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Newmen
Mit Augenzwinkern
Bei den ersten Konzerten nach der Corona-Pause hofften Newmen, dass sich Band und Publikum neu entdecken. Das gelang. Jetzt ist mit „Futur II“ ein neues Album erschienen und nach dem Auftritt im Liebieghaus treten sie am 23. September noch auf der Jahrhunderthallen Sommerwiese auf.
In ihrem Refugium in der Rhön haben sich Newmen inzwischen auch ein Tonstudio eingerichtet. Hier treffen sich Joel Ameloot, Martin Heimann, Timm Kroner, Simon Rauland und Joerg Schmidt (zwei von ihnen wohnen im fernen Berlin, die anderen in Frankfurt), um sich auch regelmäßig persönlich auszutauschen und die musikalischen Ideen der Einzelnen aufzugreifen und zu verdichten. „Der Ort bleibt ein Geheimnis“, erklärt Schmidt. „Wir haben es uns da nahe der hessischen Landesgrenze schön gemacht, alles mit altem Kram und einem Augenzwinkern, wie bei allem, was wir tun, eingerichtet.“ Es gibt kein Handynetz, die Musiker sitzen im Garten, jeder hat seine Songskizzen dabei. „Das ist schon ein bisschen ein Eskapismus, den wir da betreiben.“ Im ruralen Umfeld entsteht ein urbaner Sound, drei Jahre nach dem zweiten Album „Soft Ware“ das Gros der Aufnahmen für „Futur II“. Wieder so ein Titel, der Rätsel aufgibt, die man aber selbst lösen muss. Die Zeitform der vollendeten Zukunft als Programm. Aber wo befinden wir uns eigentlich – in der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft?
Die Diversität der Einflüsse auf die Musik von Newmen ist oft thematisiert worden. Ein Begriff fiel dabei immer wieder als wichtige Inspiration. Krautrock. Was britische, US-amerikanische und japanische Musikenthusiasten immer schon als originär deutsch gefeiert haben, wird im Ursprungsland eher selten thematisiert. Kraftwerk, na klar; Can auch mal; Neu! eher weniger. Stolz geht anders. Immerhin hat man das facettenreiche Tun der Oberbayern von The Notwist mit dem 70s-Genre in Verbindung gebracht. Die Acher-Brüder sträuben sich genauso wenig wie Newmen gegen die Assoziation. Newmen nennen ihren von E-Gitarren und Analog-Synthesizern generierten Hybrid-Sound Krautpop. Für viele kreative, innovative Musiker:innen eher ein Schimpfwort, scheut sich Schmidt nicht davor. „Weil Pop eigentlich etwas Gutes ist, was extrem Tolles und Demokratisches, weil es Leute zum Denken anregen kann“, macht er seine Idee von Pop an einer Zeit fest, „als ,Strawberry Fields Forever’ ein Hit sein und David Bowie ein abgefahrenes Album wie ,Low’ machen konnte.“ Sie haben uns die Augen geöffnet, sie haben uns schlauer gemacht. In diesem Geiste gilt es fernab von nostalgischen Erwägungen einen eigenen musikalischen Kosmos zu kreieren. Immer in Bewegung auf unbekanntes Terrain. Immer auf der Suche nach einer interessanten Form.
„Futur II“ war so gut wie fertig, als die Corona-Krise gerade anfing. „Ich bin mit meiner Freundin durch den Frankfurter Stadtwald gelaufen, hatte diesen Song geschrieben, den wir instrumental aufgenommen hatten und überlegte, was wir damit machen sollten“, kam Schmidt plötzlich in den Sinn, dass er morgens beim Kaffeetrinken einen Artikel über das „Open Source“-Festival in Düsseldorf – dabei ein kleines Interview mit Wolfgang Flür – gelesen hatte. Da kam ihm spontan die Idee, ihn zu kontakten. „Da habe ich noch im Wald Facebook geöffnet und geguckt, ob ich da eine offizielle Seite von ihm finde. Und da ich den Song zufällig noch auf dem Handy hatte, habe ich ihm den einfach geschickt und dachte, da passiert nichts. Bis wir nach Hause kamen, hatte er mir schon geschrieben, dass er den Song super findet.“ Für die gemeinsame Aufnahme gewinnen konnte er den E-Schlagzeuger von Kraftwerk, der unter anderem auf Album-Klassikern der Pop-Ikonen wie „Autobahn“ und „Die Mensch-Maschine“ zu hören ist, mit einem ganz persönlichen Anschreiben. „Ich melde mich aus Deiner alten Nachbarschaft, ich bin gerade an Deiner alten Schule vorbeigelaufen.“
Schmidt wohnt am Schweizer Platz, Wolfgang Flür, 1947 in Frankfurt geboren, ging 300 Meter weiter auf die Textorschule, ist in der Rubensstraße aufgewachsen. „Als ich dann das erste Mal mit ihm telefoniert habe, haben wir am Anfang nur über Frankfurt, Sachsenhausen, Handkäs’ essen und gar nicht über Musik geredet.“ Und dann hat er den Text zum Song „Futur I“ geschrieben und auf die Musik gesprochen. „Es gibt einen Konflikt zwischen angesehenen Zukunftsforschern über die Zukunft. Einige behaupten, es sei schon die Ewigkeit. Bis sie es besser wissen, wird empfohlen, die Gegenwart auf morgen zu verschieben und die Zeit verschwinden zu lassen. Es wird viel zu beobachten sein“, lautet seine Botschaft. „Es ist zehn Mal spannender, Musik mit solch interessanten Künstlern zu machen, statt herumzulaufen und etwa zu bedauern, es nie zu ,Top of the Pops’ geschafft zu haben“, setzt Schmidt den Schlussakkord.
