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Neue Ausstellung in Frankfurt
Crespo Haus: Was kommt nach der Natur?
Neue Schau im Frankfurter Crespo Haus: Die Fotografie-Preisträger Laura Huertas Millán und Sarker Protick zeigen ihre prämierten Arbeiten, die vom Überleben in Zeiten der Klimakrise handeln.
Inmitten des hektischen Frankfurter Innenstadtverkehrs befindet sich ein Ort der Ruhe und Kontemplation: das Crespo-Haus. Die großen Fenster laden zum Hineinschauen ein. Man sieht einen Raum, der von grüner Farbe nur so strahlt. Er ist Teil der Ausstellung von Laura Huertas Millán. Sie wurde mit dem „After Nature – Ulrike Crespo Photography Prize 24“ ausgezeichnet – gemeinsam mit Sarker Protick. Was bedeutet es, in einer Welt zu leben, in der man sich Gedanken über die Welt „nach der Natur“ machen muss? Huertas Millán und Protick haben sich in ihren Arbeiten damit auseinandergesetzt.
Gemeinsam mit dem renommierten Ausstellungshaus für Fotografie und visuelle Medien „C/O Berlin“ hat die Crespo Foundation diesen Preis initiiert. Jährlich werden zwei Künstler mit einem Preisgeld von 80 000 Euro ausgezeichnet. Damit ist der „After Nature Prize“ der zweithöchst dotierte Preis im Bereich Fotografie in Europa. Die Gründerin der Crespo Stiftung, Ulrike Crespo, war selbst Fotografin und setzte ihren Schwerpunkt auf Pflanzen und Natur. Nach dem Stiftungsmotto „Menschen stark machen“ ist der Preis, wie die Vorständin der Stiftung, Christiane Riedel, erklärt, Crespos Hinterlassenschaft. „Mit C/O Berlin setzen wir Ulrike Crespos künstlerisches Engagement auf diesem Feld fort.“ Die Preisträgerinnen und Preisträger werden im Voraus von einem Gremium nominiert und anschließend von einer internationalen Jury ausgewählt.
Der Name „After Nature“ nimmt Bezug auf die Folgen des Klimawandels. Von einer „natürlichen“ Natur bewegen wir uns auf eine vom Menschen veränderte Natur zu. Bilder haben einen Einfluss darauf, wie wir die Natur wahrnehmen. Sie können Zusammenhänge beleuchten, Auswirkungen des Klimawandels abbilden, aber leider auch verharmlosen. Somit schlagen Bilder eine Brücke zwischen Wahrnehmung und Realität.
Ursprünge der Kokapflanze liegen nicht im Frankfurter Bahnhofsviertel
Woher kommt die Vorstellung, frei über die Natur und die Menschen verfügen zu dürfen? Laura Huertas Millán, 1983 in Kolumbien geboren, greift diese Fragestellung in ihren Werken auf. Die Künstlerin beschäftigt sich mit der Herkunft der Kokapflanze und wie diese der indigenen Bevölkerung von spanischen Kolonialherren weggenommen wurde. Mittels drei visueller Medieninstallationen macht Huertas Millán auf die Ursprünge der Kokapflanze und die mit der spanischen Kolonialisierung einhergehende Widerstandsbewegung der kolumbianischen Gemeinschaft aufmerksam.
Heutzutage konnotieren wir die Kokapflanze mit Drogen, Kriminalität und dem Frankfurter Bahnhofsviertel. Ihren Ursprung kennen aber nur die Wenigsten. Bevor die spanischen Eroberer die Pflanze nach Europa importierten und kriminalisierten, hatte sie eine ganz andere Bedeutung. Schon im 16. Jahrhundert war die Pflanze von kultureller, medizinischer und spiritueller Bedeutung. Huertas Millán porträtiert in ihrer Fotografie den Widerstand gegen die Entwertung der Pflanze, den eine Gruppe von indigenen Frauen, leistete.
Die Künstlerin nutzt in ihren Werken die Kombination mehrerer Perspektiven, wie Ethnologie, Fiktion, Ökologie und historische Forschung, um zu problematisieren, wie schnell die Narrative über die Kokapflanze zwischen Gift und Heilmittel wechselt. So wird ihre Kamera nicht nur zum Dokumentationsmittel, sondern vielmehr ein Instrument der Sichtbarmachung.
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Awngar, 2024 von Sarker Protick © red
Seit wann blenden Menschen die Eingriffe in die Natur aus?
