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Neuer Verlag
Das neue W
Frankfurt ist um einen Verlag reicher: Die Edition W will gesellschaftlich relevante Literatur publizieren. Das Programm für das kommende, das erste Jahr der Edition steht bereits fest, für das Frühjahr sind drei Titel geplant.
Eine persönliche Erinnerung: Im Jahr 1998 beauftragte mich der damalige Chefredakteur des JOURNAL Frankfurt, Helmut Ortner, zur Buchmesse eine Titelgeschichte zu schreiben. Die sechs Cheflektoren der wichtigsten Frankfurter Verlage sollte ich treffen und porträtieren. Ich war seinerzeit ein ehrfurchtsvoll auf die Literatur schauender Student der Literaturwissenschaften, und besonders ehrfurchtsvoll schaute ich auf das, was der Suhrkamp Verlag machte. Die Suhrkamp-Autoren umwehte damals noch ein Nimbus, so wie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags in der Stadt auf eine Weise auftraten, die dem Rang von Suhrkamp und ihrem eigenen Status innerhalb dieses Verlags entsprach. Von alldem wusste ich zu dieser Zeit noch wenig. Ich war ein Leser. Und ich hatte mindestens allergrößten Respekt, als ich zum Termin mit Rainer Weiss, dem damaligen Cheflektor von Suhrkamp, in der Lindenstraße im Westend eintraf.
Nein, das ist gelogen. Es war kein Respekt. Ich hatte zwei Nächte lang sehr schlecht geschlafen und die Hosen gestrichen voll. Das ist die Wahrheit. Und dann wurde ich in das Büro von Rainer Weiss geführt, das vielleicht etwas größer, aber ebenso unspektakulär war, wie ich im Lauf der kommenden Jahre erfahren sollte, wie alle anderen Büros in dem sachlichen, Ender der 1960er-Jahre gebauten Bürohaus. Rainer Weiss behandelte mich nicht wie einen Bittsteller. Er fragte mich, was ich so lese. Was mich interessiere. Ich nannte ihm einen meiner Lieblingsautoren (bis heute im Übrigen), Ralf Rothmann, der gerade wenige Wochen zuvor seinen neuen Roman bei Suhrkamp veröffentlicht hatte. Wir kamen ins Gespräch, und Rainer Weiss interessierte sich tatsächlich für das, was ich zu sagen hatte. Und wir sind seitdem im Gespräch geblieben. Nicht nur über Literatur, auch über zwei andere gemeinsame Leidenschaften, Fußball (Weiss ist Präsident des Vereins FC Gudesding Frankfurt) und Hunde.
Was ich damit sagen will? Rainer Weiss ist ein neugieriger, offener Mensch. Und er hat echtes Interesse an literarischen Entdeckungen und am Austausch darüber. Nach seinem von ihm bis heute eisern beschwiegenen Ausscheiden aus dem Suhrkamp Verlag gründete Weiss 2008 gemeinsam mit Anya Schutzbach den Verlag „weissbooks.w“. Den gibt es heute noch oder wieder, allerdings in Berlin und mit einem komplett neuen Verlegerteam. Nur der Name ist geblieben. Und Rainer Weiss? Hat mittlerweile die 70er-Schwelle passiert und könnte ein Rentnerdasein führen. Aber das liegt ihm nicht. Stattdessen treffe ich ihn dort, wo man ihn schon immer gut treffen könnte: Bei Herrn Franz, dem legendären österreichischen Wirt, der einst das Restaurant des Frankfurter Literaturhauses in der Bockenheimer Landstraße 102 mit Leben füllte und mit Atmosphäre. Herr Franz ist mittlerweile ein paar hundert Meter weitergezogen mit seinem Restaurant.
Und Rainer Weiss hat einen neuen Verlag gegründet. Fast jedenfalls. Die Edition W wird im Frühjahr 2022 mit drei Titeln an den Start gehen. Rainer Weiss hat bereits seit 2017 für den Westend Verlag und dessen Verleger Markus J. Karsten im Veranstaltungsbereich gearbeitet. Irgendwann beim Gedankenaustausch entstand die Idee, das ausschließlich auf Sachbücher spezialisierte Programm des Westend-Verlags mit belletristischen titeln zu erweitern – das Ergebnis ist die Edition W. Neben den beiden Gesellschaftern Weiss und Karsten ist Robin Schmerer bei der Edition an Bord gegangen. Der Lektor und Publizist hatte bereits bei weissbooks.w als Allrounder gearbeitet. Das Programm für das kommende, das erste Jahr der Edition steht bereits fest und ist auch auf der Homepage des Verlags einsehbar. „Bücher, die Denkprozesse anstoßen“, will die Edition W ans Publikum bringen. „Keine Westend-Verlag-Literatur“, sagt Rainer Weiss, „sondern etwas Eigenes, und trotzdem Bücher, die gesellschaftlich bedeutende Themen aufgreifen.“ Er müsste das nicht mehr machen, aber er will unbedingt. „Ich kann“, sagt Weiss, „keinen Text in die Hand nehmen, ohne daran herumzulektorieren. Das sitzt tief drin.“ Drei Titel erscheinen im Frühjahr, von Luna Al-Mousli, Kerstin Herrnkind und Alice Zeniter. Im Herbst wird die Frankfurterin Lena Elfrath ihr neues Buch in der Edition W veröffentlichen. Die Verlagsstadt Frankfurt freut sich.