>> Newmen, Frankfurt, Jahrhunderthalle Sommerwiese, 23. September, 18 Uhr, Vorverkauf: 10 Euro.
Dieser Text ist bereits in der September-Ausgabe (9/21) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Die Diversität der Einflüsse auf die Musik von Newmen ist oft thematisiert worden. Ein Begriff fiel dabei immer wieder als wichtige Inspiration. Krautrock. Was britische, US-amerikanische und japanische Musikenthusiasten immer schon als originär deutsch gefeiert haben, wird im Ursprungsland eher selten thematisiert. Kraftwerk, na klar; Can auch mal; Neu! eher weniger. Stolz geht anders. Immerhin hat man das facettenreiche Tun der Oberbayern von The Notwist mit dem 70s-Genre in Verbindung gebracht. Die Acher-Brüder sträuben sich genauso wenig wie Newmen gegen die Assoziation. Newmen nennen ihren von E-Gitarren und Analog-Synthesizern generierten Hybrid-Sound Krautpop. Für viele kreative, innovative Musiker:innen eher ein Schimpfwort, scheut sich Schmidt nicht davor. „Weil Pop eigentlich etwas Gutes ist, was extrem Tolles und Demokratisches, weil es Leute zum Denken anregen kann“, macht er seine Idee von Pop an einer Zeit fest, „als ,Strawberry Fields Forever’ ein Hit sein und David Bowie ein abgefahrenes Album wie ,Low’ machen konnte.“ Sie haben uns die Augen geöffnet, sie haben uns schlauer gemacht. In diesem Geiste gilt es fernab von nostalgischen Erwägungen einen eigenen musikalischen Kosmos zu kreieren. Immer in Bewegung auf unbekanntes Terrain. Immer auf der Suche nach einer interessanten Form.
„Futur II“ war so gut wie fertig, als die Corona-Krise gerade anfing. „Ich bin mit meiner Freundin durch den Frankfurter Stadtwald gelaufen, hatte diesen Song geschrieben, den wir instrumental aufgenommen hatten und überlegte, was wir damit machen sollten“, kam Schmidt plötzlich in den Sinn, dass er morgens beim Kaffeetrinken einen Artikel über das „Open Source“-Festival in Düsseldorf – dabei ein kleines Interview mit Wolfgang Flür – gelesen hatte. Da kam ihm spontan die Idee, ihn zu kontakten. „Da habe ich noch im Wald Facebook geöffnet und geguckt, ob ich da eine offizielle Seite von ihm finde. Und da ich den Song zufällig noch auf dem Handy hatte, habe ich ihm den einfach geschickt und dachte, da passiert nichts. Bis wir nach Hause kamen, hatte er mir schon geschrieben, dass er den Song super findet.“ Für die gemeinsame Aufnahme gewinnen konnte er den E-Schlagzeuger von Kraftwerk, der unter anderem auf Album-Klassikern der Pop-Ikonen wie „Autobahn“ und „Die Mensch-Maschine“ zu hören ist, mit einem ganz persönlichen Anschreiben. „Ich melde mich aus Deiner alten Nachbarschaft, ich bin gerade an Deiner alten Schule vorbeigelaufen.“
Schmidt wohnt am Schweizer Platz, Wolfgang Flür, 1947 in Frankfurt geboren, ging 300 Meter weiter auf die Textorschule, ist in der Rubensstraße aufgewachsen. „Als ich dann das erste Mal mit ihm telefoniert habe, haben wir am Anfang nur über Frankfurt, Sachsenhausen, Handkäs’ essen und gar nicht über Musik geredet.“ Und dann hat er den Text zum Song „Futur I“ geschrieben und auf die Musik gesprochen. „Es gibt einen Konflikt zwischen angesehenen Zukunftsforschern über die Zukunft. Einige behaupten, es sei schon die Ewigkeit. Bis sie es besser wissen, wird empfohlen, die Gegenwart auf morgen zu verschieben und die Zeit verschwinden zu lassen. Es wird viel zu beobachten sein“, lautet seine Botschaft. „Es ist zehn Mal spannender, Musik mit solch interessanten Künstlern zu machen, statt herumzulaufen und etwa zu bedauern, es nie zu ,Top of the Pops’ geschafft zu haben“, setzt Schmidt den Schlussakkord.
>> Newmen, Frankfurt, Jahrhunderthalle Sommerwiese, 23. September, 18 Uhr, Vorverkauf: 10 Euro.
Dieser Text ist bereits in der September-Ausgabe (9/21) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
2. September 2021, 12.36 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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Text: Detlef Kinsler / Foto: Den Sorte Skole © Kristoffer Juel Poulsen
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