Der zweite Preisträger, der Fotograf Sarker Protick, geboren 1986 in Bangladesch, setzt die Auswirkungen des Kohleabbaus durch die britische Kolonialmacht in Szene. Bangladesch war bis 1947 britische Kolonie. Im Rahmen des „After Nature Prize 2024“ beschäftigt er sich mit der kolonialen Geschichte des indischen Subkontinents und mit den bis heute andauernden Ausbeutungen, der dort lebenden Menschen und Ökosysteme.
Die Kohleabbaugebiete auf seinen Fotografien zeigen eine fast schon unheimliche Dimension an grauer Fläche. Staubig und einsam wirken die Bilder auf den Betrachter. Kohle und Eisenbahnschienen sind zu sehen, Menschen dagegen kaum. Es wird deutlich, wie unbedeutend der Mensch in dieser Minenlandschaft ist. Und doch trägt einzig und allein er die Verantwortung für diesen Zustand. Industrielle Auswirkungen, durch die das Menschliche untergeht. So sind Proticks Fotografien auch von Niedergang und Verlust geprägt.
Laura Huerta Millán und Sarker Protick machen durch ihre Arbeiten unsichtbare Strukturen der Geschichte des Kolonialismus, in dem Gemeinschaften, Kultur und Ökosysteme entwertet wurden, sichtbar. Sie unterscheiden sich in ihren Werken und Unterthemen deutlich. Sie adressieren trotzdem denselben Kern der Problematik. Beide geben Anreize, über die noch immer andauernden kolonialen Ausbeutungsstrukturen nachzudenken: Die Fragilität der Natur, die Endlichkeit von Ressourcen und darüberstehend die Willkür, mit der das Ökosystem beraubt wird.
Die Ausstellung „After Nature“ ist bis zum 25. Mai im Open Space des Crespo Hauses zu sehen. Weitere Infos: www.crespo-foundation.de
Info
Das Crespo Haus ist seit Frühjahr 2024 der Wirkungsort der gemeinnützigen und privaten Crespo Stiftung, die von Ulrike Crespo gegründet wurde. Die „Wella“-Erbin, die im Oktober 2019 im Alter von 68 Jahren verstarb, widmete ihr gesamtes Vermögen der Verbrauchsstiftung, die die finanziellen Mittel bis 2039 verwenden muss. Die Stiftung fördert Begegnung und Austausch und soll als Knotenpunkt zwischen Künstlern und der Stadtgesellschaft dienen. Das Crespo Haus ist ein Ort, der für jeden zugänglich ist und Themen wie Kunst, Bildung und Soziales miteinander vereint. Im Herzstück, dem Open Space, finden Workshops, Lesungen, Bildungsprojekte und Ausstellungen statt.
Gemeinsam mit dem renommierten Ausstellungshaus für Fotografie und visuelle Medien „C/O Berlin“ hat die Crespo Foundation diesen Preis initiiert. Jährlich werden zwei Künstler mit einem Preisgeld von 80 000 Euro ausgezeichnet. Damit ist der „After Nature Prize“ der zweithöchst dotierte Preis im Bereich Fotografie in Europa. Die Gründerin der Crespo Stiftung, Ulrike Crespo, war selbst Fotografin und setzte ihren Schwerpunkt auf Pflanzen und Natur. Nach dem Stiftungsmotto „Menschen stark machen“ ist der Preis, wie die Vorständin der Stiftung, Christiane Riedel, erklärt, Crespos Hinterlassenschaft. „Mit C/O Berlin setzen wir Ulrike Crespos künstlerisches Engagement auf diesem Feld fort.“ Die Preisträgerinnen und Preisträger werden im Voraus von einem Gremium nominiert und anschließend von einer internationalen Jury ausgewählt.
Der Name „After Nature“ nimmt Bezug auf die Folgen des Klimawandels. Von einer „natürlichen“ Natur bewegen wir uns auf eine vom Menschen veränderte Natur zu. Bilder haben einen Einfluss darauf, wie wir die Natur wahrnehmen. Sie können Zusammenhänge beleuchten, Auswirkungen des Klimawandels abbilden, aber leider auch verharmlosen. Somit schlagen Bilder eine Brücke zwischen Wahrnehmung und Realität.
