sie thematisiert damit die Arbeit, die sich am Rande der Gesellschaft abspielt, aber auch Recycling-Prozesse. Welchen Wert hat Schrott und wieviel Schrott können wir uns als Gesellschaft leisten?
Schirn-Kurator Matthias Ulrich kam 2021 mit dem Werk Selmans durch einen Zufall in Kontakt. Er hatte in Kassel Wartezeit zu überbrücken und ging in den Kunstverein, wo Selmans Arbeit „Don’t look into my eyes“ gezeigt wurde. Er sei von der Energie „berührt und fasziniert“ gewesen. Nächste Station: documenta. Dort war Selman 2022 vertreten, ebenfalls auf der Manifesta in Pristina.
Dann kam 2023 die Anfrage der Schirn. Eigentlich viel zu wenig Zeit, um eine Ausstellung vorzubereiten, sagt der Kurator. Hinbekommen habe man es trotzdem. Unbestritten ist: Selmans Arbeiten treffen den Zeitgeist, denn sie behandeln die Themen, ohne die derzeit keine größere Ausstellung auskommt: Fragen nach Identität, Selbstermächtigung, Feminismus, Rassismus, Sichtbarmachung, gesellschaftlichem Wandel. Die Ausstellung sei „eine Autobiografie“, so Ulrich.
Die Kultur der Roma ist „größtenteils durch Ausgrenzung auf als minderwertig erachtete Erwerbstätigkeiten und die auf Reproduktion und Hausarbeit beschränkte Rolle der Frau gewachsen“, ist in der Ausstellung zu lesen. Selman lasse zum Beispiel „die Männer für sich arbeiten und sich deren manuelle Arbeit aus dem Kapital des Kunstsystems bezahlen“.
Mit dieser Strategie schlage sie zwei Fliegen mit einer Klappe: einmal gegen das Patriarchat und das andere Mal für ihre Wahrnehmung innerhalb der Kunstwelt. In Deutschland sei die Diskriminierung der Roma besonders schlimm („biggest discrimination“), findet Selma Selman. Leider erklärt sie nicht, an was sie das genau festmacht. Ist sie die gefährlichste Frau der Welt? Wohl kaum. Auf jeden Fall ist sie eine Frau mit einer Menge Wut im Bauch, für die sie als Ausdrucksmöglichkeit die Kunst gefunden hat.
Selma Selman „Flowers of Life“, Schirn Kunsthalle Frankfurt, bis 15. September. Weitere Infos zur Ausstellung finden Sie hier.
19. Juni 2024, 15.41 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
Schülke >>
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