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Sammlung Honoré Daumier
Hans-Jürgen Hellwig spendet über 4000 Kunstwerke an Städelschen Museums-Verein
Hans-Jürgen Hellwig hat eine umfangreiche Sammlung mit Werken des französischen Künstlers Honoré Daumier zusammengetragen. Aus Anlass des 125-jährigen Jubiläums hat er dem Städelschen Museums-Verein seine Sammlung geschenkt.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Hellwig, Sammler sind glückliche Menschen, wusste schon Goethe. Ist das so?
Hans-Jürgen Hellwig: Das ist ein doppeltes Zitat, von Goethe und von meinem Vater. Mein Vater hat alte Landkarten gesammelt, sie wissenschaftlich bearbeitet und darüber Aufsätze und Bücher veröffentlicht. Ich merkte schon als Schuljunge, wie glücklich er war, wenn er davon erzählte und mir eine neu erworbene Landkarte zeigte und erklärte. Dabei sagte er häufig: ‚Schon der alte Goethe hat gesagt, Sammler sind glückliche Menschen.‘ Wenn ich als Leihgeber eine Führung durch eine Daumier-Ausstellung machte, habe ich dieses Goethe-Zitat oft gebracht. Irgendwann habe ich versucht herauszufinden, wo Goethe diesen Satz gesagt hat. Im Internet fand ich schließlich, der Satz werde fälschlicherweise Goethe zugeschrieben. Als ich das meinem Vater kurz vor seinem Tod im Alter von fast 105 Jahren sagte, antwortete er: ‚Junge, das ist doch egal. Hauptsache, der Goethe hat recht.‘
Wie kamen Sie dazu, Honoré Daumier zu sammeln?
Mein Vater gehörte dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags an und hatte eine Auswahl politischer Karikaturen zusammengestellt, die Konrad Adenauer zu seinem 80. Geburtstag bekommen sollte, am 5. Januar 1956. Zwei Blätter hatte er aussortiert, weil sie einen Knick in der Mitte hatten. Es waren politische Karikaturen von Honoré Daumier. Vater schenkte sie mir, nachdem ich versprochen hatte, mich mit ihrem Inhalt, also den dargestellten Personen und dem politischen Hintergrund, und vor allem auch mit Daumier selbst zu beschäftigen. So verdanke ich das Sammeln meinem Vater und, dass es Daumier war, Konrad Adenauer. Ich war damals 15.
In diesem Alter denkt man nicht unbedingt daran, eine Kunstsammlung aufzubauen.
Ja. Aber meine Eltern waren beide Historiker, meine Mutter war die erste Archivarin im Werksarchiv von Krupp. Dass Geschichte sehr spannend sein kann, habe ich schon zu Hause gelernt. Zudem gehörte Faulheit nicht zu den Prinzipien, nach denen ich erzogen wurde. Ich habe als Schüler auch Hockey gespielt und später gerudert und etliche Jahre auch Klavier und Musiktheorie am Konservatorium gemacht. Zudem wusste ich doch von meinem Vater, Sammeln macht glücklich.
Ihre Sammlung umfasst allein 4 200 Lithografien und Holzstiche, hinzu kommen Zeichnungen, Gemälde und Bronzeplastiken …
Als Schüler konnte ich von meinem Taschengeld keine Daumiers kaufen. Im Studium ab 1960 in Marburg erlaubte mein schmaler Wechsel, wie man das damals nannte, noch keine großen Sprünge. Aber den einen oder anderen lithographischen Zeitungsdruck konnte ich mir leisten. Ein Hinterhof-Antiquariat in München, auf das ich bei einem Besuch gestoßen war, erwies sich als echte Fundgrube. Dort habe ich manches Zeitungsblatt von Daumier erstanden. Eines davon, aus dem Sommer 1848, ist eine große Rarität, wie sich später herausstellte. Es ist die erste künstlerische Befassung mit dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx, das kurz zuvor in London veröffentlicht worden war. Fünf Mark habe ich damals dafür bezahlt – ein echtes Schnäppchen.
