Da sage noch einer, Lesungen wären nur was für Frauen. Bei Bodo Kirchhoff im ausverkauften Chagall-Saal des Schauspielhauses bestand das Publikum gut zur Hälfte aus Männern. Ob es am Thema des Buches lag? "Sex, Sex und Sex", hatte eine brüskierte Dame nach der ersten Lesung im Hamburger Thalia-Theater ins Publikum gerufen - "wen interessiert das schon?"

Frankfurter anscheinend. Und natürlich Porsche-Fahrer. "Erinnerungen an meinen Porsche" hat Kirchhoff sein neuestes Werk betitelt.  Es geht um - natürlich Sex - und einen Investmentbanker, dessen Porsche beschädigt wird. Nicht der, der in der der Garege steht, sondern der, der laut Kirchhoffs Held gerne "in Garagen gefahren wird". Vornehmend weibliche. Kirchhoffs Sprache ist wie immer ebenso heftig wie derb. Und stark gefeilt. Man kann sich augenscheinlich vorstellen, wie der Autor sich jedes einzelne seiner Wörter aus seienm Hirn in seinen Laptop presst, ganze Passagen verwirft, neu ansetzt - und zu völlig neuen Ergebnissen kommt. Ergebnissen aus einem (Kirchhoff-)Guss.    

Aus der Differenzierung des Porsches in Fahrzeug und männliches Werkzeug zieht die Geschichte ihren ironischen Reiz. Wenn Kirchhoff, der ein begnadeter Vorleser ist, tief in die Handlung eindringt (Verzeihung!), ist es ganz still im Saal. Der Autor verbindet Wortwitz mit Schmerzen. Wenn die Freundin des Bankers diesem aus Frust über dessen Reaktion auf ihre Schwangerschaft am Heiligen Abend einen Korkenzieher (Marke Alessi) in den Porsche rammt, wenn dann beim Herausziehen desselbigen (was eigentlich eher ein Unfall ist) das Blut über die Hirten am Christbaum spritzt und dazu die Familie im Untergeschoss "Stille Nacht, Heilige Nacht" skandiert - dann bemerkt der geneigte Zuhörer die ganze Wortkraft, die Kirchhoff besitzt und die ihn einzigartig macht.

Wir erlebten einen Vorlese-Abend, der durch die Einführung von Martin Lüdke und die anschließende Quasi-Talkrunde mit Petra Gerster zu einem ersten literarischen Highlight in diesem Jahr in Frankfurt wurde - wir lechzen nach mehr!