Woher kommt die Vorstellung, frei über die Natur und die Menschen verfügen zu dürfen? Laura Huertas Millán, 1983 in Kolumbien geboren, greift diese Fragestellung in ihren Werken auf. Die Künstlerin beschäftigt sich mit der Herkunft der Kokapflanze und wie diese der indigenen Bevölkerung von spanischen Kolonialherren weggenommen wurde. Mittels drei visueller Medieninstallationen macht Huertas Millán auf die Ursprünge der Kokapflanze und die mit der spanischen Kolonialisierung einhergehende Widerstandsbewegung der kolumbianischen Gemeinschaft aufmerksam.
Heutzutage konnotieren wir die Kokapflanze mit Drogen, Kriminalität und dem Frankfurter Bahnhofsviertel. Ihren Ursprung kennen aber nur die Wenigsten. Bevor die spanischen Eroberer die Pflanze nach Europa importierten und kriminalisierten, hatte sie eine ganz andere Bedeutung. Schon im 16. Jahrhundert war die Pflanze von kultureller, medizinischer und spiritueller Bedeutung. Huertas Millán porträtiert in ihrer Fotografie den Widerstand gegen die Entwertung der Pflanze, den eine Gruppe von indigenen Frauen, leistete.
Die Künstlerin nutzt in ihren Werken die Kombination mehrerer Perspektiven, wie Ethnologie, Fiktion, Ökologie und historische Forschung, um zu problematisieren, wie schnell die Narrative über die Kokapflanze zwischen Gift und Heilmittel wechselt. So wird ihre Kamera nicht nur zum Dokumentationsmittel, sondern vielmehr ein Instrument der Sichtbarmachung.
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Awngar, 2024 von Sarker Protick © red
Der zweite Preisträger, der Fotograf Sarker Protick, geboren 1986 in Bangladesch, setzt die Auswirkungen des Kohleabbaus durch die britische Kolonialmacht in Szene. Bangladesch war bis 1947 britische Kolonie. Im Rahmen des „After Nature Prize 2024“ beschäftigt er sich mit der kolonialen Geschichte des indischen Subkontinents und mit den bis heute andauernden Ausbeutungen, der dort lebenden Menschen und Ökosysteme.
Die Kohleabbaugebiete auf seinen Fotografien zeigen eine fast schon unheimliche Dimension an grauer Fläche. Staubig und einsam wirken die Bilder auf den Betrachter. Kohle und Eisenbahnschienen sind zu sehen, Menschen dagegen kaum. Es wird deutlich, wie unbedeutend der Mensch in dieser Minenlandschaft ist. Und doch trägt einzig und allein er die Verantwortung für diesen Zustand. Industrielle Auswirkungen, durch die das Menschliche untergeht. So sind Proticks Fotografien auch von Niedergang und Verlust geprägt.
Laura Huerta Millán und Sarker Protick machen durch ihre Arbeiten unsichtbare Strukturen der Geschichte des Kolonialismus, in dem Gemeinschaften, Kultur und Ökosysteme entwertet wurden, sichtbar. Sie unterscheiden sich in ihren Werken und Unterthemen deutlich. Sie adressieren trotzdem denselben Kern der Problematik. Beide geben Anreize, über die noch immer andauernden kolonialen Ausbeutungsstrukturen nachzudenken: Die Fragilität der Natur, die Endlichkeit von Ressourcen und darüberstehend die Willkür, mit der das Ökosystem beraubt wird.
Die Ausstellung „After Nature“ ist bis zum 25. Mai im Open Space des Crespo Hauses zu sehen. Weitere Infos: www.crespo-foundation.de
Das Crespo Haus ist seit Frühjahr 2024 der Wirkungsort der gemeinnützigen und privaten Crespo Stiftung, die von Ulrike Crespo gegründet wurde. Die „Wella“-Erbin, die im Oktober 2019 im Alter von 68 Jahren verstarb, widmete ihr gesamtes Vermögen der Verbrauchsstiftung, die die finanziellen Mittel bis 2039 verwenden muss. Die Stiftung fördert Begegnung und Austausch und soll als Knotenpunkt zwischen Künstlern und der Stadtgesellschaft dienen. Das Crespo Haus ist ein Ort, der für jeden zugänglich ist und Themen wie Kunst, Bildung und Soziales miteinander vereint. Im Herzstück, dem Open Space, finden Workshops, Lesungen, Bildungsprojekte und Ausstellungen statt.
28. Februar 2025, 10.45 Uhr
Clara Charlotte Rosenfeld
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Text: Lukas Mezler / Foto: Nachtclubsängerin Dorothy (Isabella Rossellini) aus dem Lynch-Film „Blue Velvet" © DFF
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28. Februar 2025
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