Sie studierten damals Jura. Wie ging es mit Ihrer Begeisterung für Daumier weiter?
Ab 1962 studierte ich in Bonn. Das Juristische Seminar lag in der Nähe der Institute der Geschichts- und der Kunstgeschichtswissenschaft. Hier konnte ich endlich vertieft zu Daumier forschen. Ich kannte mich anfangs nicht aus, weshalb ich dort in der Bibliothek sofort aufgefallen bin (lacht). Dort kam ich erstmals mit Kunsthistorikern in Kontakt und habe salopp gesagt festgestellt: Die ticken vollkommen anders als wir Juristen. Das war eine echte Bereicherung! Ab 1969 arbeitete ich als Anwalt in Frankfurt und verdiente genug, um eine richtige Sammlung aufzubauen. Ich habe also mehr als 60 Jahre Kunst von Daumier gesammelt, aber nie als Kapitalanlage, sondern immer ihrer selbst wegen.
Hellwig: „Fünf Mark habe ich damals dafür bezahlt – ein echtes Schnäppchen.“
Sie waren 1992 zum ersten Mal an einer Daumier-Ausstellung im Städel beteiligt. Wie kam das?
Ich lernte in den 80er-Jahren Margret Stuffmann kennen, die frühere Leiterin der Graphischen Sammlung des Städel Museums. Sie öffnete mir die Augen für die künstlerische Qualität von Daumier. Bis dahin hatte ich in ihm nur den politischen Karikaturisten gesehen und die politischen Werke gesammelt. 1992 machte Margret Stuffmann im Städel ihre große, berühmte Ausstellung von Zeichnungen von Daumier. Ich hatte ihr vorgeschlagen, auch eine Auswahl seiner Lithographien zu zeigen, weil der Vergleich stilistisch reizvoll ist und weil man aus den datierten Lithographien das Entstehungsdatum der durchweg undatierten Zeichnungen rückschließen kann. Sie ging zunächst nicht darauf ein, kam aber wenige Wochen vor der Eröffnung zu mir und suchte sich aus meiner Sammlung einige Dutzend Werke für eine parallele Ausstellung von Lithographien aus. Das war gleichsam ein Ritterschlag für mich und meine Sammlung.
Aus Anlass des 125. Jubiläums haben Sie dem Städelschen Museums-Verein nun Ihre Sammlung geschenkt. Warum?
Man kann eine Sammlung vererben, nicht aber das Wissen im Kopf des Sammlers. Deshalb wollten meine Geschwister und ich die Landkartensammlung meines Vaters nicht übernehmen, weshalb er sie nach geographischen Regionen aufgeteilt an kartographisch tätige öffentliche Institutionen gegeben hat. Deshalb wollten auch meine Kinder meine Sammlung nicht erben. Sie selbst regten sogar an, dass ich die Sammlung dem Städelschen Museums-Verein schenke, und das nicht erst bei meinem Tode, sondern schon jetzt. So ist es geschehen. Dies auch als Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Margret Stuffmann, ohne die meine Sammlung nicht wäre, was sie heute ist. Zudem: Für Kulturgüter gilt ganz besonders der Satz des Grundgesetzes, dass Eigentum auch der Allgemeinheit dienen soll. Deshalb bin ich Ausleihwünschen für Ausstellungen und Forschungszwecke stets nachgekommen. Im Städel Museum ist das weiterhin sichergestellt. Das ist mir wichtig.
Info
Honoré Daumier (1808–1879) gehört zu den größten Künstlern Frankreichs. Mit seinen Lithographien, veröffentlicht vor allem in mehreren Zeitungen, war Daumier schon zu seinen Lebzeiten bekannt. Seine politischen Blätter fielen häufig der Beschlagnahme oder Zensur zum Opfer, einmal musste er sogar ins Gefängnis. Sein Engagement für Demokratie (damals als Republik bezeichnet), Freiheit und Frieden in Europa hat bis heute an Aktualität nichts verloren. Eine Auswahl von 120 Werken aus der Sammlung und Schenkung Hellwig war von Januar bis zum 12. Mai im Städel Museum Frankfurt zu sehen.