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Dieser Text ist zuerst in der Dezember-Ausgabe (12/21) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
Nein, das ist gelogen. Es war kein Respekt. Ich hatte zwei Nächte lang sehr schlecht geschlafen und die Hosen gestrichen voll. Das ist die Wahrheit. Und dann wurde ich in das Büro von Rainer Weiss geführt, das vielleicht etwas größer, aber ebenso unspektakulär war, wie ich im Lauf der kommenden Jahre erfahren sollte, wie alle anderen Büros in dem sachlichen, Ender der 1960er-Jahre gebauten Bürohaus. Rainer Weiss behandelte mich nicht wie einen Bittsteller. Er fragte mich, was ich so lese. Was mich interessiere. Ich nannte ihm einen meiner Lieblingsautoren (bis heute im Übrigen), Ralf Rothmann, der gerade wenige Wochen zuvor seinen neuen Roman bei Suhrkamp veröffentlicht hatte. Wir kamen ins Gespräch, und Rainer Weiss interessierte sich tatsächlich für das, was ich zu sagen hatte. Und wir sind seitdem im Gespräch geblieben. Nicht nur über Literatur, auch über zwei andere gemeinsame Leidenschaften, Fußball (Weiss ist Präsident des Vereins FC Gudesding Frankfurt) und Hunde.
Was ich damit sagen will? Rainer Weiss ist ein neugieriger, offener Mensch. Und er hat echtes Interesse an literarischen Entdeckungen und am Austausch darüber. Nach seinem von ihm bis heute eisern beschwiegenen Ausscheiden aus dem Suhrkamp Verlag gründete Weiss 2008 gemeinsam mit Anya Schutzbach den Verlag „weissbooks.w“. Den gibt es heute noch oder wieder, allerdings in Berlin und mit einem komplett neuen Verlegerteam. Nur der Name ist geblieben. Und Rainer Weiss? Hat mittlerweile die 70er-Schwelle passiert und könnte ein Rentnerdasein führen. Aber das liegt ihm nicht. Stattdessen treffe ich ihn dort, wo man ihn schon immer gut treffen könnte: Bei Herrn Franz, dem legendären österreichischen Wirt, der einst das Restaurant des Frankfurter Literaturhauses in der Bockenheimer Landstraße 102 mit Leben füllte und mit Atmosphäre. Herr Franz ist mittlerweile ein paar hundert Meter weitergezogen mit seinem Restaurant.
Und Rainer Weiss hat einen neuen Verlag gegründet. Fast jedenfalls. Die Edition W wird im Frühjahr 2022 mit drei Titeln an den Start gehen. Rainer Weiss hat bereits seit 2017 für den Westend Verlag und dessen Verleger Markus J. Karsten im Veranstaltungsbereich gearbeitet. Irgendwann beim Gedankenaustausch entstand die Idee, das ausschließlich auf Sachbücher spezialisierte Programm des Westend-Verlags mit belletristischen titeln zu erweitern – das Ergebnis ist die Edition W. Neben den beiden Gesellschaftern Weiss und Karsten ist Robin Schmerer bei der Edition an Bord gegangen. Der Lektor und Publizist hatte bereits bei weissbooks.w als Allrounder gearbeitet. Das Programm für das kommende, das erste Jahr der Edition steht bereits fest und ist auch auf der Homepage des Verlags einsehbar. „Bücher, die Denkprozesse anstoßen“, will die Edition W ans Publikum bringen. „Keine Westend-Verlag-Literatur“, sagt Rainer Weiss, „sondern etwas Eigenes, und trotzdem Bücher, die gesellschaftlich bedeutende Themen aufgreifen.“ Er müsste das nicht mehr machen, aber er will unbedingt. „Ich kann“, sagt Weiss, „keinen Text in die Hand nehmen, ohne daran herumzulektorieren. Das sitzt tief drin.“ Drei Titel erscheinen im Frühjahr, von Luna Al-Mousli, Kerstin Herrnkind und Alice Zeniter. Im Herbst wird die Frankfurterin Lena Elfrath ihr neues Buch in der Edition W veröffentlichen. Die Verlagsstadt Frankfurt freut sich.
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Dieser Text ist zuerst in der Dezember-Ausgabe (12/21) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
28. Dezember 2021, 13.14 Uhr
Christoph Schröder
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