Hans-Jürgen Hellwig: Das ist ein doppeltes Zitat, von Goethe und von meinem Vater. Mein Vater hat alte Landkarten gesammelt, sie wissenschaftlich bearbeitet und darüber Aufsätze und Bücher veröffentlicht. Ich merkte schon als Schuljunge, wie glücklich er war, wenn er davon erzählte und mir eine neu erworbene Landkarte zeigte und erklärte. Dabei sagte er häufig: ‚Schon der alte Goethe hat gesagt, Sammler sind glückliche Menschen.‘ Wenn ich als Leihgeber eine Führung durch eine Daumier-Ausstellung machte, habe ich dieses Goethe-Zitat oft gebracht. Irgendwann habe ich versucht herauszufinden, wo Goethe diesen Satz gesagt hat. Im Internet fand ich schließlich, der Satz werde fälschlicherweise Goethe zugeschrieben. Als ich das meinem Vater kurz vor seinem Tod im Alter von fast 105 Jahren sagte, antwortete er: ‚Junge, das ist doch egal. Hauptsache, der Goethe hat recht.‘
Wie kamen Sie dazu, Honoré Daumier zu sammeln?
Mein Vater gehörte dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags an und hatte eine Auswahl politischer Karikaturen zusammengestellt, die Konrad Adenauer zu seinem 80. Geburtstag bekommen sollte, am 5. Januar 1956. Zwei Blätter hatte er aussortiert, weil sie einen Knick in der Mitte hatten. Es waren politische Karikaturen von Honoré Daumier. Vater schenkte sie mir, nachdem ich versprochen hatte, mich mit ihrem Inhalt, also den dargestellten Personen und dem politischen Hintergrund, und vor allem auch mit Daumier selbst zu beschäftigen. So verdanke ich das Sammeln meinem Vater und, dass es Daumier war, Konrad Adenauer. Ich war damals 15.
In diesem Alter denkt man nicht unbedingt daran, eine Kunstsammlung aufzubauen.
Ja. Aber meine Eltern waren beide Historiker, meine Mutter war die erste Archivarin im Werksarchiv von Krupp. Dass Geschichte sehr spannend sein kann, habe ich schon zu Hause gelernt. Zudem gehörte Faulheit nicht zu den Prinzipien, nach denen ich erzogen wurde. Ich habe als Schüler auch Hockey gespielt und später gerudert und etliche Jahre auch Klavier und Musiktheorie am Konservatorium gemacht. Zudem wusste ich doch von meinem Vater, Sammeln macht glücklich.
Ihre Sammlung umfasst allein 4 200 Lithografien und Holzstiche, hinzu kommen Zeichnungen, Gemälde und Bronzeplastiken …
Als Schüler konnte ich von meinem Taschengeld keine Daumiers kaufen. Im Studium ab 1960 in Marburg erlaubte mein schmaler Wechsel, wie man das damals nannte, noch keine großen Sprünge. Aber den einen oder anderen lithographischen Zeitungsdruck konnte ich mir leisten. Ein Hinterhof-Antiquariat in München, auf das ich bei einem Besuch gestoßen war, erwies sich als echte Fundgrube. Dort habe ich manches Zeitungsblatt von Daumier erstanden. Eines davon, aus dem Sommer 1848, ist eine große Rarität, wie sich später herausstellte. Es ist die erste künstlerische Befassung mit dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx, das kurz zuvor in London veröffentlicht worden war. Fünf Mark habe ich damals dafür bezahlt – ein echtes Schnäppchen.
Sie studierten damals Jura. Wie ging es mit Ihrer Begeisterung für Daumier weiter?
Ab 1962 studierte ich in Bonn. Das Juristische Seminar lag in der Nähe der Institute der Geschichts- und der Kunstgeschichtswissenschaft. Hier konnte ich endlich vertieft zu Daumier forschen. Ich kannte mich anfangs nicht aus, weshalb ich dort in der Bibliothek sofort aufgefallen bin (lacht). Dort kam ich erstmals mit Kunsthistorikern in Kontakt und habe salopp gesagt festgestellt: Die ticken vollkommen anders als wir Juristen. Das war eine echte Bereicherung! Ab 1969 arbeitete ich als Anwalt in Frankfurt und verdiente genug, um eine richtige Sammlung aufzubauen. Ich habe also mehr als 60 Jahre Kunst von Daumier gesammelt, aber nie als Kapitalanlage, sondern immer ihrer selbst wegen.
Sie waren 1992 zum ersten Mal an einer Daumier-Ausstellung im Städel beteiligt. Wie kam das?
Ich lernte in den 80er-Jahren Margret Stuffmann kennen, die frühere Leiterin der Graphischen Sammlung des Städel Museums. Sie öffnete mir die Augen für die künstlerische Qualität von Daumier. Bis dahin hatte ich in ihm nur den politischen Karikaturisten gesehen und die politischen Werke gesammelt. 1992 machte Margret Stuffmann im Städel ihre große, berühmte Ausstellung von Zeichnungen von Daumier. Ich hatte ihr vorgeschlagen, auch eine Auswahl seiner Lithographien zu zeigen, weil der Vergleich stilistisch reizvoll ist und weil man aus den datierten Lithographien das Entstehungsdatum der durchweg undatierten Zeichnungen rückschließen kann. Sie ging zunächst nicht darauf ein, kam aber wenige Wochen vor der Eröffnung zu mir und suchte sich aus meiner Sammlung einige Dutzend Werke für eine parallele Ausstellung von Lithographien aus. Das war gleichsam ein Ritterschlag für mich und meine Sammlung.
Aus Anlass des 125. Jubiläums haben Sie dem Städelschen Museums-Verein nun Ihre Sammlung geschenkt. Warum?
Man kann eine Sammlung vererben, nicht aber das Wissen im Kopf des Sammlers. Deshalb wollten meine Geschwister und ich die Landkartensammlung meines Vaters nicht übernehmen, weshalb er sie nach geographischen Regionen aufgeteilt an kartographisch tätige öffentliche Institutionen gegeben hat. Deshalb wollten auch meine Kinder meine Sammlung nicht erben. Sie selbst regten sogar an, dass ich die Sammlung dem Städelschen Museums-Verein schenke, und das nicht erst bei meinem Tode, sondern schon jetzt. So ist es geschehen. Dies auch als Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Margret Stuffmann, ohne die meine Sammlung nicht wäre, was sie heute ist. Zudem: Für Kulturgüter gilt ganz besonders der Satz des Grundgesetzes, dass Eigentum auch der Allgemeinheit dienen soll. Deshalb bin ich Ausleihwünschen für Ausstellungen und Forschungszwecke stets nachgekommen. Im Städel Museum ist das weiterhin sichergestellt. Das ist mir wichtig.
Honoré Daumier (1808–1879) gehört zu den größten Künstlern Frankreichs. Mit seinen Lithographien, veröffentlicht vor allem in mehreren Zeitungen, war Daumier schon zu seinen Lebzeiten bekannt. Seine politischen Blätter fielen häufig der Beschlagnahme oder Zensur zum Opfer, einmal musste er sogar ins Gefängnis. Sein Engagement für Demokratie (damals als Republik bezeichnet), Freiheit und Frieden in Europa hat bis heute an Aktualität nichts verloren. Eine Auswahl von 120 Werken aus der Sammlung und Schenkung Hellwig war von Januar bis zum 12. Mai im Städel Museum Frankfurt zu sehen.
15. Mai 2024, 11.32 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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